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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Erde steht, unter welchem wir Gewürme wie
gefangene Mücken sumsen und nichts sehen und
nichts kennen und fühlen. -- Ich mag auch
gar nichts mehr denken und ersinnen. -- Es
geht ein Sturm durch die Wölbung und die
fernen Wälder zittern rauschend, die See fürch-
tet sich und murmelt leise und verdrossen, es
donnert fern ab im Himmel, als wenn ein Ge-
witter zurecht gelegt wird, und der Werkmeister
unachtsam den Donner zu früh aus der Hand
fallen läßt. -- --

Ich schreibe beim heftigsten Gewitter. -- Es
braust mit Hagel und Regengüssen und der
Sturmwind und Donner stimmen sich, und einer
singt dem andern den tobenden Wechselgesang
nach. Wie fliehende Heere jagen Wolken Wol-
ken, und die Sonne flimmert bleich auf fernen
Bergen, die ganz weit weg wie goldene Kinder-
jahre in der Sturmfinsterniß dastehen; das Meer
schlägt hohe Wogen und donnert in seinem ei-
genthümlichen Ton. -- Ich lache und wünsche
das Wetter immer lauter und lauter, und schreie
dazwischen und schelte den Donner furchtsam --
brause und stürme wirbelnd, und reiße die Er-
de und ihre Gebilde zusammen, damit ein an-
dres Geschlecht aus ihren Ruinen hervorgehe!! --


Erde ſteht, unter welchem wir Gewuͤrme wie
gefangene Muͤcken ſumſen und nichts ſehen und
nichts kennen und fuͤhlen. — Ich mag auch
gar nichts mehr denken und erſinnen. — Es
geht ein Sturm durch die Woͤlbung und die
fernen Waͤlder zittern rauſchend, die See fuͤrch-
tet ſich und murmelt leiſe und verdroſſen, es
donnert fern ab im Himmel, als wenn ein Ge-
witter zurecht gelegt wird, und der Werkmeiſter
unachtſam den Donner zu fruͤh aus der Hand
fallen laͤßt. — —

Ich ſchreibe beim heftigſten Gewitter. — Es
brauſt mit Hagel und Regenguͤſſen und der
Sturmwind und Donner ſtimmen ſich, und einer
ſingt dem andern den tobenden Wechſelgeſang
nach. Wie fliehende Heere jagen Wolken Wol-
ken, und die Sonne flimmert bleich auf fernen
Bergen, die ganz weit weg wie goldene Kinder-
jahre in der Sturmfinſterniß daſtehen; das Meer
ſchlaͤgt hohe Wogen und donnert in ſeinem ei-
genthuͤmlichen Ton. — Ich lache und wuͤnſche
das Wetter immer lauter und lauter, und ſchreie
dazwiſchen und ſchelte den Donner furchtſam —
brauſe und ſtuͤrme wirbelnd, und reiße die Er-
de und ihre Gebilde zuſammen, damit ein an-
dres Geſchlecht aus ihren Ruinen hervorgehe!! —


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[38/0044] Erde ſteht, unter welchem wir Gewuͤrme wie gefangene Muͤcken ſumſen und nichts ſehen und nichts kennen und fuͤhlen. — Ich mag auch gar nichts mehr denken und erſinnen. — Es geht ein Sturm durch die Woͤlbung und die fernen Waͤlder zittern rauſchend, die See fuͤrch- tet ſich und murmelt leiſe und verdroſſen, es donnert fern ab im Himmel, als wenn ein Ge- witter zurecht gelegt wird, und der Werkmeiſter unachtſam den Donner zu fruͤh aus der Hand fallen laͤßt. — — Ich ſchreibe beim heftigſten Gewitter. — Es brauſt mit Hagel und Regenguͤſſen und der Sturmwind und Donner ſtimmen ſich, und einer ſingt dem andern den tobenden Wechſelgeſang nach. Wie fliehende Heere jagen Wolken Wol- ken, und die Sonne flimmert bleich auf fernen Bergen, die ganz weit weg wie goldene Kinder- jahre in der Sturmfinſterniß daſtehen; das Meer ſchlaͤgt hohe Wogen und donnert in ſeinem ei- genthuͤmlichen Ton. — Ich lache und wuͤnſche das Wetter immer lauter und lauter, und ſchreie dazwiſchen und ſchelte den Donner furchtſam — brauſe und ſtuͤrme wirbelnd, und reiße die Er- de und ihre Gebilde zuſammen, damit ein an- dres Geſchlecht aus ihren Ruinen hervorgehe!! —

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/44>, abgerufen am 29.03.2024.