hatten wir Gelegenheit, in einem für uns dazu bestellten Hause an der Hauptstraße den ganzen Zug vorbey kom- men zu sehen. Die Gardinen waren alsdann gewöhn- lich aufgezogen, und wir sahen den Fürsten in seinem Norimon sitzen, aber an Farbe und Ansehen allen an- dern Leuten völlig gleich, auch eben so gekleidet, und oh- ne seinen großen Hofstaat und prächtigen Aufzug von andern nicht zu unterscheiden.
So höflich wir auch, wenn wir an der Grenze des Gebieths eines solchen Fürsten ankamen, in ihrem Nahmen von besonders dazu abgeschickten Personen em- pfangen und complimentirt wurden, so hatten wir doch nirgends Erlaubniß, einen von ihnen zu besuchen, wenn wir gleich durch seine Residenz-Stadt reiseten. Eben so wenig bekamen wir von ihnen Besuch. Jenes konnte deswegen nicht geschehen, weil es uns ansehnliche Ge- schenke gekostet haben würde. Denn nach der Sitte des Landes müssen allezeit kostbare Geschenke voraus ge- schickt werden, ehe der Besuch abgestattet wird. Das letztere hat auch seine Ursachen. Einmahl ist es verbo- then, um zu verhüthen, daß die Holländer mit den Für- sten im Reiche keine Bekanntschaft machen, die vielleicht in einer oder andrer Rücksicht demselben nachtheilig seyn könnte. Dann läßt aber auch ihre eigne Hoheit es nicht zu; sie würden sich, wenn es geschehen sollte, in ihrer gan- zen Hofpracht zeigen müssen. Dessen ungeachtet wider- fuhr uns doch einmahl die eben so seltne als unvermuthe- te Ehre, daß wir an einem Abend in unserm Logis von ei- nem dergleichen Landesfürsten einen Besuch erhielten. Er kam aber incognito, und hatte nur zwey seiner Hofleute bey sich. Er blieb eine gute Weile, sprach mit uns von allerhand Dingen, und schien eben so neugierig zu seyn, als er ein artiger und höflicher Herr war. Alles was
Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
hatten wir Gelegenheit, in einem fuͤr uns dazu beſtellten Hauſe an der Hauptſtraße den ganzen Zug vorbey kom- men zu ſehen. Die Gardinen waren alsdann gewoͤhn- lich aufgezogen, und wir ſahen den Fuͤrſten in ſeinem Norimon ſitzen, aber an Farbe und Anſehen allen an- dern Leuten voͤllig gleich, auch eben ſo gekleidet, und oh- ne ſeinen großen Hofſtaat und praͤchtigen Aufzug von andern nicht zu unterſcheiden.
So hoͤflich wir auch, wenn wir an der Grenze des Gebieths eines ſolchen Fuͤrſten ankamen, in ihrem Nahmen von beſonders dazu abgeſchickten Perſonen em- pfangen und complimentirt wurden, ſo hatten wir doch nirgends Erlaubniß, einen von ihnen zu beſuchen, wenn wir gleich durch ſeine Reſidenz-Stadt reiſeten. Eben ſo wenig bekamen wir von ihnen Beſuch. Jenes konnte deswegen nicht geſchehen, weil es uns anſehnliche Ge- ſchenke gekoſtet haben wuͤrde. Denn nach der Sitte des Landes muͤſſen allezeit koſtbare Geſchenke voraus ge- ſchickt werden, ehe der Beſuch abgeſtattet wird. Das letztere hat auch ſeine Urſachen. Einmahl iſt es verbo- then, um zu verhuͤthen, daß die Hollaͤnder mit den Fuͤr- ſten im Reiche keine Bekanntſchaft machen, die vielleicht in einer oder andrer Ruͤckſicht demſelben nachtheilig ſeyn koͤnnte. Dann laͤßt aber auch ihre eigne Hoheit es nicht zu; ſie wuͤrden ſich, wenn es geſchehen ſollte, in ihrer gan- zen Hofpracht zeigen muͤſſen. Deſſen ungeachtet wider- fuhr uns doch einmahl die eben ſo ſeltne als unvermuthe- te Ehre, daß wir an einem Abend in unſerm Logis von ei- nem dergleichen Landesfuͤrſten einen Beſuch erhielten. Er kam aber incognito, und hatte nur zwey ſeiner Hofleute bey ſich. Er blieb eine gute Weile, ſprach mit uns von allerhand Dingen, und ſchien eben ſo neugierig zu ſeyn, als er ein artiger und hoͤflicher Herr war. Alles was
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[102/0136]
Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
hatten wir Gelegenheit, in einem fuͤr uns dazu beſtellten
Hauſe an der Hauptſtraße den ganzen Zug vorbey kom-
men zu ſehen. Die Gardinen waren alsdann gewoͤhn-
lich aufgezogen, und wir ſahen den Fuͤrſten in ſeinem
Norimon ſitzen, aber an Farbe und Anſehen allen an-
dern Leuten voͤllig gleich, auch eben ſo gekleidet, und oh-
ne ſeinen großen Hofſtaat und praͤchtigen Aufzug von
andern nicht zu unterſcheiden.
So hoͤflich wir auch, wenn wir an der Grenze
des Gebieths eines ſolchen Fuͤrſten ankamen, in ihrem
Nahmen von beſonders dazu abgeſchickten Perſonen em-
pfangen und complimentirt wurden, ſo hatten wir doch
nirgends Erlaubniß, einen von ihnen zu beſuchen, wenn
wir gleich durch ſeine Reſidenz-Stadt reiſeten. Eben
ſo wenig bekamen wir von ihnen Beſuch. Jenes konnte
deswegen nicht geſchehen, weil es uns anſehnliche Ge-
ſchenke gekoſtet haben wuͤrde. Denn nach der Sitte
des Landes muͤſſen allezeit koſtbare Geſchenke voraus ge-
ſchickt werden, ehe der Beſuch abgeſtattet wird. Das
letztere hat auch ſeine Urſachen. Einmahl iſt es verbo-
then, um zu verhuͤthen, daß die Hollaͤnder mit den Fuͤr-
ſten im Reiche keine Bekanntſchaft machen, die vielleicht
in einer oder andrer Ruͤckſicht demſelben nachtheilig ſeyn
koͤnnte. Dann laͤßt aber auch ihre eigne Hoheit es nicht
zu; ſie wuͤrden ſich, wenn es geſchehen ſollte, in ihrer gan-
zen Hofpracht zeigen muͤſſen. Deſſen ungeachtet wider-
fuhr uns doch einmahl die eben ſo ſeltne als unvermuthe-
te Ehre, daß wir an einem Abend in unſerm Logis von ei-
nem dergleichen Landesfuͤrſten einen Beſuch erhielten. Er
kam aber incognito, und hatte nur zwey ſeiner Hofleute
bey ſich. Er blieb eine gute Weile, ſprach mit uns von
allerhand Dingen, und ſchien eben ſo neugierig zu ſeyn,
als er ein artiger und hoͤflicher Herr war. Alles was
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/136>, abgerufen am 25.11.2024.
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