Ewig gehn die Sterne unter, Ewig geht die Sonne auf, Taucht sich roth ins Meer hinunter, Roth beginnt ihr Tages-Lauf.
Nicht also des Menschen Leben, Seine Freuden bleiben aus, Ist er nur dem Tod gegeben, Er behält ihn dort im dunkeln Haus. --
So werd' ich jetzt gezwungen, nach einem gewissen Klange zu reden, der wie ein Wasser- fall in meiner Seele auf- und niedersteigt. Mich besuchen oft Leute in meiner einsamen Wald- wohnung, und sagen es ganz laut, so daß ich es höre, ich sey ein Prophet von Gott gesandt. Die guten Leute meinen es aber in ihrem Sin ne recht gut, nur schieben sie das meiste auf meinen Bart, der mir wider meinen Willen so lang gewachsen ist.
Die Sonne spielt fröhlich zwischen den dun- kelgrünen Zweigen herab und ich sehe, wie je des Thier sich in ihr goldnes Netz so gern und willig fängt. Die ganze Natur ist begeistert und die Waldvögel singen lange und schöne Lie- der, und die Bäume stimmen drein mit lautem ehrwürdigem Rauschen und wie Harfensaiten
Ewig gehn die Sterne unter, Ewig geht die Sonne auf, Taucht ſich roth ins Meer hinunter, Roth beginnt ihr Tages-Lauf.
Nicht alſo des Menſchen Leben, Seine Freuden bleiben aus, Iſt er nur dem Tod gegeben, Er behält ihn dort im dunkeln Haus. —
So werd’ ich jetzt gezwungen, nach einem gewiſſen Klange zu reden, der wie ein Waſſer- fall in meiner Seele auf- und niederſteigt. Mich beſuchen oft Leute in meiner einſamen Wald- wohnung, und ſagen es ganz laut, ſo daß ich es hoͤre, ich ſey ein Prophet von Gott geſandt. Die guten Leute meinen es aber in ihrem Sin ne recht gut, nur ſchieben ſie das meiſte auf meinen Bart, der mir wider meinen Willen ſo lang gewachſen iſt.
Die Sonne ſpielt froͤhlich zwiſchen den dun- kelgruͤnen Zweigen herab und ich ſehe, wie je des Thier ſich in ihr goldnes Netz ſo gern und willig faͤngt. Die ganze Natur iſt begeiſtert und die Waldvoͤgel ſingen lange und ſchoͤne Lie- der, und die Baͤume ſtimmen drein mit lautem ehrwuͤrdigem Rauſchen und wie Harfenſaiten
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Ewig gehn die Sterne unter,
Ewig geht die Sonne auf,
Taucht ſich roth ins Meer hinunter,
Roth beginnt ihr Tages-Lauf.
Nicht alſo des Menſchen Leben,
Seine Freuden bleiben aus,
Iſt er nur dem Tod gegeben,
Er behält ihn dort im dunkeln Haus. —
So werd’ ich jetzt gezwungen, nach einem
gewiſſen Klange zu reden, der wie ein Waſſer-
fall in meiner Seele auf- und niederſteigt. Mich
beſuchen oft Leute in meiner einſamen Wald-
wohnung, und ſagen es ganz laut, ſo daß ich
es hoͤre, ich ſey ein Prophet von Gott geſandt.
Die guten Leute meinen es aber in ihrem Sin
ne recht gut, nur ſchieben ſie das meiſte auf
meinen Bart, der mir wider meinen Willen ſo
lang gewachſen iſt.
Die Sonne ſpielt froͤhlich zwiſchen den dun-
kelgruͤnen Zweigen herab und ich ſehe, wie je
des Thier ſich in ihr goldnes Netz ſo gern und
willig faͤngt. Die ganze Natur iſt begeiſtert
und die Waldvoͤgel ſingen lange und ſchoͤne Lie-
der, und die Baͤume ſtimmen drein mit lautem
ehrwuͤrdigem Rauſchen und wie Harfenſaiten
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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