großen Mänteln, die uns hiebey gar wohl zu Statten kamen. Die Zeit, da wir hier warten mußten, wurde uns gar nicht lang, weil immer eine sehr große Menge Menschen herein und heraus strömte, um uns in Augen- schein zu nehmen, und mit uns zu sprechen. So gar ei- nige von den Fürsten des Reichs besuchten uns. Zwar kamen diese incognito, wir konnten aber doch aus dem Ge- murmel, das in den innern Zimmern anfangs auf einige Augenblicke entstand, und aus der Stille, die darauf folgte, allezeit merken, daß es ein Fürst war, der her- ein kam. Ihre Neubegierde in allen Dingen ging sehr weit; am stärksten aber äußerte sie sich in Ansehung unse- rer Art zu schreiben. Man bath uns daher, entweder auf ein Stückchen Papier, oder auf ihre Fächer etwas zu schreiben. Einige zeigten uns auch Fächer, worauf Holländer vorher etwas geschrieben, und die sie als eine große Rarität sorgfältig aufgehoben hatten.
Endlich kam der Augenblick, da der Ambassadeur Vortritt haben sollte. Die Ceremonie hiebey war von derjenigen ganz verschieden, die vor hundert Jahren zu Kämpfers Zeit gebräuchlich war. Der Ambassadeur wurde in das Zimmer des Kaisers geführt. Wir Uebri- gen blieben auf unsern Plätzen, bis er nach einer kleinen Weile zurück kam. Nach seiner Zurückkunft mußten wir wieder eine ziemliche Zeit im Vorgemache verweilen, um Besuche und Fragen von verschiednen Hofleuten an- zunehmen, bey deren Ankunft verschiedne Mahl ein all- gemeines und tiefes Stillschweigen entstand. So gar der Kaiser selbst fand sich auf diese Art incognito bey uns ein, um die Holländer und ihre Kleidertracht genauer zu besehen. Unsre Dolmetscher und Japanischen Ober-Be- dienten hatten sich alle Mühe gegeben, durch ihre Freun- de von allem Nachricht einzuziehen, und durch sie wuß-
Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
großen Maͤnteln, die uns hiebey gar wohl zu Statten kamen. Die Zeit, da wir hier warten mußten, wurde uns gar nicht lang, weil immer eine ſehr große Menge Menſchen herein und heraus ſtroͤmte, um uns in Augen- ſchein zu nehmen, und mit uns zu ſprechen. So gar ei- nige von den Fuͤrſten des Reichs beſuchten uns. Zwar kamen dieſe incognito, wir konnten aber doch aus dem Ge- murmel, das in den innern Zimmern anfangs auf einige Augenblicke entſtand, und aus der Stille, die darauf folgte, allezeit merken, daß es ein Fuͤrſt war, der her- ein kam. Ihre Neubegierde in allen Dingen ging ſehr weit; am ſtaͤrkſten aber aͤußerte ſie ſich in Anſehung unſe- rer Art zu ſchreiben. Man bath uns daher, entweder auf ein Stuͤckchen Papier, oder auf ihre Faͤcher etwas zu ſchreiben. Einige zeigten uns auch Faͤcher, worauf Hollaͤnder vorher etwas geſchrieben, und die ſie als eine große Raritaͤt ſorgfaͤltig aufgehoben hatten.
Endlich kam der Augenblick, da der Ambaſſadeur Vortritt haben ſollte. Die Ceremonie hiebey war von derjenigen ganz verſchieden, die vor hundert Jahren zu Kaͤmpfers Zeit gebraͤuchlich war. Der Ambaſſadeur wurde in das Zimmer des Kaiſers gefuͤhrt. Wir Uebri- gen blieben auf unſern Plaͤtzen, bis er nach einer kleinen Weile zuruͤck kam. Nach ſeiner Zuruͤckkunft mußten wir wieder eine ziemliche Zeit im Vorgemache verweilen, um Beſuche und Fragen von verſchiednen Hofleuten an- zunehmen, bey deren Ankunft verſchiedne Mahl ein all- gemeines und tiefes Stillſchweigen entſtand. So gar der Kaiſer ſelbſt fand ſich auf dieſe Art incognito bey uns ein, um die Hollaͤnder und ihre Kleidertracht genauer zu beſehen. Unſre Dolmetſcher und Japaniſchen Ober-Be- dienten hatten ſich alle Muͤhe gegeben, durch ihre Freun- de von allem Nachricht einzuziehen, und durch ſie wuß-
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Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
großen Maͤnteln, die uns hiebey gar wohl zu Statten
kamen. Die Zeit, da wir hier warten mußten, wurde
uns gar nicht lang, weil immer eine ſehr große Menge
Menſchen herein und heraus ſtroͤmte, um uns in Augen-
ſchein zu nehmen, und mit uns zu ſprechen. So gar ei-
nige von den Fuͤrſten des Reichs beſuchten uns. Zwar
kamen dieſe incognito, wir konnten aber doch aus dem Ge-
murmel, das in den innern Zimmern anfangs auf einige
Augenblicke entſtand, und aus der Stille, die darauf
folgte, allezeit merken, daß es ein Fuͤrſt war, der her-
ein kam. Ihre Neubegierde in allen Dingen ging ſehr
weit; am ſtaͤrkſten aber aͤußerte ſie ſich in Anſehung unſe-
rer Art zu ſchreiben. Man bath uns daher, entweder
auf ein Stuͤckchen Papier, oder auf ihre Faͤcher etwas
zu ſchreiben. Einige zeigten uns auch Faͤcher, worauf
Hollaͤnder vorher etwas geſchrieben, und die ſie als eine
große Raritaͤt ſorgfaͤltig aufgehoben hatten.
Endlich kam der Augenblick, da der Ambaſſadeur
Vortritt haben ſollte. Die Ceremonie hiebey war von
derjenigen ganz verſchieden, die vor hundert Jahren zu
Kaͤmpfers Zeit gebraͤuchlich war. Der Ambaſſadeur
wurde in das Zimmer des Kaiſers gefuͤhrt. Wir Uebri-
gen blieben auf unſern Plaͤtzen, bis er nach einer kleinen
Weile zuruͤck kam. Nach ſeiner Zuruͤckkunft mußten
wir wieder eine ziemliche Zeit im Vorgemache verweilen,
um Beſuche und Fragen von verſchiednen Hofleuten an-
zunehmen, bey deren Ankunft verſchiedne Mahl ein all-
gemeines und tiefes Stillſchweigen entſtand. So gar
der Kaiſer ſelbſt fand ſich auf dieſe Art incognito bey uns
ein, um die Hollaͤnder und ihre Kleidertracht genauer zu
beſehen. Unſre Dolmetſcher und Japaniſchen Ober-Be-
dienten hatten ſich alle Muͤhe gegeben, durch ihre Freun-
de von allem Nachricht einzuziehen, und durch ſie wuß-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/143>, abgerufen am 17.02.2025.
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