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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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so daß sich kaum die Spur einer Schule findet; höchstens Colorit, was die Uebermüthigen dann auch gleich sich und der Welt auf die Nase binden und zur Schau aushängen.

Und wie muß man es eigentlich anfangen? fragte Dietrich.

Anfangs, erwiderte der Alte, muß man durch stille Demuth und einfachen Glauben, wie in allen Künsten, den Grund legen. Nur ja keine vorzeitige Kritik, kein spürendes, naseweises Schnüffeln, sondern ein edles, vertrauensvolles Dahingeben. Kommt der Schüler weiter, nun so mag er auch unterscheiden; und trifft der Wein nur Lehrbegier und Sitteneinfalt, so unterrichtet auch sein Geist von innen heraus und weckt mit dem Enthusiasmus zugleich das Verständniß. Nur nicht die Uebung, als das Hauptsächlichste, hintangesetzt, keine leere Schwärmerei, denn nur die That macht den Meister.

O wie wahr! seufzte der Buchhalter, indem er seinen Thränen keinen Einhalt that. -- Worte, sagte der Pietist, die der gemeine Haufe goldne nennen würde.

Wäre das Trinken, fuhr Eulenböck fort, keine Kunst und Wissenschaft, so dürfte es auch nur einerlei Getränk auf Erden geben, so wie das unschuldige Wasser schon diese Rolle spielt. Aber der Geist der Natur versenkt sich auf lieblich anmuthige Weise wechselnd und spielend hier und dort in die Rebe und läßt sich im wundersamen Ringen keltern und verklären, um über den magischen Weg der Zunge in unser Inneres zu steigen und

so daß sich kaum die Spur einer Schule findet; höchstens Colorit, was die Uebermüthigen dann auch gleich sich und der Welt auf die Nase binden und zur Schau aushängen.

Und wie muß man es eigentlich anfangen? fragte Dietrich.

Anfangs, erwiderte der Alte, muß man durch stille Demuth und einfachen Glauben, wie in allen Künsten, den Grund legen. Nur ja keine vorzeitige Kritik, kein spürendes, naseweises Schnüffeln, sondern ein edles, vertrauensvolles Dahingeben. Kommt der Schüler weiter, nun so mag er auch unterscheiden; und trifft der Wein nur Lehrbegier und Sitteneinfalt, so unterrichtet auch sein Geist von innen heraus und weckt mit dem Enthusiasmus zugleich das Verständniß. Nur nicht die Uebung, als das Hauptsächlichste, hintangesetzt, keine leere Schwärmerei, denn nur die That macht den Meister.

O wie wahr! seufzte der Buchhalter, indem er seinen Thränen keinen Einhalt that. — Worte, sagte der Pietist, die der gemeine Haufe goldne nennen würde.

Wäre das Trinken, fuhr Eulenböck fort, keine Kunst und Wissenschaft, so dürfte es auch nur einerlei Getränk auf Erden geben, so wie das unschuldige Wasser schon diese Rolle spielt. Aber der Geist der Natur versenkt sich auf lieblich anmuthige Weise wechselnd und spielend hier und dort in die Rebe und läßt sich im wundersamen Ringen keltern und verklären, um über den magischen Weg der Zunge in unser Inneres zu steigen und

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/107>, abgerufen am 05.12.2024.