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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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arme, die von allen Theilen am Meisten sich hervorarbeitet, uns Unglückliche von allen Thieren unterscheidet, bei denen Maul und Schnauze so freundlich eins werden, und die beim Menschen als Höcker und Blocksberg der Tummelplatz aller Hexen und bösen Geister wird: wird sie nicht schon der kalten Luft und des Schnupfens wegen bei den meisten Menschen zum Sausewind und zur klingenden Trompete und Schlachtposaune ausgereckt, gezogen, gedehnt und gehudelt? Wird ihre Nachgiebigkeit, ihre Entwicklungsfähigkeit nicht gemißbraucht, um fast Elephantenrüssel und Truthahnsschnäbel heraus zu arbeiten? Frommere Seelen drücken sie wieder nieder und plätschen den Hochmuth in jammervolle Unformen zusammen. Alles dieses sah ich früh, schonte meine Nase, und konnte meinem Schicksal doch nicht entgehn. Ich bin mit meinem Barbier, einem meiner innigsten Freunde, aufgewachsen und alt geworden. Dieser Künstler, indem er sich von einer Seite meines Antlitzes zur andern wandte, Pflegte bei diesem Wechsel, um einen Stützpunkt zu haben, mir die Schneide des Messers unten an die Kehle zu setzen und darauf drückend und sich lehnend schnell die andre Seite zu gewinnen. Dies schien mir bedenklich. Er durfte ausgleiten, sich stoßen, so schnitt er höchst wahrscheinlich mit dem Gestützten in das Stützende, und mein Angesicht lag unrasirt zu seinen Füßen. Dem mußte abgeholfen werden. Er dachte nach, und als wahres Genie war es ihm nicht so gar schwer, sein System und seine Manier zu ändern. Er packte

arme, die von allen Theilen am Meisten sich hervorarbeitet, uns Unglückliche von allen Thieren unterscheidet, bei denen Maul und Schnauze so freundlich eins werden, und die beim Menschen als Höcker und Blocksberg der Tummelplatz aller Hexen und bösen Geister wird: wird sie nicht schon der kalten Luft und des Schnupfens wegen bei den meisten Menschen zum Sausewind und zur klingenden Trompete und Schlachtposaune ausgereckt, gezogen, gedehnt und gehudelt? Wird ihre Nachgiebigkeit, ihre Entwicklungsfähigkeit nicht gemißbraucht, um fast Elephantenrüssel und Truthahnsschnäbel heraus zu arbeiten? Frommere Seelen drücken sie wieder nieder und plätschen den Hochmuth in jammervolle Unformen zusammen. Alles dieses sah ich früh, schonte meine Nase, und konnte meinem Schicksal doch nicht entgehn. Ich bin mit meinem Barbier, einem meiner innigsten Freunde, aufgewachsen und alt geworden. Dieser Künstler, indem er sich von einer Seite meines Antlitzes zur andern wandte, Pflegte bei diesem Wechsel, um einen Stützpunkt zu haben, mir die Schneide des Messers unten an die Kehle zu setzen und darauf drückend und sich lehnend schnell die andre Seite zu gewinnen. Dies schien mir bedenklich. Er durfte ausgleiten, sich stoßen, so schnitt er höchst wahrscheinlich mit dem Gestützten in das Stützende, und mein Angesicht lag unrasirt zu seinen Füßen. Dem mußte abgeholfen werden. Er dachte nach, und als wahres Genie war es ihm nicht so gar schwer, sein System und seine Manier zu ändern. Er packte

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[0116] arme, die von allen Theilen am Meisten sich hervorarbeitet, uns Unglückliche von allen Thieren unterscheidet, bei denen Maul und Schnauze so freundlich eins werden, und die beim Menschen als Höcker und Blocksberg der Tummelplatz aller Hexen und bösen Geister wird: wird sie nicht schon der kalten Luft und des Schnupfens wegen bei den meisten Menschen zum Sausewind und zur klingenden Trompete und Schlachtposaune ausgereckt, gezogen, gedehnt und gehudelt? Wird ihre Nachgiebigkeit, ihre Entwicklungsfähigkeit nicht gemißbraucht, um fast Elephantenrüssel und Truthahnsschnäbel heraus zu arbeiten? Frommere Seelen drücken sie wieder nieder und plätschen den Hochmuth in jammervolle Unformen zusammen. Alles dieses sah ich früh, schonte meine Nase, und konnte meinem Schicksal doch nicht entgehn. Ich bin mit meinem Barbier, einem meiner innigsten Freunde, aufgewachsen und alt geworden. Dieser Künstler, indem er sich von einer Seite meines Antlitzes zur andern wandte, Pflegte bei diesem Wechsel, um einen Stützpunkt zu haben, mir die Schneide des Messers unten an die Kehle zu setzen und darauf drückend und sich lehnend schnell die andre Seite zu gewinnen. Dies schien mir bedenklich. Er durfte ausgleiten, sich stoßen, so schnitt er höchst wahrscheinlich mit dem Gestützten in das Stützende, und mein Angesicht lag unrasirt zu seinen Füßen. Dem mußte abgeholfen werden. Er dachte nach, und als wahres Genie war es ihm nicht so gar schwer, sein System und seine Manier zu ändern. Er packte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/116>, abgerufen am 05.12.2024.