der fragten und antworteten. Bey einem andern eben daselbst war ich auch zugegen, da sechs Professoren exa- minirt wurden. Zu einem solchen Examen kann jeder, der will, sich melden, nur kein Ausländer und kein Pa- riser. Diejenigen, welche zu der Ecole practique, oder der gedachten Prüfung zugelassen werden, und daselbst den Preis erhalten, genießen hernach den Vortheil, daß sie, ohne dafür besonders zu bezahlen, todte Körper se- ciren und chirurgische Operationen daran vornehmen dürfen.
Unter den Hospitälern zu Paris, und vermuthlich unter allen Hospitälern in der Welt, ist das Hotel- Dieu das größte. Der Fond zu seiner Unterhaltung wird auf sechs Millionen Livres angegeben, die ehemahls nach und nach, meistentheils als freywillige Geschenke gesammelt sind. Die Kranken genießen hier Arzney und Pflege umsonst, ohne Ansehen der Person, und ohne auf die Anzahl Rücksicht zu nehmen. Gemeiniglich wer- den sie auf langen Baaren hingebracht. Im Aufnahme- zimmer werden sie eingeschrieben. Der Eingang geht durch die Kirche. Sogleich beym Eingange fängt ein Zimmer für Kranke mit einer Reihe Betten an. Diese Betten sind aber nicht immer in Ordnung. Am Ende dieses Zimmers sind die Eingänge in die größern Säle. In diesen stehen mehrere Reihen Betten, und in jedem Bette liegen mehrere Kranke, besonders Kinder, manch- mahl vier beysammen. Im mittlern Stockwerke liegen diejenigen Patienten, welche des Beystandes der Wund- ärzte bedürfen, und im obersten die Frauenspersonen, welche entbunden sind oder ihre Niederkunft erwarten. Den Kranken männlichen Geschlechts warten Mönche, und den weiblichen Nonnen auf. Das Essen wird den Kranken in Näpfen oder kleinen Schalen gereicht. Bey
Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
der fragten und antworteten. Bey einem andern eben daſelbſt war ich auch zugegen, da ſechs Profeſſoren exa- minirt wurden. Zu einem ſolchen Examen kann jeder, der will, ſich melden, nur kein Auslaͤnder und kein Pa- riſer. Diejenigen, welche zu der Ecole practique, oder der gedachten Pruͤfung zugelaſſen werden, und daſelbſt den Preis erhalten, genießen hernach den Vortheil, daß ſie, ohne dafuͤr beſonders zu bezahlen, todte Koͤrper ſe- ciren und chirurgiſche Operationen daran vornehmen duͤrfen.
Unter den Hoſpitaͤlern zu Paris, und vermuthlich unter allen Hoſpitaͤlern in der Welt, iſt das Hotel- Dieu das groͤßte. Der Fond zu ſeiner Unterhaltung wird auf ſechs Millionen Livres angegeben, die ehemahls nach und nach, meiſtentheils als freywillige Geſchenke geſammelt ſind. Die Kranken genießen hier Arzney und Pflege umſonſt, ohne Anſehen der Perſon, und ohne auf die Anzahl Ruͤckſicht zu nehmen. Gemeiniglich wer- den ſie auf langen Baaren hingebracht. Im Aufnahme- zimmer werden ſie eingeſchrieben. Der Eingang geht durch die Kirche. Sogleich beym Eingange faͤngt ein Zimmer fuͤr Kranke mit einer Reihe Betten an. Dieſe Betten ſind aber nicht immer in Ordnung. Am Ende dieſes Zimmers ſind die Eingaͤnge in die groͤßern Saͤle. In dieſen ſtehen mehrere Reihen Betten, und in jedem Bette liegen mehrere Kranke, beſonders Kinder, manch- mahl vier beyſammen. Im mittlern Stockwerke liegen diejenigen Patienten, welche des Beyſtandes der Wund- aͤrzte beduͤrfen, und im oberſten die Frauensperſonen, welche entbunden ſind oder ihre Niederkunft erwarten. Den Kranken maͤnnlichen Geſchlechts warten Moͤnche, und den weiblichen Nonnen auf. Das Eſſen wird den Kranken in Naͤpfen oder kleinen Schalen gereicht. Bey
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Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
der fragten und antworteten. Bey einem andern eben
daſelbſt war ich auch zugegen, da ſechs Profeſſoren exa-
minirt wurden. Zu einem ſolchen Examen kann jeder,
der will, ſich melden, nur kein Auslaͤnder und kein Pa-
riſer. Diejenigen, welche zu der Ecole practique, oder
der gedachten Pruͤfung zugelaſſen werden, und daſelbſt
den Preis erhalten, genießen hernach den Vortheil, daß
ſie, ohne dafuͤr beſonders zu bezahlen, todte Koͤrper ſe-
ciren und chirurgiſche Operationen daran vornehmen
duͤrfen.
Unter den Hoſpitaͤlern zu Paris, und vermuthlich
unter allen Hoſpitaͤlern in der Welt, iſt das Hotel-
Dieu das groͤßte. Der Fond zu ſeiner Unterhaltung
wird auf ſechs Millionen Livres angegeben, die ehemahls
nach und nach, meiſtentheils als freywillige Geſchenke
geſammelt ſind. Die Kranken genießen hier Arzney und
Pflege umſonſt, ohne Anſehen der Perſon, und ohne
auf die Anzahl Ruͤckſicht zu nehmen. Gemeiniglich wer-
den ſie auf langen Baaren hingebracht. Im Aufnahme-
zimmer werden ſie eingeſchrieben. Der Eingang geht
durch die Kirche. Sogleich beym Eingange faͤngt ein
Zimmer fuͤr Kranke mit einer Reihe Betten an. Dieſe
Betten ſind aber nicht immer in Ordnung. Am Ende
dieſes Zimmers ſind die Eingaͤnge in die groͤßern Saͤle.
In dieſen ſtehen mehrere Reihen Betten, und in jedem
Bette liegen mehrere Kranke, beſonders Kinder, manch-
mahl vier beyſammen. Im mittlern Stockwerke liegen
diejenigen Patienten, welche des Beyſtandes der Wund-
aͤrzte beduͤrfen, und im oberſten die Frauensperſonen,
welche entbunden ſind oder ihre Niederkunft erwarten.
Den Kranken maͤnnlichen Geſchlechts warten Moͤnche,
und den weiblichen Nonnen auf. Das Eſſen wird den
Kranken in Naͤpfen oder kleinen Schalen gereicht. Bey
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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