sichten eben so sehr als mir gefielen. Wir verließen an einem trüben neblichten Morgen ein Dorf, das tief im Grunde lag, Rosa und Balder fuhren langsam die Anhöhe hinauf, und ich und Ferdinand folgten zu Pferde. Oben auf dem Berge gab uns die Natur einen wun- derbaren Anblick. Wie ein Chaos lag die Ge- gend, so weit wir sie erkennen konnten, vor uns, ein dichter Nebel hatte sich um die Ber- ge gewickelt, und durch die Thäler schlich ein finstrer Dampf; Wolken und Felsen, die das Auge nicht von einander unterscheiden konnte, standen in verworrenen Haufen durcheinander; ein finstrer Himmel brütete über den grauen, ineinanderfließenden Gestalten. Itzt brach vom Morgen her durch die dämmernde Verwirrung ein schräger, rother Strahl, hundertfarbige Scheine zuckten durch die Nebel und flimmerten in mannigfaltigen Regenbogen, die Berge er- hielten Umrisse und wie Feuerkugeln standen ihre Gipfel über dem sinkenden Nebel. -- Ich hielt und betrachtete lange die wunderbaren Veränderungen der Natur, die hier schnell auf einander folgten; ich hatte es nicht bemerkt, daß der Wagen indeß vorangefahren war: als
ſichten eben ſo ſehr als mir gefielen. Wir verließen an einem truͤben neblichten Morgen ein Dorf, das tief im Grunde lag, Roſa und Balder fuhren langſam die Anhoͤhe hinauf, und ich und Ferdinand folgten zu Pferde. Oben auf dem Berge gab uns die Natur einen wun- derbaren Anblick. Wie ein Chaos lag die Ge- gend, ſo weit wir ſie erkennen konnten, vor uns, ein dichter Nebel hatte ſich um die Ber- ge gewickelt, und durch die Thaͤler ſchlich ein finſtrer Dampf; Wolken und Felſen, die das Auge nicht von einander unterſcheiden konnte, ſtanden in verworrenen Haufen durcheinander; ein finſtrer Himmel bruͤtete uͤber den grauen, ineinanderfließenden Geſtalten. Itzt brach vom Morgen her durch die daͤmmernde Verwirrung ein ſchraͤger, rother Strahl, hundertfarbige Scheine zuckten durch die Nebel und flimmerten in mannigfaltigen Regenbogen, die Berge er- hielten Umriſſe und wie Feuerkugeln ſtanden ihre Gipfel uͤber dem ſinkenden Nebel. — Ich hielt und betrachtete lange die wunderbaren Veraͤnderungen der Natur, die hier ſchnell auf einander folgten; ich hatte es nicht bemerkt, daß der Wagen indeß vorangefahren war: als
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0240"n="232[230]"/>ſichten eben ſo ſehr als mir gefielen. Wir<lb/>
verließen an einem truͤben neblichten Morgen<lb/>
ein Dorf, das tief im Grunde lag, Roſa und<lb/>
Balder fuhren langſam die Anhoͤhe hinauf, und<lb/>
ich und Ferdinand folgten zu Pferde. Oben<lb/>
auf dem Berge gab uns die Natur einen wun-<lb/>
derbaren Anblick. Wie ein Chaos lag die Ge-<lb/>
gend, ſo weit wir ſie erkennen konnten, vor<lb/>
uns, ein dichter Nebel hatte ſich um die Ber-<lb/>
ge gewickelt, und durch die Thaͤler ſchlich ein<lb/>
finſtrer Dampf; Wolken und Felſen, die das<lb/>
Auge nicht von einander unterſcheiden konnte,<lb/>ſtanden in verworrenen Haufen durcheinander;<lb/>
ein finſtrer Himmel bruͤtete uͤber den grauen,<lb/>
ineinanderfließenden Geſtalten. Itzt brach vom<lb/>
Morgen her durch die daͤmmernde Verwirrung<lb/>
ein ſchraͤger, rother Strahl, hundertfarbige<lb/>
Scheine zuckten durch die Nebel und flimmerten<lb/>
in mannigfaltigen Regenbogen, die Berge er-<lb/>
hielten Umriſſe und wie Feuerkugeln ſtanden<lb/>
ihre Gipfel uͤber dem ſinkenden Nebel. — Ich<lb/>
hielt und betrachtete lange die wunderbaren<lb/>
Veraͤnderungen der Natur, die hier ſchnell auf<lb/>
einander folgten; ich hatte es nicht bemerkt,<lb/>
daß der Wagen indeß vorangefahren war: als<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[232[230]/0240]
ſichten eben ſo ſehr als mir gefielen. Wir
verließen an einem truͤben neblichten Morgen
ein Dorf, das tief im Grunde lag, Roſa und
Balder fuhren langſam die Anhoͤhe hinauf, und
ich und Ferdinand folgten zu Pferde. Oben
auf dem Berge gab uns die Natur einen wun-
derbaren Anblick. Wie ein Chaos lag die Ge-
gend, ſo weit wir ſie erkennen konnten, vor
uns, ein dichter Nebel hatte ſich um die Ber-
ge gewickelt, und durch die Thaͤler ſchlich ein
finſtrer Dampf; Wolken und Felſen, die das
Auge nicht von einander unterſcheiden konnte,
ſtanden in verworrenen Haufen durcheinander;
ein finſtrer Himmel bruͤtete uͤber den grauen,
ineinanderfließenden Geſtalten. Itzt brach vom
Morgen her durch die daͤmmernde Verwirrung
ein ſchraͤger, rother Strahl, hundertfarbige
Scheine zuckten durch die Nebel und flimmerten
in mannigfaltigen Regenbogen, die Berge er-
hielten Umriſſe und wie Feuerkugeln ſtanden
ihre Gipfel uͤber dem ſinkenden Nebel. — Ich
hielt und betrachtete lange die wunderbaren
Veraͤnderungen der Natur, die hier ſchnell auf
einander folgten; ich hatte es nicht bemerkt,
daß der Wagen indeß vorangefahren war: als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 232[230]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/240>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.