Wie alles mich immer bestimmter zu jenen Schrecken hinwinkt, denen ich entfliehen wollte! Wie es mich verfolgt und drängt, und doch die gräßliche Leere in mir nicht ausfüllt! -- Wie in einem Ocean schwimm ich mit unnützer Anstrengung umher; kein Schiff, kein Gestade, so weit das Auge reicht! unerbittlich streckt sich das wilde Meer vor mir aus, und Nebel strei- chen verspottend wie Ufer herum, und ver- schwinden dann wieder.
Nebelbänke sind unser Wissen und alles, was unsere Seele zu besitzen glaubt; der Zwei- fel rauft das Unkraut zusammt dem Getraide aus, und in der leeren Wüste schießen andre Pflanzen mit frischer Kraft hervor, deren Far- ben noch schöner und glänzender spielen. Der Mensch muß denken und eben darum glauben, schlafen und also träumen; es ist möglich, daß alle Gestalten nur in mir wandeln, alles zie- hende Schattenbilder in der Hölung meines Au-
28. William Lovell an Roſa.
Rom.
Wie alles mich immer beſtimmter zu jenen Schrecken hinwinkt, denen ich entfliehen wollte! Wie es mich verfolgt und draͤngt, und doch die graͤßliche Leere in mir nicht ausfuͤllt! — Wie in einem Ocean ſchwimm ich mit unnuͤtzer Anſtrengung umher; kein Schiff, kein Geſtade, ſo weit das Auge reicht! unerbittlich ſtreckt ſich das wilde Meer vor mir aus, und Nebel ſtrei- chen verſpottend wie Ufer herum, und ver- ſchwinden dann wieder.
Nebelbaͤnke ſind unſer Wiſſen und alles, was unſere Seele zu beſitzen glaubt; der Zwei- fel rauft das Unkraut zuſammt dem Getraide aus, und in der leeren Wuͤſte ſchießen andre Pflanzen mit friſcher Kraft hervor, deren Far- ben noch ſchoͤner und glaͤnzender ſpielen. Der Menſch muß denken und eben darum glauben, ſchlafen und alſo traͤumen; es iſt moͤglich, daß alle Geſtalten nur in mir wandeln, alles zie- hende Schattenbilder in der Hoͤlung meines Au-
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28.
William Lovell an Roſa.
Rom.
Wie alles mich immer beſtimmter zu jenen
Schrecken hinwinkt, denen ich entfliehen wollte!
Wie es mich verfolgt und draͤngt, und doch
die graͤßliche Leere in mir nicht ausfuͤllt! —
Wie in einem Ocean ſchwimm ich mit unnuͤtzer
Anſtrengung umher; kein Schiff, kein Geſtade,
ſo weit das Auge reicht! unerbittlich ſtreckt ſich
das wilde Meer vor mir aus, und Nebel ſtrei-
chen verſpottend wie Ufer herum, und ver-
ſchwinden dann wieder.
Nebelbaͤnke ſind unſer Wiſſen und alles,
was unſere Seele zu beſitzen glaubt; der Zwei-
fel rauft das Unkraut zuſammt dem Getraide
aus, und in der leeren Wuͤſte ſchießen andre
Pflanzen mit friſcher Kraft hervor, deren Far-
ben noch ſchoͤner und glaͤnzender ſpielen. Der
Menſch muß denken und eben darum glauben,
ſchlafen und alſo traͤumen; es iſt moͤglich, daß
alle Geſtalten nur in mir wandeln, alles zie-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/332>, abgerufen am 25.11.2024.
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