über mich, und dies trübselige Gefühl verlohr sich auch sehr bald.
Was mich am meisten froh macht, ist, daß ich nun doch oft Gelegenheit habe, manchen Armen zu trösten, und auf Tage glücklich zu machen. -- Ach, wie viel hab' ich oft in Lon- don gelitten, wenn ich aus dem Fenster, aus dem warmen Zimmer das Elend der Menschen sah, und gern helfen wollte und nicht konnte. Ich verschenkte oft alles, was ich hatte, und schämte mich innerlich, wenn ich berechnete, wie viel mir mein unnützer Putz, Tapeten, Spitzen und dergleichen Kindereyen kosteten, die ich noch alle hätte entbehren können. Ich wein- te oft, wenn ich nichts mehr wegzugeben hatte, und gelobte kindisch, wie viel ich einst thun wollte, wenn ich einmal durch einen Zufall reicher würde. -- Jetzt sind mir die Gemählde des Jammers aus den Augen gerückt, und ich bilde mir ein, daß plötzlich alle getröstet sind, und im Ueberflusse leben, weil ich sie nicht mehr vor mir sehe. Hier hab' ich freyere Hand, weil ich mehr dazu anwenden darf, und weniger Ge- genstände meines Mitleids finde. Es ist das schönste Gefühl, einen Armen wieder auf einen
uͤber mich, und dies truͤbſelige Gefuͤhl verlohr ſich auch ſehr bald.
Was mich am meiſten froh macht, iſt, daß ich nun doch oft Gelegenheit habe, manchen Armen zu troͤſten, und auf Tage gluͤcklich zu machen. — Ach, wie viel hab’ ich oft in Lon- don gelitten, wenn ich aus dem Fenſter, aus dem warmen Zimmer das Elend der Menſchen ſah, und gern helfen wollte und nicht konnte. Ich verſchenkte oft alles, was ich hatte, und ſchaͤmte mich innerlich, wenn ich berechnete, wie viel mir mein unnuͤtzer Putz, Tapeten, Spitzen und dergleichen Kindereyen koſteten, die ich noch alle haͤtte entbehren koͤnnen. Ich wein- te oft, wenn ich nichts mehr wegzugeben hatte, und gelobte kindiſch, wie viel ich einſt thun wollte, wenn ich einmal durch einen Zufall reicher wuͤrde. — Jetzt ſind mir die Gemaͤhlde des Jammers aus den Augen geruͤckt, und ich bilde mir ein, daß ploͤtzlich alle getroͤſtet ſind, und im Ueberfluſſe leben, weil ich ſie nicht mehr vor mir ſehe. Hier hab’ ich freyere Hand, weil ich mehr dazu anwenden darf, und weniger Ge- genſtaͤnde meines Mitleids finde. Es iſt das ſchoͤnſte Gefuͤhl, einen Armen wieder auf einen
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uͤber mich, und dies truͤbſelige Gefuͤhl verlohr
ſich auch ſehr bald.
Was mich am meiſten froh macht, iſt, daß
ich nun doch oft Gelegenheit habe, manchen
Armen zu troͤſten, und auf Tage gluͤcklich zu
machen. — Ach, wie viel hab’ ich oft in Lon-
don gelitten, wenn ich aus dem Fenſter, aus
dem warmen Zimmer das Elend der Menſchen
ſah, und gern helfen wollte und nicht konnte.
Ich verſchenkte oft alles, was ich hatte, und
ſchaͤmte mich innerlich, wenn ich berechnete,
wie viel mir mein unnuͤtzer Putz, Tapeten,
Spitzen und dergleichen Kindereyen koſteten, die
ich noch alle haͤtte entbehren koͤnnen. Ich wein-
te oft, wenn ich nichts mehr wegzugeben hatte,
und gelobte kindiſch, wie viel ich einſt thun
wollte, wenn ich einmal durch einen Zufall
reicher wuͤrde. — Jetzt ſind mir die Gemaͤhlde
des Jammers aus den Augen geruͤckt, und ich
bilde mir ein, daß ploͤtzlich alle getroͤſtet ſind,
und im Ueberfluſſe leben, weil ich ſie nicht mehr
vor mir ſehe. Hier hab’ ich freyere Hand, weil
ich mehr dazu anwenden darf, und weniger Ge-
genſtaͤnde meines Mitleids finde. Es iſt das
ſchoͤnſte Gefuͤhl, einen Armen wieder auf einen
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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