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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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So hatte meine Ahnung ja doch recht, rief Dietrich begeistert aus: dieser ist denn im Weinreich, was der alte Eyck oder Hemling, vielleicht auch der Bruder Johann von Fiesole unter den Malern sind. So schmeckt ja auch diese lieblich rührende und tiefe Farbe, die ohne Schatten doch so wahr, ohne Weiße so blendend und überzeugend ist. So sättigt und berauscht der Purpur des Gewandes, und so mildert und sänftigt das Feuer das milde Blau, das schwärmende Violett. Alles ist Eins, und klingt in unserm Geist zusammen!

Ausgenommen Eulenböck's Nase, rief der ganz trunkene Bibliothekar aus: die hat keinen Scharlach mehr, keine Uebergänge in den Tönen, um sie mit dem Gesicht in Verbindung zu setzen, sondern jenes violette Dunkelroth bratet in ihrer Zauberküche, wie unterirdisch in den Reichen der feuchten Nacht die rothe Rübe gerinnt, aller Sonne abgewandt. Soll dies Gewächs wohl dem Leben angehören? Soll der Weingott es so aufgefüttert haben? Nimmermehr! Es ist ein ungeschlachtes Gehäuse, ein widerwärtiges Etui für Bosheit und Lüge.

Leerer Schwulst, rief der Buchhalter, morscher Glanz, hinfällige Sterblichkeit! Und krumm, baufällig steht sie auch noch in dem unterminirten Gesicht, so daß sie mit ihrer Wucht bald den ganzen Mann in Trümmer drücken kann. Kerl! wo hast du die unverschämt schiefe Nase her?

Ruhig, Krokodill! schrie Eulenböck, indem er heftig auf den Tisch schlug: will das Geziefer die Welt reformiren? Jede Nase hat ihre Geschichte, ihr Naseweise.

So hatte meine Ahnung ja doch recht, rief Dietrich begeistert aus: dieser ist denn im Weinreich, was der alte Eyck oder Hemling, vielleicht auch der Bruder Johann von Fiesole unter den Malern sind. So schmeckt ja auch diese lieblich rührende und tiefe Farbe, die ohne Schatten doch so wahr, ohne Weiße so blendend und überzeugend ist. So sättigt und berauscht der Purpur des Gewandes, und so mildert und sänftigt das Feuer das milde Blau, das schwärmende Violett. Alles ist Eins, und klingt in unserm Geist zusammen!

Ausgenommen Eulenböck's Nase, rief der ganz trunkene Bibliothekar aus: die hat keinen Scharlach mehr, keine Uebergänge in den Tönen, um sie mit dem Gesicht in Verbindung zu setzen, sondern jenes violette Dunkelroth bratet in ihrer Zauberküche, wie unterirdisch in den Reichen der feuchten Nacht die rothe Rübe gerinnt, aller Sonne abgewandt. Soll dies Gewächs wohl dem Leben angehören? Soll der Weingott es so aufgefüttert haben? Nimmermehr! Es ist ein ungeschlachtes Gehäuse, ein widerwärtiges Etui für Bosheit und Lüge.

Leerer Schwulst, rief der Buchhalter, morscher Glanz, hinfällige Sterblichkeit! Und krumm, baufällig steht sie auch noch in dem unterminirten Gesicht, so daß sie mit ihrer Wucht bald den ganzen Mann in Trümmer drücken kann. Kerl! wo hast du die unverschämt schiefe Nase her?

Ruhig, Krokodill! schrie Eulenböck, indem er heftig auf den Tisch schlug: will das Geziefer die Welt reformiren? Jede Nase hat ihre Geschichte, ihr Naseweise.

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[0114] So hatte meine Ahnung ja doch recht, rief Dietrich begeistert aus: dieser ist denn im Weinreich, was der alte Eyck oder Hemling, vielleicht auch der Bruder Johann von Fiesole unter den Malern sind. So schmeckt ja auch diese lieblich rührende und tiefe Farbe, die ohne Schatten doch so wahr, ohne Weiße so blendend und überzeugend ist. So sättigt und berauscht der Purpur des Gewandes, und so mildert und sänftigt das Feuer das milde Blau, das schwärmende Violett. Alles ist Eins, und klingt in unserm Geist zusammen! Ausgenommen Eulenböck's Nase, rief der ganz trunkene Bibliothekar aus: die hat keinen Scharlach mehr, keine Uebergänge in den Tönen, um sie mit dem Gesicht in Verbindung zu setzen, sondern jenes violette Dunkelroth bratet in ihrer Zauberküche, wie unterirdisch in den Reichen der feuchten Nacht die rothe Rübe gerinnt, aller Sonne abgewandt. Soll dies Gewächs wohl dem Leben angehören? Soll der Weingott es so aufgefüttert haben? Nimmermehr! Es ist ein ungeschlachtes Gehäuse, ein widerwärtiges Etui für Bosheit und Lüge. Leerer Schwulst, rief der Buchhalter, morscher Glanz, hinfällige Sterblichkeit! Und krumm, baufällig steht sie auch noch in dem unterminirten Gesicht, so daß sie mit ihrer Wucht bald den ganzen Mann in Trümmer drücken kann. Kerl! wo hast du die unverschämt schiefe Nase her? Ruhig, Krokodill! schrie Eulenböck, indem er heftig auf den Tisch schlug: will das Geziefer die Welt reformiren? Jede Nase hat ihre Geschichte, ihr Naseweise.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/114>, abgerufen am 05.12.2024.