ihren Stauden und Blumen, und pflegt jeder mit einer mütterlichen Sorgfalt; ich suche in- deß von einem Ende des Gartens zum andern, im Felde und im berachbarten Walde ein Et- was, das ich selbst nicht kenne; ich strebe Sie zu vergessen, und mich Ihrer recht lebhaft zu erinnern. -- Neulich säeten wir alle Kresse, und recht zierlich die Nahmen unsrer ganzen Fami- lie; ich säete ein E, und gab vor, es sey Ihr Bruder Eduard, Ihnen aber will ich gestehn, daß es Emilie war, und sehn Sie meine Freu- de: mein E steckte zuerst seine kleinen grünen Köpfchen aus der lockern Erde hervor, und sah sich nach mir um, und nun steht es in voller frischer Grüne, schön geschlungen und sanft; ich werde schon sorgen, daß es nicht abgeschnitten werde, sondern mir einbilden, die kleinen Stau- den lernen Ihren Nahmen säuseln, wenn sie größer werden. --
Wie kindisch Ihnen mein ganzer Brief vor- kommen mag! Ich schäme mich, denn es ist gewiß der schlechteste, den ich in meinem Leben geschrieben habe, und daß der nun gerade in Ihre Hände gerathen muß!
Es wird Abend, und mein Trübsinn nimmt
ihren Stauden und Blumen, und pflegt jeder mit einer muͤtterlichen Sorgfalt; ich ſuche in- deß von einem Ende des Gartens zum andern, im Felde und im berachbarten Walde ein Et- was, das ich ſelbſt nicht kenne; ich ſtrebe Sie zu vergeſſen, und mich Ihrer recht lebhaft zu erinnern. — Neulich ſaͤeten wir alle Kreſſe, und recht zierlich die Nahmen unſrer ganzen Fami- lie; ich ſaͤete ein E, und gab vor, es ſey Ihr Bruder Eduard, Ihnen aber will ich geſtehn, daß es Emilie war, und ſehn Sie meine Freu- de: mein E ſteckte zuerſt ſeine kleinen gruͤnen Koͤpfchen aus der lockern Erde hervor, und ſah ſich nach mir um, und nun ſteht es in voller friſcher Gruͤne, ſchoͤn geſchlungen und ſanft; ich werde ſchon ſorgen, daß es nicht abgeſchnitten werde, ſondern mir einbilden, die kleinen Stau- den lernen Ihren Nahmen ſaͤuſeln, wenn ſie groͤßer werden. —
Wie kindiſch Ihnen mein ganzer Brief vor- kommen mag! Ich ſchaͤme mich, denn es iſt gewiß der ſchlechteſte, den ich in meinem Leben geſchrieben habe, und daß der nun gerade in Ihre Haͤnde gerathen muß!
Es wird Abend, und mein Truͤbſinn nimmt
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ihren Stauden und Blumen, und pflegt jeder
mit einer muͤtterlichen Sorgfalt; ich ſuche in-
deß von einem Ende des Gartens zum andern,
im Felde und im berachbarten Walde ein Et-
was, das ich ſelbſt nicht kenne; ich ſtrebe Sie
zu vergeſſen, und mich Ihrer recht lebhaft zu
erinnern. — Neulich ſaͤeten wir alle Kreſſe, und
recht zierlich die Nahmen unſrer ganzen Fami-
lie; ich ſaͤete ein E, und gab vor, es ſey Ihr
Bruder Eduard, Ihnen aber will ich geſtehn,
daß es Emilie war, und ſehn Sie meine Freu-
de: mein E ſteckte zuerſt ſeine kleinen gruͤnen
Koͤpfchen aus der lockern Erde hervor, und ſah
ſich nach mir um, und nun ſteht es in voller
friſcher Gruͤne, ſchoͤn geſchlungen und ſanft; ich
werde ſchon ſorgen, daß es nicht abgeſchnitten
werde, ſondern mir einbilden, die kleinen Stau-
den lernen Ihren Nahmen ſaͤuſeln, wenn ſie
groͤßer werden. —
Wie kindiſch Ihnen mein ganzer Brief vor-
kommen mag! Ich ſchaͤme mich, denn es iſt
gewiß der ſchlechteſte, den ich in meinem Leben
geſchrieben habe, und daß der nun gerade in
Ihre Haͤnde gerathen muß!
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/280>, abgerufen am 22.11.2024.
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