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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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schen ist in ihm ausgelöscht? -- Oder findest du
auch in der Sinnlosigkeit seine Wollust?

Balder. Seine Vernunft! -- O William,
was nennen wir Vernunft? -- Schon viele
wurden wahnsinnig, weil sie ihre Vernunft an-
beteten und sich unermüdet ihren Forschungen
überließen. Unsre Vernunft, die vom Himmel
stammt, darf nur auf der Erde wandeln, noch
keinem ist es gelungen über Ewigkeit, Gott und
Bestimmung der Welt eine feste Wahrheit auf-
zufinden, wir irren in einem großen Gefängnisse
umher, wir winseln nach Freiheit und schreien
nach Tageslicht, unsre Hand klopft an hundert
eherne Thore, aber alle sind verschlossen und
ein holer Wiederhall antwortet uns. -- Wie
wenn nun der, den wir wahnsinnig nennen --

Ich verstehe dich, Balder: weil unsre Ver-
nunft nicht jene entfernte Gränze erreichen kann,
so sollen wir sie darum ganz ungebraucht und
in dumpfer Trägheit verwesen lassen.

Balder. Nein, William, du verstehst mich
nicht. -- Statt einer weitläuftigen Auseinan-
dersetzung meiner Meinung will ich dir eine
kurze Geschichte erzählen. -- Ich hatte einen
Freund in Deutschland, einen Offizier, einen

ſchen iſt in ihm ausgeloͤſcht? — Oder findeſt du
auch in der Sinnloſigkeit ſeine Wolluſt?

Balder. Seine Vernunft! — O William,
was nennen wir Vernunft? — Schon viele
wurden wahnſinnig, weil ſie ihre Vernunft an-
beteten und ſich unermuͤdet ihren Forſchungen
uͤberließen. Unſre Vernunft, die vom Himmel
ſtammt, darf nur auf der Erde wandeln, noch
keinem iſt es gelungen uͤber Ewigkeit, Gott und
Beſtimmung der Welt eine feſte Wahrheit auf-
zufinden, wir irren in einem großen Gefaͤngniſſe
umher, wir winſeln nach Freiheit und ſchreien
nach Tageslicht, unſre Hand klopft an hundert
eherne Thore, aber alle ſind verſchloſſen und
ein holer Wiederhall antwortet uns. — Wie
wenn nun der, den wir wahnſinnig nennen —

Ich verſtehe dich, Balder: weil unſre Ver-
nunft nicht jene entfernte Graͤnze erreichen kann,
ſo ſollen wir ſie darum ganz ungebraucht und
in dumpfer Traͤgheit verweſen laſſen.

Balder. Nein, William, du verſtehſt mich
nicht. — Statt einer weitlaͤuftigen Auseinan-
derſetzung meiner Meinung will ich dir eine
kurze Geſchichte erzaͤhlen. — Ich hatte einen
Freund in Deutſchland, einen Offizier, einen

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[268[266]/0276] ſchen iſt in ihm ausgeloͤſcht? — Oder findeſt du auch in der Sinnloſigkeit ſeine Wolluſt? Balder. Seine Vernunft! — O William, was nennen wir Vernunft? — Schon viele wurden wahnſinnig, weil ſie ihre Vernunft an- beteten und ſich unermuͤdet ihren Forſchungen uͤberließen. Unſre Vernunft, die vom Himmel ſtammt, darf nur auf der Erde wandeln, noch keinem iſt es gelungen uͤber Ewigkeit, Gott und Beſtimmung der Welt eine feſte Wahrheit auf- zufinden, wir irren in einem großen Gefaͤngniſſe umher, wir winſeln nach Freiheit und ſchreien nach Tageslicht, unſre Hand klopft an hundert eherne Thore, aber alle ſind verſchloſſen und ein holer Wiederhall antwortet uns. — Wie wenn nun der, den wir wahnſinnig nennen — Ich verſtehe dich, Balder: weil unſre Ver- nunft nicht jene entfernte Graͤnze erreichen kann, ſo ſollen wir ſie darum ganz ungebraucht und in dumpfer Traͤgheit verweſen laſſen. Balder. Nein, William, du verſtehſt mich nicht. — Statt einer weitlaͤuftigen Auseinan- derſetzung meiner Meinung will ich dir eine kurze Geſchichte erzaͤhlen. — Ich hatte einen Freund in Deutſchland, einen Offizier, einen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 268[266]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/276>, abgerufen am 22.11.2024.