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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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nach allen Richtungen, und kommen aus allen
Richtungen, wie die Ameisen in den Stock
meines Kopfes zurück, und alle schleppen so
schwer und mühsam, ich denke wunder welche
neue Systeme und Erfindung, welche unendliche
Rechnungen und Auflösungen von algebraischen
Räthseln sie mit sich führen, die Entdeckung
vielleicht, die Meereslänge zu messen, oder den
Luftball zu dirigiren, -- und wenn ich sie nun
am Eingange mustere, so schleppt sich dieser
mit ihrem Bilde, dieser mit einer lahmen Son-
nette, jener mit einem künstlichen Seufzer, die-
ser mit einer Anekdote, die Sie irgend einmal
erzählt haben, -- ach, und können Sie mir et-
was schöners bringen? Ich lege alles auf den
Winter und die theure Zeit hin, und denke
mich in der Einsamkeit daran zu erquicken. Ach,
eine bittersüße Erquickung!

Ich möchte manchmal alle Leute, die das
Unglück und unsre verdammten Verhältnisse er-
funden haben, zum Henker wünschen! Müssen
wir denn in dieser öden lumpigen Welt noch so
thun, als wenn wir wunder wie viel gewonnen
hätten, wenn man uns die schwarzen Brand-
stellen zeigt, an denen vorher so herrliche Bäume

standen?

nach allen Richtungen, und kommen aus allen
Richtungen, wie die Ameiſen in den Stock
meines Kopfes zuruͤck, und alle ſchleppen ſo
ſchwer und muͤhſam, ich denke wunder welche
neue Syſteme und Erfindung, welche unendliche
Rechnungen und Aufloͤſungen von algebraiſchen
Raͤthſeln ſie mit ſich fuͤhren, die Entdeckung
vielleicht, die Meereslaͤnge zu meſſen, oder den
Luftball zu dirigiren, — und wenn ich ſie nun
am Eingange muſtere, ſo ſchleppt ſich dieſer
mit ihrem Bilde, dieſer mit einer lahmen Son-
nette, jener mit einem kuͤnſtlichen Seufzer, die-
ſer mit einer Anekdote, die Sie irgend einmal
erzaͤhlt haben, — ach, und koͤnnen Sie mir et-
was ſchoͤners bringen? Ich lege alles auf den
Winter und die theure Zeit hin, und denke
mich in der Einſamkeit daran zu erquicken. Ach,
eine bitterſuͤße Erquickung!

Ich moͤchte manchmal alle Leute, die das
Ungluͤck und unſre verdammten Verhaͤltniſſe er-
funden haben, zum Henker wuͤnſchen! Muͤſſen
wir denn in dieſer oͤden lumpigen Welt noch ſo
thun, als wenn wir wunder wie viel gewonnen
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ſtellen zeigt, an denen vorher ſo herrliche Baͤume

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[272/0278] nach allen Richtungen, und kommen aus allen Richtungen, wie die Ameiſen in den Stock meines Kopfes zuruͤck, und alle ſchleppen ſo ſchwer und muͤhſam, ich denke wunder welche neue Syſteme und Erfindung, welche unendliche Rechnungen und Aufloͤſungen von algebraiſchen Raͤthſeln ſie mit ſich fuͤhren, die Entdeckung vielleicht, die Meereslaͤnge zu meſſen, oder den Luftball zu dirigiren, — und wenn ich ſie nun am Eingange muſtere, ſo ſchleppt ſich dieſer mit ihrem Bilde, dieſer mit einer lahmen Son- nette, jener mit einem kuͤnſtlichen Seufzer, die- ſer mit einer Anekdote, die Sie irgend einmal erzaͤhlt haben, — ach, und koͤnnen Sie mir et- was ſchoͤners bringen? Ich lege alles auf den Winter und die theure Zeit hin, und denke mich in der Einſamkeit daran zu erquicken. Ach, eine bitterſuͤße Erquickung! Ich moͤchte manchmal alle Leute, die das Ungluͤck und unſre verdammten Verhaͤltniſſe er- funden haben, zum Henker wuͤnſchen! Muͤſſen wir denn in dieſer oͤden lumpigen Welt noch ſo thun, als wenn wir wunder wie viel gewonnen haͤtten, wenn man uns die ſchwarzen Brand- ſtellen zeigt, an denen vorher ſo herrliche Baͤume ſtanden?

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/278>, abgerufen am 22.05.2024.