deren je zwey und zwey in einer Breite sind, die Leidens- geschichte Jesu in sieben Aufzügen vorgestellt. Ganz oben stehen drey Kreutze und Christi Grab, nebst einer Kirche. Während der Osterfeyertage wird das Kreutz dem Volke zum Küssen dargereicht, welches sich haufenweise zum Altare und zum Priester, der es hinhält, vordrängt. Zwey Mönche nehmen mittlerweile auf Tellern das Allmosen oder Opfer in Empfang. Auch werden den Tag vor Ostern bemahlte und bunt gemachte Ostereyer allenthalben auf den Straßen verkauft. Sobald die Fasten nur zu Ende sind, werden Tauben in die Stadt gebracht, und Fleisch zum Verkauf ausgehängt.
Am Fronleichnamstage gingen die Geistlichen aus allen Kirchen mit ihrem Herrgott, den eine gläserne Kapsel verwahrte, eine Sonne umgab und ein Baldachin bedeckte, in ihren Kirchspielen umher, mit Musik, Trom- meln, Rauchfässern und Blumenkörben. Alle Häuser waren, so weit die erste Etage geht, mit Tapeten aller- hand Art bekleidet, wodurch jene so unkenntlich wurden, daß ein Fremder sie nicht ohne Mühe wieder finden konn- te. Die Straßen wurden mit Blumen bestreuet, und hin und wieder Altäre errichtet, wo die Priester hinauf- stiegen, um Gassen und Häuser zu segnen. Während der Procession wurde Geld gesammelt, um dafür Gefan- gene aus dem Petit Chatelet loszukaufen. Manche Un- gereimtheiten und lächerliche Aufzüge bekommt man bey dieser Gelegenheit zu sehen. Aeltern warfen nicht selten ih- re Kinder auf die Erde, damit der Umgang über sie herge- hen möchte, wobey sie indessen keinen Schaden nahmen.
Von den hiesigen Merkwürdigkeiten habe ich noch einige, die ich in Augenschein nahm, nachzuhohlen. Am meisten fiel mir das auf, was ich bey dem berühmten Emailleur Roux sah. Dieser Mann verfertigt von
Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
deren je zwey und zwey in einer Breite ſind, die Leidens- geſchichte Jeſu in ſieben Aufzuͤgen vorgeſtellt. Ganz oben ſtehen drey Kreutze und Chriſti Grab, nebſt einer Kirche. Waͤhrend der Oſterfeyertage wird das Kreutz dem Volke zum Kuͤſſen dargereicht, welches ſich haufenweiſe zum Altare und zum Prieſter, der es hinhaͤlt, vordraͤngt. Zwey Moͤnche nehmen mittlerweile auf Tellern das Allmoſen oder Opfer in Empfang. Auch werden den Tag vor Oſtern bemahlte und bunt gemachte Oſtereyer allenthalben auf den Straßen verkauft. Sobald die Faſten nur zu Ende ſind, werden Tauben in die Stadt gebracht, und Fleiſch zum Verkauf ausgehaͤngt.
Am Fronleichnamstage gingen die Geiſtlichen aus allen Kirchen mit ihrem Herrgott, den eine glaͤſerne Kapſel verwahrte, eine Sonne umgab und ein Baldachin bedeckte, in ihren Kirchſpielen umher, mit Muſik, Trom- meln, Rauchfaͤſſern und Blumenkoͤrben. Alle Haͤuſer waren, ſo weit die erſte Etage geht, mit Tapeten aller- hand Art bekleidet, wodurch jene ſo unkenntlich wurden, daß ein Fremder ſie nicht ohne Muͤhe wieder finden konn- te. Die Straßen wurden mit Blumen beſtreuet, und hin und wieder Altaͤre errichtet, wo die Prieſter hinauf- ſtiegen, um Gaſſen und Haͤuſer zu ſegnen. Waͤhrend der Proceſſion wurde Geld geſammelt, um dafuͤr Gefan- gene aus dem Petit Chatelet loszukaufen. Manche Un- gereimtheiten und laͤcherliche Aufzuͤge bekommt man bey dieſer Gelegenheit zu ſehen. Aeltern warfen nicht ſelten ih- re Kinder auf die Erde, damit der Umgang uͤber ſie herge- hen moͤchte, wobey ſie indeſſen keinen Schaden nahmen.
Von den hieſigen Merkwuͤrdigkeiten habe ich noch einige, die ich in Augenſchein nahm, nachzuhohlen. Am meiſten fiel mir das auf, was ich bey dem beruͤhmten Emailleur Roux ſah. Dieſer Mann verfertigt von
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Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
deren je zwey und zwey in einer Breite ſind, die Leidens-
geſchichte Jeſu in ſieben Aufzuͤgen vorgeſtellt. Ganz oben
ſtehen drey Kreutze und Chriſti Grab, nebſt einer Kirche.
Waͤhrend der Oſterfeyertage wird das Kreutz dem Volke
zum Kuͤſſen dargereicht, welches ſich haufenweiſe zum
Altare und zum Prieſter, der es hinhaͤlt, vordraͤngt. Zwey
Moͤnche nehmen mittlerweile auf Tellern das Allmoſen
oder Opfer in Empfang. Auch werden den Tag vor
Oſtern bemahlte und bunt gemachte Oſtereyer allenthalben
auf den Straßen verkauft. Sobald die Faſten nur zu
Ende ſind, werden Tauben in die Stadt gebracht, und
Fleiſch zum Verkauf ausgehaͤngt.
Am Fronleichnamstage gingen die Geiſtlichen aus
allen Kirchen mit ihrem Herrgott, den eine glaͤſerne
Kapſel verwahrte, eine Sonne umgab und ein Baldachin
bedeckte, in ihren Kirchſpielen umher, mit Muſik, Trom-
meln, Rauchfaͤſſern und Blumenkoͤrben. Alle Haͤuſer
waren, ſo weit die erſte Etage geht, mit Tapeten aller-
hand Art bekleidet, wodurch jene ſo unkenntlich wurden,
daß ein Fremder ſie nicht ohne Muͤhe wieder finden konn-
te. Die Straßen wurden mit Blumen beſtreuet, und
hin und wieder Altaͤre errichtet, wo die Prieſter hinauf-
ſtiegen, um Gaſſen und Haͤuſer zu ſegnen. Waͤhrend
der Proceſſion wurde Geld geſammelt, um dafuͤr Gefan-
gene aus dem Petit Chatelet loszukaufen. Manche Un-
gereimtheiten und laͤcherliche Aufzuͤge bekommt man bey
dieſer Gelegenheit zu ſehen. Aeltern warfen nicht ſelten ih-
re Kinder auf die Erde, damit der Umgang uͤber ſie herge-
hen moͤchte, wobey ſie indeſſen keinen Schaden nahmen.
Von den hieſigen Merkwuͤrdigkeiten habe ich noch
einige, die ich in Augenſchein nahm, nachzuhohlen. Am
meiſten fiel mir das auf, was ich bey dem beruͤhmten
Emailleur Roux ſah. Dieſer Mann verfertigt von
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/80>, abgerufen am 19.05.2024.
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