Gott weiß, wie ungern ich Sie verlassen habe, um London wiederzusehn; zwar hab' ich hier meine Eltern, meine Schwester und meinen Freund Mortimer gefunden, aber Ihre Gesell- schaft und die schöne Gegend bei Bonstreet fehlt mir doch in jeder Stunde. Aber wie we- nig Augenblicke giebt es auch im Leben, wo man nicht irgend etwas zu entbehren glaubt? ich will mich also trösten, so gut ich kann.
In London steht alles noch ziemlich so, wie ich es verließ, ob ich gleich nach meiner ziem- lich langen Abwesenheit tausend Dinge anders zu finden glaubte. Aber man beklatscht noch die elenden Stücke und schläft bei den guten ein, man glaubt noch eben so gern jede erdichtete Neuigkeit, man leidet noch eben so viel von der Langenweile, als ehedem.
Ich habe große Lust eine Reise nach Schott- land zu machen; man hat mich sehr freundschaft- lich dorthin eingeladen, und in London wird mir
3. Karl Wilmont an Eduard Burton.
London.
Gott weiß, wie ungern ich Sie verlaſſen habe, um London wiederzuſehn; zwar hab’ ich hier meine Eltern, meine Schweſter und meinen Freund Mortimer gefunden, aber Ihre Geſell- ſchaft und die ſchoͤne Gegend bei Bonſtreet fehlt mir doch in jeder Stunde. Aber wie we- nig Augenblicke giebt es auch im Leben, wo man nicht irgend etwas zu entbehren glaubt? ich will mich alſo troͤſten, ſo gut ich kann.
In London ſteht alles noch ziemlich ſo, wie ich es verließ, ob ich gleich nach meiner ziem- lich langen Abweſenheit tauſend Dinge anders zu finden glaubte. Aber man beklatſcht noch die elenden Stuͤcke und ſchlaͤft bei den guten ein, man glaubt noch eben ſo gern jede erdichtete Neuigkeit, man leidet noch eben ſo viel von der Langenweile, als ehedem.
Ich habe große Luſt eine Reiſe nach Schott- land zu machen; man hat mich ſehr freundſchaft- lich dorthin eingeladen, und in London wird mir
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[210[208]/0218]
3.
Karl Wilmont an Eduard Burton.
London.
Gott weiß, wie ungern ich Sie verlaſſen habe,
um London wiederzuſehn; zwar hab’ ich hier
meine Eltern, meine Schweſter und meinen
Freund Mortimer gefunden, aber Ihre Geſell-
ſchaft und die ſchoͤne Gegend bei Bonſtreet
fehlt mir doch in jeder Stunde. Aber wie we-
nig Augenblicke giebt es auch im Leben, wo
man nicht irgend etwas zu entbehren glaubt?
ich will mich alſo troͤſten, ſo gut ich kann.
In London ſteht alles noch ziemlich ſo, wie
ich es verließ, ob ich gleich nach meiner ziem-
lich langen Abweſenheit tauſend Dinge anders
zu finden glaubte. Aber man beklatſcht noch
die elenden Stuͤcke und ſchlaͤft bei den guten ein,
man glaubt noch eben ſo gern jede erdichtete
Neuigkeit, man leidet noch eben ſo viel von
der Langenweile, als ehedem.
Ich habe große Luſt eine Reiſe nach Schott-
land zu machen; man hat mich ſehr freundſchaft-
lich dorthin eingeladen, und in London wird mir
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 210[208]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/218>, abgerufen am 23.11.2024.
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