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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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schmackt, denn so sehr ich auch eine Zeitlang
die höhere Achtung vor allen Menschen hatte,
so war es mir doch leichter, mit ihnen umzu-
gehn, und mein Benehmen freyer, als jetzt, da
ich die meisten verachte. Wenn ich einen Mann
von Verstand zum erstenmale sehe, bin ich leicht
in Verlegenheit, ich fühle mich so entfernt von
ihm, die fremde Art, dieselben Gedanken, die
ich habe, zwar auch zu denken, aber in seinen
Begriffen anders zu ordnen, macht mich ver-
wirrt, und durch die Bemühung, mich ihm
recht verständlich zu machen und näher zu brin-
gen, werd' ich immer weiter von ihm entfernt,
vorzüglich aber, wenn ich noch obenein bemerke,
daß er sich nach mir bequemen will. -- Ich
wollte, man könnte sich immer erst nach eini-
gen Vorreden kennen lerneu, so wie man manche
Schriftsteller nur nach einigen vorausgeschickten,
allgemeinen Ideen verstehen kann. -- Leben
Sie wohl.



ſchmackt, denn ſo ſehr ich auch eine Zeitlang
die hoͤhere Achtung vor allen Menſchen hatte,
ſo war es mir doch leichter, mit ihnen umzu-
gehn, und mein Benehmen freyer, als jetzt, da
ich die meiſten verachte. Wenn ich einen Mann
von Verſtand zum erſtenmale ſehe, bin ich leicht
in Verlegenheit, ich fuͤhle mich ſo entfernt von
ihm, die fremde Art, dieſelben Gedanken, die
ich habe, zwar auch zu denken, aber in ſeinen
Begriffen anders zu ordnen, macht mich ver-
wirrt, und durch die Bemuͤhung, mich ihm
recht verſtaͤndlich zu machen und naͤher zu brin-
gen, werd’ ich immer weiter von ihm entfernt,
vorzuͤglich aber, wenn ich noch obenein bemerke,
daß er ſich nach mir bequemen will. — Ich
wollte, man koͤnnte ſich immer erſt nach eini-
gen Vorreden kennen lerneu, ſo wie man manche
Schriftſteller nur nach einigen vorausgeſchickten,
allgemeinen Ideen verſtehen kann. — Leben
Sie wohl.



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[285/0291] ſchmackt, denn ſo ſehr ich auch eine Zeitlang die hoͤhere Achtung vor allen Menſchen hatte, ſo war es mir doch leichter, mit ihnen umzu- gehn, und mein Benehmen freyer, als jetzt, da ich die meiſten verachte. Wenn ich einen Mann von Verſtand zum erſtenmale ſehe, bin ich leicht in Verlegenheit, ich fuͤhle mich ſo entfernt von ihm, die fremde Art, dieſelben Gedanken, die ich habe, zwar auch zu denken, aber in ſeinen Begriffen anders zu ordnen, macht mich ver- wirrt, und durch die Bemuͤhung, mich ihm recht verſtaͤndlich zu machen und naͤher zu brin- gen, werd’ ich immer weiter von ihm entfernt, vorzuͤglich aber, wenn ich noch obenein bemerke, daß er ſich nach mir bequemen will. — Ich wollte, man koͤnnte ſich immer erſt nach eini- gen Vorreden kennen lerneu, ſo wie man manche Schriftſteller nur nach einigen vorausgeſchickten, allgemeinen Ideen verſtehen kann. — Leben Sie wohl.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/291>, abgerufen am 24.11.2024.