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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Schrey des Entsetzens wieder zurück: lauter und
geängstigter rief sie dann um Hülfe; das Zim-
mer war voller Rauch, ich sah es deutlich,
Da fiel mir plötzlich eine Stelle aus einem ih-
rer Briefe ein, den sie mir Unwürdigen noch
nach Paris schickte und in dem sie mit liebens-
würdiger Besorglichkeit schrieb, weil sie seit
lange keine Nachrichten von mir erhalten hatte:

Ich sehe Sie ohnmächtig gegen die
Wellen kämpfen, -- oder in einem bren-
nenden Hause vergebens nach Rettung
rufen
. --

Das schrieb sie mir damals als ich sie über
die elende Blainville vergessen hatte, dieselbe
Blainville, die jetzt die verzehrenden Flammen
gegen ihre Wohlthäterinn ausschickte. -- Wie
ein Wirbelwind faßte es mich nun an, es war
das Schicksal selbst, das mich allmächtig ergriff;
-- ich nahm eine große Leiter und legte sie an
das Fenster, -- ich wußte nicht, was ich that.
-- Ich stand in Amaliens Zimmer, sie lag oh-
ne Besinnung auf einem Sofa. Ich drückte sie
an meine Brust, meine Arme umschlossen ihren
zarten Körper und so trug ich sie die Leiter hin-
ab und legte sie auf eine Rasenstelle unter den

Bäu-

Schrey des Entſetzens wieder zuruͤck: lauter und
geaͤngſtigter rief ſie dann um Huͤlfe; das Zim-
mer war voller Rauch, ich ſah es deutlich,
Da fiel mir ploͤtzlich eine Stelle aus einem ih-
rer Briefe ein, den ſie mir Unwuͤrdigen noch
nach Paris ſchickte und in dem ſie mit liebens-
wuͤrdiger Beſorglichkeit ſchrieb, weil ſie ſeit
lange keine Nachrichten von mir erhalten hatte:

Ich ſehe Sie ohnmaͤchtig gegen die
Wellen kaͤmpfen, — oder in einem bren-
nenden Hauſe vergebens nach Rettung
rufen
. —

Das ſchrieb ſie mir damals als ich ſie uͤber
die elende Blainville vergeſſen hatte, dieſelbe
Blainville, die jetzt die verzehrenden Flammen
gegen ihre Wohlthaͤterinn ausſchickte. — Wie
ein Wirbelwind faßte es mich nun an, es war
das Schickſal ſelbſt, das mich allmaͤchtig ergriff;
— ich nahm eine große Leiter und legte ſie an
das Fenſter, — ich wußte nicht, was ich that.
— Ich ſtand in Amaliens Zimmer, ſie lag oh-
ne Beſinnung auf einem Sofa. Ich druͤckte ſie
an meine Bruſt, meine Arme umſchloſſen ihren
zarten Koͤrper und ſo trug ich ſie die Leiter hin-
ab und legte ſie auf eine Raſenſtelle unter den

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[128/0135] Schrey des Entſetzens wieder zuruͤck: lauter und geaͤngſtigter rief ſie dann um Huͤlfe; das Zim- mer war voller Rauch, ich ſah es deutlich, Da fiel mir ploͤtzlich eine Stelle aus einem ih- rer Briefe ein, den ſie mir Unwuͤrdigen noch nach Paris ſchickte und in dem ſie mit liebens- wuͤrdiger Beſorglichkeit ſchrieb, weil ſie ſeit lange keine Nachrichten von mir erhalten hatte: Ich ſehe Sie ohnmaͤchtig gegen die Wellen kaͤmpfen, — oder in einem bren- nenden Hauſe vergebens nach Rettung rufen. — Das ſchrieb ſie mir damals als ich ſie uͤber die elende Blainville vergeſſen hatte, dieſelbe Blainville, die jetzt die verzehrenden Flammen gegen ihre Wohlthaͤterinn ausſchickte. — Wie ein Wirbelwind faßte es mich nun an, es war das Schickſal ſelbſt, das mich allmaͤchtig ergriff; — ich nahm eine große Leiter und legte ſie an das Fenſter, — ich wußte nicht, was ich that. — Ich ſtand in Amaliens Zimmer, ſie lag oh- ne Beſinnung auf einem Sofa. Ich druͤckte ſie an meine Bruſt, meine Arme umſchloſſen ihren zarten Koͤrper und ſo trug ich ſie die Leiter hin- ab und legte ſie auf eine Raſenſtelle unter den Baͤu-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/135>, abgerufen am 23.11.2024.