Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
12.
Eduard Burton an Mortimer.

Wie geht es Ihnen, lieber Mortimer? Ich
habe lange keine Nachrichten von Ihnen bekom-
men. -- Der alte Sir Ralph mit seiner Toch-
ter, von denen Sie mir jetzt schreiben, wohnt
jetzt in meiner Gegend, und er scheint sich in
seinem einsamen Hause recht wohl zu befinden.
-- Es ist eine Erquickung meines Herzens, es
ist eine Schuld, die ich abbezahle, wenn ich
diesen Leuten wohl thue. Ich besuche sie oft,
und ich muß Ihnen gestehn, daß ihr Umgang
mich fast am meisten getröstet hat.

Der alte Mann, der gut erzogen war, und
nun am Rande des Grabes in die schrecklichste
Armuth versinkt, halb blind, mit allen Bequem-
lichkeiten des Lebens vertraut, und nun plötz-
lich von allem entblößt, der gern ein Stricker
seyn möchte, wenn er nur könnte, der sein
Elend so innig fühlt und sich doch, so sehr er
Hülfe wünscht, davon zu sprechen schämt: er

12.
Eduard Burton an Mortimer.

Wie geht es Ihnen, lieber Mortimer? Ich
habe lange keine Nachrichten von Ihnen bekom-
men. — Der alte Sir Ralph mit ſeiner Toch-
ter, von denen Sie mir jetzt ſchreiben, wohnt
jetzt in meiner Gegend, und er ſcheint ſich in
ſeinem einſamen Hauſe recht wohl zu befinden.
— Es iſt eine Erquickung meines Herzens, es
iſt eine Schuld, die ich abbezahle, wenn ich
dieſen Leuten wohl thue. Ich beſuche ſie oft,
und ich muß Ihnen geſtehn, daß ihr Umgang
mich faſt am meiſten getroͤſtet hat.

Der alte Mann, der gut erzogen war, und
nun am Rande des Grabes in die ſchrecklichſte
Armuth verſinkt, halb blind, mit allen Bequem-
lichkeiten des Lebens vertraut, und nun ploͤtz-
lich von allem entbloͤßt, der gern ein Stricker
ſeyn moͤchte, wenn er nur koͤnnte, der ſein
Elend ſo innig fuͤhlt und ſich doch, ſo ſehr er
Huͤlfe wuͤnſcht, davon zu ſprechen ſchaͤmt: er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0204" n="197"/>
        <div n="2">
          <head>12.<lb/><hi rendition="#g">Eduard Burton an Mortimer</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Bon&#x017F;treet</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>ie geht es Ihnen, lieber Mortimer? Ich<lb/>
habe lange keine Nachrichten von Ihnen bekom-<lb/>
men. &#x2014; Der alte Sir Ralph mit &#x017F;einer Toch-<lb/>
ter, von denen Sie mir jetzt &#x017F;chreiben, wohnt<lb/>
jetzt in meiner Gegend, und er &#x017F;cheint &#x017F;ich in<lb/>
&#x017F;einem ein&#x017F;amen Hau&#x017F;e recht wohl zu befinden.<lb/>
&#x2014; Es i&#x017F;t eine Erquickung meines Herzens, es<lb/>
i&#x017F;t eine Schuld, die ich abbezahle, wenn ich<lb/>
die&#x017F;en Leuten wohl thue. Ich be&#x017F;uche &#x017F;ie oft,<lb/>
und ich muß Ihnen ge&#x017F;tehn, daß ihr Umgang<lb/>
mich fa&#x017F;t am mei&#x017F;ten getro&#x0364;&#x017F;tet hat.</p><lb/>
          <p>Der alte Mann, der gut erzogen war, und<lb/>
nun am Rande des Grabes in die &#x017F;chrecklich&#x017F;te<lb/>
Armuth ver&#x017F;inkt, halb blind, mit allen Bequem-<lb/>
lichkeiten des Lebens vertraut, und nun plo&#x0364;tz-<lb/>
lich von allem entblo&#x0364;ßt, der gern ein Stricker<lb/>
&#x017F;eyn mo&#x0364;chte, wenn er nur ko&#x0364;nnte, der &#x017F;ein<lb/>
Elend &#x017F;o innig fu&#x0364;hlt und &#x017F;ich doch, &#x017F;o &#x017F;ehr er<lb/>
Hu&#x0364;lfe wu&#x0364;n&#x017F;cht, davon zu &#x017F;prechen &#x017F;cha&#x0364;mt: er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0204] 12. Eduard Burton an Mortimer. Bonſtreet. Wie geht es Ihnen, lieber Mortimer? Ich habe lange keine Nachrichten von Ihnen bekom- men. — Der alte Sir Ralph mit ſeiner Toch- ter, von denen Sie mir jetzt ſchreiben, wohnt jetzt in meiner Gegend, und er ſcheint ſich in ſeinem einſamen Hauſe recht wohl zu befinden. — Es iſt eine Erquickung meines Herzens, es iſt eine Schuld, die ich abbezahle, wenn ich dieſen Leuten wohl thue. Ich beſuche ſie oft, und ich muß Ihnen geſtehn, daß ihr Umgang mich faſt am meiſten getroͤſtet hat. Der alte Mann, der gut erzogen war, und nun am Rande des Grabes in die ſchrecklichſte Armuth verſinkt, halb blind, mit allen Bequem- lichkeiten des Lebens vertraut, und nun ploͤtz- lich von allem entbloͤßt, der gern ein Stricker ſeyn moͤchte, wenn er nur koͤnnte, der ſein Elend ſo innig fuͤhlt und ſich doch, ſo ſehr er Huͤlfe wuͤnſcht, davon zu ſprechen ſchaͤmt: er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/204
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/204>, abgerufen am 04.05.2024.