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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Seite schwanden. Wenn ich mir jetzt nicht als
der größte Dummkopf vorkomme, Rosa, so sol-
len Sie mich nie wieder Ihren Freund nennen:
ich that in meiner Einfalt mehr, als je die be-
rühmtesten Philosophen, zusammengenommen,
gethan haben, ich war ehrlich, in der schlimm-
sten Situation meines Lebens, ich verschenkte
mein Geld, wenn ich gewonnen hatte, und war
die Großmuth selbst, ich übte die größte Selbst-
verläugnung aus, indem ich beim verdrüßlich-
sten Verluste, der mich elend machte, kalt blieb
und ganz vergaß, daß ich ein Betrüger seyn
konnte. O der dummen, ungehirnten Ehrlich-
keit! Nachher lag ich mit meiner Ehrlichkeit
auf den Marktplätzen und bettelte, statt zu
morden, ich flehte das Wohlwollen der Men-
schen an, statt ihnen ihr Eigenthum mit Ge-
walt zu entreißen: o Himmel! es waren oft
dieselben Menschen, die durch mich waren reich
geworden und die mir nun so kalt und mit so
vieler Verachtung vorübergingen, als wenn ich
der unbekannteste und verworfenste Gegenstand
wäre! Und doch hatten sie mich wahrscheinlich,
ja gewiß, um mein Geld betrogen, und sie
fuhren jetzt durch ihren Diebstahl in Kutschen

Seite ſchwanden. Wenn ich mir jetzt nicht als
der groͤßte Dummkopf vorkomme, Roſa, ſo ſol-
len Sie mich nie wieder Ihren Freund nennen:
ich that in meiner Einfalt mehr, als je die be-
ruͤhmteſten Philoſophen, zuſammengenommen,
gethan haben, ich war ehrlich, in der ſchlimm-
ſten Situation meines Lebens, ich verſchenkte
mein Geld, wenn ich gewonnen hatte, und war
die Großmuth ſelbſt, ich uͤbte die groͤßte Selbſt-
verlaͤugnung aus, indem ich beim verdruͤßlich-
ſten Verluſte, der mich elend machte, kalt blieb
und ganz vergaß, daß ich ein Betruͤger ſeyn
konnte. O der dummen, ungehirnten Ehrlich-
keit! Nachher lag ich mit meiner Ehrlichkeit
auf den Marktplaͤtzen und bettelte, ſtatt zu
morden, ich flehte das Wohlwollen der Men-
ſchen an, ſtatt ihnen ihr Eigenthum mit Ge-
walt zu entreißen: o Himmel! es waren oft
dieſelben Menſchen, die durch mich waren reich
geworden und die mir nun ſo kalt und mit ſo
vieler Verachtung voruͤbergingen, als wenn ich
der unbekannteſte und verworfenſte Gegenſtand
waͤre! Und doch hatten ſie mich wahrſcheinlich,
ja gewiß, um mein Geld betrogen, und ſie
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[263/0270] Seite ſchwanden. Wenn ich mir jetzt nicht als der groͤßte Dummkopf vorkomme, Roſa, ſo ſol- len Sie mich nie wieder Ihren Freund nennen: ich that in meiner Einfalt mehr, als je die be- ruͤhmteſten Philoſophen, zuſammengenommen, gethan haben, ich war ehrlich, in der ſchlimm- ſten Situation meines Lebens, ich verſchenkte mein Geld, wenn ich gewonnen hatte, und war die Großmuth ſelbſt, ich uͤbte die groͤßte Selbſt- verlaͤugnung aus, indem ich beim verdruͤßlich- ſten Verluſte, der mich elend machte, kalt blieb und ganz vergaß, daß ich ein Betruͤger ſeyn konnte. O der dummen, ungehirnten Ehrlich- keit! Nachher lag ich mit meiner Ehrlichkeit auf den Marktplaͤtzen und bettelte, ſtatt zu morden, ich flehte das Wohlwollen der Men- ſchen an, ſtatt ihnen ihr Eigenthum mit Ge- walt zu entreißen: o Himmel! es waren oft dieſelben Menſchen, die durch mich waren reich geworden und die mir nun ſo kalt und mit ſo vieler Verachtung voruͤbergingen, als wenn ich der unbekannteſte und verworfenſte Gegenſtand waͤre! Und doch hatten ſie mich wahrſcheinlich, ja gewiß, um mein Geld betrogen, und ſie fuhren jetzt durch ihren Diebſtahl in Kutſchen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/270>, abgerufen am 25.11.2024.