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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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heißere Burgunder demjenigen, der ihn vertragen kann! Wie die unmittelbare Begeisterung fällt er in uns hinab, schwer, blutig, heftig erweckt er unsre Geister. Die Rebe von Bordeaux dagegen ist heiter, geschwätzig, ermuntert, aber begeistert nicht. Doch schon voller und wunderlicher dichtet die Provence und das poetische Languedoc. Dann das heiße Spanien im Xerez und ächten Malaga und den glühenden Weinen von Valencia. Hier verwandelt sich der Weinstrom, indem wir ihn genießen, schon an unserm Gaumen in Kugelgestalt, die sich weit und weiter ausbreitet und uns im Tokayer und St. Georgen-Ausbruch noch weit inniger und sinniger so erscheint. Wie erfüllt Mund und Gaumen und den ganzen Sinn des Gefälls nur ein Tropfen des edelsten Cap-Weins. Diese Weine muß der Kenner nippen und züngeln und nicht mehr trinken, wie unsern braven Rhein. Was sag' ich von euch, ihr lieblichsten Gewächse Italiens und namentlich Toscana's, du geistreichster Monte Fiascone, du wahrhaft rührender Monte Pulciano? Nun so kostet denn, Freunde, und versteht mich! Aber nicht konnt' ich dich aufsetzen, dich König aller Weine, dich rosenröthlicher Aleatico, Blume und Ausbund alles Weingeistes, Milch und Wein, Blume und Süße, Feuer und Milde zugleich! Diesen Wundergesellen trinkt, kostet, nippt und züngelt man nicht; sondern dem Beseligten erschließt sich ein neues Organ, das sich dem Unkundigen und Nüchternen nicht beschreiben läßt. -- Hier brach er gerührt ab und trocknete die Augen.

heißere Burgunder demjenigen, der ihn vertragen kann! Wie die unmittelbare Begeisterung fällt er in uns hinab, schwer, blutig, heftig erweckt er unsre Geister. Die Rebe von Bordeaux dagegen ist heiter, geschwätzig, ermuntert, aber begeistert nicht. Doch schon voller und wunderlicher dichtet die Provence und das poetische Languedoc. Dann das heiße Spanien im Xerez und ächten Malaga und den glühenden Weinen von Valencia. Hier verwandelt sich der Weinstrom, indem wir ihn genießen, schon an unserm Gaumen in Kugelgestalt, die sich weit und weiter ausbreitet und uns im Tokayer und St. Georgen-Ausbruch noch weit inniger und sinniger so erscheint. Wie erfüllt Mund und Gaumen und den ganzen Sinn des Gefälls nur ein Tropfen des edelsten Cap-Weins. Diese Weine muß der Kenner nippen und züngeln und nicht mehr trinken, wie unsern braven Rhein. Was sag' ich von euch, ihr lieblichsten Gewächse Italiens und namentlich Toscana's, du geistreichster Monte Fiascone, du wahrhaft rührender Monte Pulciano? Nun so kostet denn, Freunde, und versteht mich! Aber nicht konnt' ich dich aufsetzen, dich König aller Weine, dich rosenröthlicher Aleatico, Blume und Ausbund alles Weingeistes, Milch und Wein, Blume und Süße, Feuer und Milde zugleich! Diesen Wundergesellen trinkt, kostet, nippt und züngelt man nicht; sondern dem Beseligten erschließt sich ein neues Organ, das sich dem Unkundigen und Nüchternen nicht beschreiben läßt. — Hier brach er gerührt ab und trocknete die Augen.

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[0113] heißere Burgunder demjenigen, der ihn vertragen kann! Wie die unmittelbare Begeisterung fällt er in uns hinab, schwer, blutig, heftig erweckt er unsre Geister. Die Rebe von Bordeaux dagegen ist heiter, geschwätzig, ermuntert, aber begeistert nicht. Doch schon voller und wunderlicher dichtet die Provence und das poetische Languedoc. Dann das heiße Spanien im Xerez und ächten Malaga und den glühenden Weinen von Valencia. Hier verwandelt sich der Weinstrom, indem wir ihn genießen, schon an unserm Gaumen in Kugelgestalt, die sich weit und weiter ausbreitet und uns im Tokayer und St. Georgen-Ausbruch noch weit inniger und sinniger so erscheint. Wie erfüllt Mund und Gaumen und den ganzen Sinn des Gefälls nur ein Tropfen des edelsten Cap-Weins. Diese Weine muß der Kenner nippen und züngeln und nicht mehr trinken, wie unsern braven Rhein. Was sag' ich von euch, ihr lieblichsten Gewächse Italiens und namentlich Toscana's, du geistreichster Monte Fiascone, du wahrhaft rührender Monte Pulciano? Nun so kostet denn, Freunde, und versteht mich! Aber nicht konnt' ich dich aufsetzen, dich König aller Weine, dich rosenröthlicher Aleatico, Blume und Ausbund alles Weingeistes, Milch und Wein, Blume und Süße, Feuer und Milde zugleich! Diesen Wundergesellen trinkt, kostet, nippt und züngelt man nicht; sondern dem Beseligten erschließt sich ein neues Organ, das sich dem Unkundigen und Nüchternen nicht beschreiben läßt. — Hier brach er gerührt ab und trocknete die Augen.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/113>, abgerufen am 05.12.2024.