schmackt, denn so sehr ich auch eine Zeitlang die höhere Achtung vor allen Menschen hatte, so war es mir doch leichter, mit ihnen umzu- gehn, und mein Benehmen freyer, als jetzt, da ich die meisten verachte. Wenn ich einen Mann von Verstand zum erstenmale sehe, bin ich leicht in Verlegenheit, ich fühle mich so entfernt von ihm, die fremde Art, dieselben Gedanken, die ich habe, zwar auch zu denken, aber in seinen Begriffen anders zu ordnen, macht mich ver- wirrt, und durch die Bemühung, mich ihm recht verständlich zu machen und näher zu brin- gen, werd' ich immer weiter von ihm entfernt, vorzüglich aber, wenn ich noch obenein bemerke, daß er sich nach mir bequemen will. -- Ich wollte, man könnte sich immer erst nach eini- gen Vorreden kennen lerneu, so wie man manche Schriftsteller nur nach einigen vorausgeschickten, allgemeinen Ideen verstehen kann. -- Leben Sie wohl.
ſchmackt, denn ſo ſehr ich auch eine Zeitlang die hoͤhere Achtung vor allen Menſchen hatte, ſo war es mir doch leichter, mit ihnen umzu- gehn, und mein Benehmen freyer, als jetzt, da ich die meiſten verachte. Wenn ich einen Mann von Verſtand zum erſtenmale ſehe, bin ich leicht in Verlegenheit, ich fuͤhle mich ſo entfernt von ihm, die fremde Art, dieſelben Gedanken, die ich habe, zwar auch zu denken, aber in ſeinen Begriffen anders zu ordnen, macht mich ver- wirrt, und durch die Bemuͤhung, mich ihm recht verſtaͤndlich zu machen und naͤher zu brin- gen, werd’ ich immer weiter von ihm entfernt, vorzuͤglich aber, wenn ich noch obenein bemerke, daß er ſich nach mir bequemen will. — Ich wollte, man koͤnnte ſich immer erſt nach eini- gen Vorreden kennen lerneu, ſo wie man manche Schriftſteller nur nach einigen vorausgeſchickten, allgemeinen Ideen verſtehen kann. — Leben Sie wohl.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0291"n="285"/>ſchmackt, denn ſo ſehr ich auch eine Zeitlang<lb/>
die hoͤhere Achtung vor allen Menſchen hatte,<lb/>ſo war es mir doch leichter, mit ihnen umzu-<lb/>
gehn, und mein Benehmen freyer, als jetzt, da<lb/>
ich die meiſten verachte. Wenn ich einen Mann<lb/>
von Verſtand zum erſtenmale ſehe, bin ich leicht<lb/>
in Verlegenheit, ich fuͤhle mich ſo entfernt von<lb/>
ihm, die fremde Art, dieſelben Gedanken, die<lb/>
ich habe, zwar auch zu denken, aber in ſeinen<lb/>
Begriffen anders zu ordnen, macht mich ver-<lb/>
wirrt, und durch die Bemuͤhung, mich ihm<lb/>
recht verſtaͤndlich zu machen und naͤher zu brin-<lb/>
gen, werd’ ich immer weiter von ihm entfernt,<lb/>
vorzuͤglich aber, wenn ich noch obenein bemerke,<lb/>
daß er ſich nach mir bequemen will. — Ich<lb/>
wollte, man koͤnnte ſich immer erſt nach eini-<lb/>
gen Vorreden kennen lerneu, ſo wie man manche<lb/>
Schriftſteller nur nach einigen vorausgeſchickten,<lb/>
allgemeinen Ideen verſtehen kann. — Leben<lb/>
Sie wohl.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[285/0291]
ſchmackt, denn ſo ſehr ich auch eine Zeitlang
die hoͤhere Achtung vor allen Menſchen hatte,
ſo war es mir doch leichter, mit ihnen umzu-
gehn, und mein Benehmen freyer, als jetzt, da
ich die meiſten verachte. Wenn ich einen Mann
von Verſtand zum erſtenmale ſehe, bin ich leicht
in Verlegenheit, ich fuͤhle mich ſo entfernt von
ihm, die fremde Art, dieſelben Gedanken, die
ich habe, zwar auch zu denken, aber in ſeinen
Begriffen anders zu ordnen, macht mich ver-
wirrt, und durch die Bemuͤhung, mich ihm
recht verſtaͤndlich zu machen und naͤher zu brin-
gen, werd’ ich immer weiter von ihm entfernt,
vorzuͤglich aber, wenn ich noch obenein bemerke,
daß er ſich nach mir bequemen will. — Ich
wollte, man koͤnnte ſich immer erſt nach eini-
gen Vorreden kennen lerneu, ſo wie man manche
Schriftſteller nur nach einigen vorausgeſchickten,
allgemeinen Ideen verſtehen kann. — Leben
Sie wohl.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/291>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.