ges, Schwingungen meiner Gehirnfibern, die ich nach dem allgemeinen Uebereinkommen die äußern Gegenstände benenne.
Der Wechsel der Jahreszeiten zerstört die Berge und Felsen, die ewigen Pfeiler der Erde zerbröckeln sich durch Regengüsse, der Mensch durch den Lauf seines Bluts, ein Todtenwurm in ihm, der ihn von innen heraus zernagt. Je- des Ding ist Bild und Gegenbild zugleich, es erklärt sich selbst und man sollte nie fragen: Wie hängt diese Erscheinung mit jener zusam- men? -- Der Geist des Forschens ist die Erb- sünde, die uns von unsern ersten gefallenen Eltern angestammt ist.
Alles, was ich sonst meine Gefühle nannte, liegt todt und geschlachtet um mich her, zer- pflücktes Spielzeug meiner unreifen Jugend, die zerschlagene magische Laterne, mit der ich meine Zeit vertändelte; bunte Farben und Schattenspielwerk!
Ich nenne mir manchmal den Nahmen Amalte oder Rosaline, um alles, wie mit einem Zauberspruche, wieder zum Leben zu er- wecken, aber auch die Erinnerung ist abgeblüht, und wenn ich mein ganzes Leben hinuntersehe,
ges, Schwingungen meiner Gehirnfibern, die ich nach dem allgemeinen Uebereinkommen die aͤußern Gegenſtaͤnde benenne.
Der Wechſel der Jahreszeiten zerſtoͤrt die Berge und Felſen, die ewigen Pfeiler der Erde zerbroͤckeln ſich durch Regenguͤſſe, der Menſch durch den Lauf ſeines Bluts, ein Todtenwurm in ihm, der ihn von innen heraus zernagt. Je- des Ding iſt Bild und Gegenbild zugleich, es erklaͤrt ſich ſelbſt und man ſollte nie fragen: Wie haͤngt dieſe Erſcheinung mit jener zuſam- men? — Der Geiſt des Forſchens iſt die Erb- ſuͤnde, die uns von unſern erſten gefallenen Eltern angeſtammt iſt.
Alles, was ich ſonſt meine Gefuͤhle nannte, liegt todt und geſchlachtet um mich her, zer- pfluͤcktes Spielzeug meiner unreifen Jugend, die zerſchlagene magiſche Laterne, mit der ich meine Zeit vertaͤndelte; bunte Farben und Schattenſpielwerk!
Ich nenne mir manchmal den Nahmen Amalte oder Roſaline, um alles, wie mit einem Zauberſpruche, wieder zum Leben zu er- wecken, aber auch die Erinnerung iſt abgebluͤht, und wenn ich mein ganzes Leben hinunterſehe,
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ges, Schwingungen meiner Gehirnfibern, die
ich nach dem allgemeinen Uebereinkommen die
aͤußern Gegenſtaͤnde benenne.
Der Wechſel der Jahreszeiten zerſtoͤrt die
Berge und Felſen, die ewigen Pfeiler der Erde
zerbroͤckeln ſich durch Regenguͤſſe, der Menſch
durch den Lauf ſeines Bluts, ein Todtenwurm
in ihm, der ihn von innen heraus zernagt. Je-
des Ding iſt Bild und Gegenbild zugleich, es
erklaͤrt ſich ſelbſt und man ſollte nie fragen:
Wie haͤngt dieſe Erſcheinung mit jener zuſam-
men? — Der Geiſt des Forſchens iſt die Erb-
ſuͤnde, die uns von unſern erſten gefallenen
Eltern angeſtammt iſt.
Alles, was ich ſonſt meine Gefuͤhle nannte,
liegt todt und geſchlachtet um mich her, zer-
pfluͤcktes Spielzeug meiner unreifen Jugend,
die zerſchlagene magiſche Laterne, mit der ich
meine Zeit vertaͤndelte; bunte Farben und
Schattenſpielwerk!
Ich nenne mir manchmal den Nahmen
Amalte oder Roſaline, um alles, wie mit
einem Zauberſpruche, wieder zum Leben zu er-
wecken, aber auch die Erinnerung iſt abgebluͤht,
und wenn ich mein ganzes Leben hinunterſehe,
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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