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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Dritte Abtheilung.
ten wir denn auch alles. Der Kaiser ist ein Mann
von mittlerer Größe und starker Leibes-Constitution, und
schien ein Alter von einigen und vierzig Jahren zu haben.
Als endlich alle Besuche vorüber waren, bekamen wir
Erlaubniß, verschiedne Zimmer im Pallaste, und selbst
das Audienz Zimmer zu besehen. Der Ambassadeur war
aus dem Vorzimmer über eine lange, mit Bretern be-
legte Diehle hinein geführt worden, worauf sich eine große
Schiebthüre geöffnet hatte. Das innere Zimmer besteht
gleichsam aus drey Zimmern, von denen das eine immer
eine Stufe höher, als das andre ist. Jedes hat eine
Länge von ungefähr zehn Schritten, so daß der Abstand
zwischen dem Kaiser und unserm Gesandten etwa drey-
ßig Schritt betragen mochte. In dem innersten näm-
lich befindet sich der Kaiser bey der Audienz und zwar ste-
hend, nebst dem Kronprinzen, der ihm zur Rechten steht.
An der rechten Seite dieses Zimmers ist ein großer Saal,
dessen Fußboden mit hundert Matten bedeckt ist, wovon
er auch der Hundert-Mattensaal heißt. Er hat drey
hundert Ellen in der Länge, und hundert und funfzig in
der Breite, und ist für die höchsten Beamten, Räthe
und Fürsten des Reichs bestimmt, die bey solchen feyer-
lichen Gelegenheiten alle nach Rang und Würden ihre
Plätze in demselben einnehmen. An der linken Seite im
Audienz-Zimmer selbst standen die Geschenke theils aufge-
stellt, theils in Haufen gelegt. Die ganze Audienz be-
steht übrigens bloß darin, daß der Ambassadeur, so
bald er ins Zimmer getreten ist, auf die Knie niederfällt,
die Hände auf die Matte legt, und den Kopf gegen die
Erde beugt, alles auf gleiche Art, als die Japaner selbst
ihre Unterthänigkeit und Ehrerbiethung bezeugen. Darauf
steht er auf, und wird genau den vorigen Weg ins Vorge-
mach zurück geführt. Die übrigen Zimmer, welche wir

Dritte Abtheilung.
ten wir denn auch alles. Der Kaiſer iſt ein Mann
von mittlerer Groͤße und ſtarker Leibes-Conſtitution, und
ſchien ein Alter von einigen und vierzig Jahren zu haben.
Als endlich alle Beſuche voruͤber waren, bekamen wir
Erlaubniß, verſchiedne Zimmer im Pallaſte, und ſelbſt
das Audienz Zimmer zu beſehen. Der Ambaſſadeur war
aus dem Vorzimmer uͤber eine lange, mit Bretern be-
legte Diehle hinein gefuͤhrt worden, worauf ſich eine große
Schiebthuͤre geoͤffnet hatte. Das innere Zimmer beſteht
gleichſam aus drey Zimmern, von denen das eine immer
eine Stufe hoͤher, als das andre iſt. Jedes hat eine
Laͤnge von ungefaͤhr zehn Schritten, ſo daß der Abſtand
zwiſchen dem Kaiſer und unſerm Geſandten etwa drey-
ßig Schritt betragen mochte. In dem innerſten naͤm-
lich befindet ſich der Kaiſer bey der Audienz und zwar ſte-
hend, nebſt dem Kronprinzen, der ihm zur Rechten ſteht.
An der rechten Seite dieſes Zimmers iſt ein großer Saal,
deſſen Fußboden mit hundert Matten bedeckt iſt, wovon
er auch der Hundert-Mattenſaal heißt. Er hat drey
hundert Ellen in der Laͤnge, und hundert und funfzig in
der Breite, und iſt fuͤr die hoͤchſten Beamten, Raͤthe
und Fuͤrſten des Reichs beſtimmt, die bey ſolchen feyer-
lichen Gelegenheiten alle nach Rang und Wuͤrden ihre
Plaͤtze in demſelben einnehmen. An der linken Seite im
Audienz-Zimmer ſelbſt ſtanden die Geſchenke theils aufge-
ſtellt, theils in Haufen gelegt. Die ganze Audienz be-
ſteht uͤbrigens bloß darin, daß der Ambaſſadeur, ſo
bald er ins Zimmer getreten iſt, auf die Knie niederfaͤllt,
die Haͤnde auf die Matte legt, und den Kopf gegen die
Erde beugt, alles auf gleiche Art, als die Japaner ſelbſt
ihre Unterthaͤnigkeit und Ehrerbiethung bezeugen. Darauf
ſteht er auf, und wird genau den vorigen Weg ins Vorge-
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[110/0144] Dritte Abtheilung. ten wir denn auch alles. Der Kaiſer iſt ein Mann von mittlerer Groͤße und ſtarker Leibes-Conſtitution, und ſchien ein Alter von einigen und vierzig Jahren zu haben. Als endlich alle Beſuche voruͤber waren, bekamen wir Erlaubniß, verſchiedne Zimmer im Pallaſte, und ſelbſt das Audienz Zimmer zu beſehen. Der Ambaſſadeur war aus dem Vorzimmer uͤber eine lange, mit Bretern be- legte Diehle hinein gefuͤhrt worden, worauf ſich eine große Schiebthuͤre geoͤffnet hatte. Das innere Zimmer beſteht gleichſam aus drey Zimmern, von denen das eine immer eine Stufe hoͤher, als das andre iſt. Jedes hat eine Laͤnge von ungefaͤhr zehn Schritten, ſo daß der Abſtand zwiſchen dem Kaiſer und unſerm Geſandten etwa drey- ßig Schritt betragen mochte. In dem innerſten naͤm- lich befindet ſich der Kaiſer bey der Audienz und zwar ſte- hend, nebſt dem Kronprinzen, der ihm zur Rechten ſteht. An der rechten Seite dieſes Zimmers iſt ein großer Saal, deſſen Fußboden mit hundert Matten bedeckt iſt, wovon er auch der Hundert-Mattenſaal heißt. Er hat drey hundert Ellen in der Laͤnge, und hundert und funfzig in der Breite, und iſt fuͤr die hoͤchſten Beamten, Raͤthe und Fuͤrſten des Reichs beſtimmt, die bey ſolchen feyer- lichen Gelegenheiten alle nach Rang und Wuͤrden ihre Plaͤtze in demſelben einnehmen. An der linken Seite im Audienz-Zimmer ſelbſt ſtanden die Geſchenke theils aufge- ſtellt, theils in Haufen gelegt. Die ganze Audienz be- ſteht uͤbrigens bloß darin, daß der Ambaſſadeur, ſo bald er ins Zimmer getreten iſt, auf die Knie niederfaͤllt, die Haͤnde auf die Matte legt, und den Kopf gegen die Erde beugt, alles auf gleiche Art, als die Japaner ſelbſt ihre Unterthaͤnigkeit und Ehrerbiethung bezeugen. Darauf ſteht er auf, und wird genau den vorigen Weg ins Vorge- mach zuruͤck gefuͤhrt. Die uͤbrigen Zimmer, welche wir

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/144>, abgerufen am 25.11.2024.