die Zeit etwas lang, ich weiß selbst nicht, wor- an es liegt, aber jeder Tag gähnt mich hier an, ich wünsche Veränderung, neue Gegenstände, -- Mortimer ist zwar mit diesem Vorsatze sehr un- zufrieden, allein er wird sich doch am Ende darinn finden müssen. -- Wie leben Sie itzt und Ihre liebenswürdige Schwester in Bon- street? -- Aber warum frag' ich denn? Noth- wendig angenehm, da es vielleicht nur wenig Menschen so wie Sie verstehn, allenthalben Ge- nuß und Freude um sich anzupflanzen, Sie kön- nen auf keine öde Stelle in Ihrem Lebenslaufe treffen, ohne sie urbar zu machen. Glücklich, wer so wenig von den Dingen außer sich abzu- hängen braucht!
Mortimer fängt an, sich für meine Schwe- ster sehr zu interessiren, und mir selber kömmt sie klüger vor, als jemahls; aber mich wundert es dennoch, wie sie der verständige Mortimer so überaus liebenswürdig finden kann; vielleicht rührt mein Erstaunen aber auch nur daher, daß ich indeß eine Emilie näher habe kennen lernen.
Glauben Sie um alles in der Welt nicht, daß ich die Absicht habe, zu schmeicheln, ich
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die Zeit etwas lang, ich weiß ſelbſt nicht, wor- an es liegt, aber jeder Tag gaͤhnt mich hier an, ich wuͤnſche Veraͤnderung, neue Gegenſtaͤnde, — Mortimer iſt zwar mit dieſem Vorſatze ſehr un- zufrieden, allein er wird ſich doch am Ende darinn finden muͤſſen. — Wie leben Sie itzt und Ihre liebenswuͤrdige Schweſter in Bon- ſtreet? — Aber warum frag’ ich denn? Noth- wendig angenehm, da es vielleicht nur wenig Menſchen ſo wie Sie verſtehn, allenthalben Ge- nuß und Freude um ſich anzupflanzen, Sie koͤn- nen auf keine oͤde Stelle in Ihrem Lebenslaufe treffen, ohne ſie urbar zu machen. Gluͤcklich, wer ſo wenig von den Dingen außer ſich abzu- haͤngen braucht!
Mortimer faͤngt an, ſich fuͤr meine Schwe- ſter ſehr zu intereſſiren, und mir ſelber koͤmmt ſie kluͤger vor, als jemahls; aber mich wundert es dennoch, wie ſie der verſtaͤndige Mortimer ſo uͤberaus liebenswuͤrdig finden kann; vielleicht ruͤhrt mein Erſtaunen aber auch nur daher, daß ich indeß eine Emilie naͤher habe kennen lernen.
Glauben Sie um alles in der Welt nicht, daß ich die Abſicht habe, zu ſchmeicheln, ich
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[211[209]/0219]
die Zeit etwas lang, ich weiß ſelbſt nicht, wor-
an es liegt, aber jeder Tag gaͤhnt mich hier an,
ich wuͤnſche Veraͤnderung, neue Gegenſtaͤnde, —
Mortimer iſt zwar mit dieſem Vorſatze ſehr un-
zufrieden, allein er wird ſich doch am Ende
darinn finden muͤſſen. — Wie leben Sie itzt
und Ihre liebenswuͤrdige Schweſter in Bon-
ſtreet? — Aber warum frag’ ich denn? Noth-
wendig angenehm, da es vielleicht nur wenig
Menſchen ſo wie Sie verſtehn, allenthalben Ge-
nuß und Freude um ſich anzupflanzen, Sie koͤn-
nen auf keine oͤde Stelle in Ihrem Lebenslaufe
treffen, ohne ſie urbar zu machen. Gluͤcklich,
wer ſo wenig von den Dingen außer ſich abzu-
haͤngen braucht!
Mortimer faͤngt an, ſich fuͤr meine Schwe-
ſter ſehr zu intereſſiren, und mir ſelber koͤmmt
ſie kluͤger vor, als jemahls; aber mich wundert
es dennoch, wie ſie der verſtaͤndige Mortimer
ſo uͤberaus liebenswuͤrdig finden kann; vielleicht
ruͤhrt mein Erſtaunen aber auch nur daher, daß
ich indeß eine Emilie naͤher habe kennen
lernen.
Glauben Sie um alles in der Welt nicht,
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 211[209]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/219>, abgerufen am 25.11.2024.
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