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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sinn Aufwand machte, ohne Sinn reisete, spielte und Wein trank und weder mir noch Andern eine gute Stunde zuzubereiten verstand.

Das ist freilich schlimm, sagte der Alte, und was den lieblichen Wein betrifft, eine Sünde. Aber seid munter und trinkt, ihr wackern Gehülfen, damit auch der Wirth in die Stimmung komme, die ihm geziemt.

Es bedurfte aber dieser Aufmunterung nicht, denn die Tischgesellschaft war unermüdet. Selbst der junge Dietrich trank fleißig, und Eulenböck ordnete an, wie die Weine auf einander folgen sollten. Heute gilt es, rief er aus, die Schlacht muß gewonnen werden und der Sieger erzeigt dem Besiegten keine Gnade. Seht in mein kriegerisches Antlitz, ihr jüngern Helden, hier hab' ich die rothe Blutfahne dräuend ausgehängt, zum Zeichen, daß kein Erbarmen stattfinden soll! Nichts in der Welt wird so mißverstanden, Freunde, als der scheinbar einfache Actus, den die Menschen so obenhin trinken nennen, und seine Gabe wird so verkannt, so wenig gewürdiget, als der Wein. Könnt' ich wünschen, der Welt einmal nützlich zu werden, so möcht' ich eine aufgeklärte Regierung dahin bewegen, einen eignen Lehrstuhl zu errichten, von wo herab ich die unwissende Menschheit über die trefflichen Eigenschaften des Weines unterrichtete. Wer trinkt nicht gern? Es gibt nur wenige Unglückselige, die das mit Wahrheit von sich versichern können. Aber es ist ein Erbarmen, anzusehn, wie sie trinken, ohne alle Application, ohne Stil, Schatten und Licht,

Sinn Aufwand machte, ohne Sinn reisete, spielte und Wein trank und weder mir noch Andern eine gute Stunde zuzubereiten verstand.

Das ist freilich schlimm, sagte der Alte, und was den lieblichen Wein betrifft, eine Sünde. Aber seid munter und trinkt, ihr wackern Gehülfen, damit auch der Wirth in die Stimmung komme, die ihm geziemt.

Es bedurfte aber dieser Aufmunterung nicht, denn die Tischgesellschaft war unermüdet. Selbst der junge Dietrich trank fleißig, und Eulenböck ordnete an, wie die Weine auf einander folgen sollten. Heute gilt es, rief er aus, die Schlacht muß gewonnen werden und der Sieger erzeigt dem Besiegten keine Gnade. Seht in mein kriegerisches Antlitz, ihr jüngern Helden, hier hab' ich die rothe Blutfahne dräuend ausgehängt, zum Zeichen, daß kein Erbarmen stattfinden soll! Nichts in der Welt wird so mißverstanden, Freunde, als der scheinbar einfache Actus, den die Menschen so obenhin trinken nennen, und seine Gabe wird so verkannt, so wenig gewürdiget, als der Wein. Könnt' ich wünschen, der Welt einmal nützlich zu werden, so möcht' ich eine aufgeklärte Regierung dahin bewegen, einen eignen Lehrstuhl zu errichten, von wo herab ich die unwissende Menschheit über die trefflichen Eigenschaften des Weines unterrichtete. Wer trinkt nicht gern? Es gibt nur wenige Unglückselige, die das mit Wahrheit von sich versichern können. Aber es ist ein Erbarmen, anzusehn, wie sie trinken, ohne alle Application, ohne Stil, Schatten und Licht,

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[0106] Sinn Aufwand machte, ohne Sinn reisete, spielte und Wein trank und weder mir noch Andern eine gute Stunde zuzubereiten verstand. Das ist freilich schlimm, sagte der Alte, und was den lieblichen Wein betrifft, eine Sünde. Aber seid munter und trinkt, ihr wackern Gehülfen, damit auch der Wirth in die Stimmung komme, die ihm geziemt. Es bedurfte aber dieser Aufmunterung nicht, denn die Tischgesellschaft war unermüdet. Selbst der junge Dietrich trank fleißig, und Eulenböck ordnete an, wie die Weine auf einander folgen sollten. Heute gilt es, rief er aus, die Schlacht muß gewonnen werden und der Sieger erzeigt dem Besiegten keine Gnade. Seht in mein kriegerisches Antlitz, ihr jüngern Helden, hier hab' ich die rothe Blutfahne dräuend ausgehängt, zum Zeichen, daß kein Erbarmen stattfinden soll! Nichts in der Welt wird so mißverstanden, Freunde, als der scheinbar einfache Actus, den die Menschen so obenhin trinken nennen, und seine Gabe wird so verkannt, so wenig gewürdiget, als der Wein. Könnt' ich wünschen, der Welt einmal nützlich zu werden, so möcht' ich eine aufgeklärte Regierung dahin bewegen, einen eignen Lehrstuhl zu errichten, von wo herab ich die unwissende Menschheit über die trefflichen Eigenschaften des Weines unterrichtete. Wer trinkt nicht gern? Es gibt nur wenige Unglückselige, die das mit Wahrheit von sich versichern können. Aber es ist ein Erbarmen, anzusehn, wie sie trinken, ohne alle Application, ohne Stil, Schatten und Licht,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/106>, abgerufen am 05.12.2024.