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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Aufenthalt in Paris.

Disputationen werden hier im medicinischen Fache
auch genug gehalten. In der Ecole de Medicine wird
Dienstags und Donnerstags disputirt: die Sätze, wel-
che alsdann vertheidigt werden, betragen einen halben
Bogen. Der Disputations-Saal ist alsdann abgetheilt.
Draußen sitzt einer in schwarzer Kleidung mit einem Kra-
gen an einem Tische und theilt die Theses aus. Inwendig
sitzen die Officianten in überzognen Bänken und auf Ka-
thedern. Der Präses und der Respondent haben weiße
Hemden an. Der Respondent sitzt dem Präses zur Sei-
te. Die Opponenten erscheinen in schwarzen Kleidern
mit Mänteln und blauen Kragen. -- In der Ecole de
Chirurgie wird auf gleiche Art disputirt. Die Katheder
sind alsdann mit Sammet, der mit goldnen Tressen besetzt
ist, geschmückt. Rund herum stehen Bänke, und in der
Mitte Stühle. Alle diese Anstalten geben dem Acte viel
Ansehen. Eben so giebt es den öffentlichen Vorlesungen
der Professoren eine nicht geringe Feyerlichkeit, daß diese
dabey in ihrer Amtstracht erscheinen, welche in schwarzer
Kleidung und einem weißen Kragen besteht. -- Beym
Disputiren hört man die Franzosen das Lateinische bey-
nahe so wie das Französische aussprechen, und man hat
anfangs Mühe, sie zu verstehen.

Aufmunterung zum Fleiß und zur Lernbegierde schei-
net an einem Orte nicht nöthig zu seyn, wo so viele vor-
treffliche Gelegenheiten, in Wissenschaften und Künsten
weit zu kommen, vorhanden sind. Allein man hat auch
jene nicht aus der Acht gelassen. Es werden nämlich
öffentliche Prüfungen angestellt, da die Geschicktesten
Belohnungen bekommen, die in goldnen und silbernen
Schaumünzen, nebst gewissen Vortheilen und Vorzügen
bestehen. Einem solchen Examen wohnte ich einmahl in
Saint-Come bey, wo die Studenten wechselsweise einan-

Aufenthalt in Paris.

Disputationen werden hier im mediciniſchen Fache
auch genug gehalten. In der Ecole de Medicine wird
Dienſtags und Donnerſtags disputirt: die Saͤtze, wel-
che alsdann vertheidigt werden, betragen einen halben
Bogen. Der Disputations-Saal iſt alsdann abgetheilt.
Draußen ſitzt einer in ſchwarzer Kleidung mit einem Kra-
gen an einem Tiſche und theilt die Theſes aus. Inwendig
ſitzen die Officianten in uͤberzognen Baͤnken und auf Ka-
thedern. Der Praͤſes und der Reſpondent haben weiße
Hemden an. Der Reſpondent ſitzt dem Praͤſes zur Sei-
te. Die Opponenten erſcheinen in ſchwarzen Kleidern
mit Maͤnteln und blauen Kragen. — In der Ecole de
Chirurgie wird auf gleiche Art disputirt. Die Katheder
ſind alsdann mit Sammet, der mit goldnen Treſſen beſetzt
iſt, geſchmuͤckt. Rund herum ſtehen Baͤnke, und in der
Mitte Stuͤhle. Alle dieſe Anſtalten geben dem Acte viel
Anſehen. Eben ſo giebt es den oͤffentlichen Vorleſungen
der Profeſſoren eine nicht geringe Feyerlichkeit, daß dieſe
dabey in ihrer Amtstracht erſcheinen, welche in ſchwarzer
Kleidung und einem weißen Kragen beſteht. — Beym
Disputiren hoͤrt man die Franzoſen das Lateiniſche bey-
nahe ſo wie das Franzoͤſiſche ausſprechen, und man hat
anfangs Muͤhe, ſie zu verſtehen.

Aufmunterung zum Fleiß und zur Lernbegierde ſchei-
net an einem Orte nicht noͤthig zu ſeyn, wo ſo viele vor-
treffliche Gelegenheiten, in Wiſſenſchaften und Kuͤnſten
weit zu kommen, vorhanden ſind. Allein man hat auch
jene nicht aus der Acht gelaſſen. Es werden naͤmlich
oͤffentliche Pruͤfungen angeſtellt, da die Geſchickteſten
Belohnungen bekommen, die in goldnen und ſilbernen
Schaumuͤnzen, nebſt gewiſſen Vortheilen und Vorzuͤgen
beſtehen. Einem ſolchen Examen wohnte ich einmahl in
Saint-Come bey, wo die Studenten wechſelsweiſe einan-

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[43/0071] Aufenthalt in Paris. Disputationen werden hier im mediciniſchen Fache auch genug gehalten. In der Ecole de Medicine wird Dienſtags und Donnerſtags disputirt: die Saͤtze, wel- che alsdann vertheidigt werden, betragen einen halben Bogen. Der Disputations-Saal iſt alsdann abgetheilt. Draußen ſitzt einer in ſchwarzer Kleidung mit einem Kra- gen an einem Tiſche und theilt die Theſes aus. Inwendig ſitzen die Officianten in uͤberzognen Baͤnken und auf Ka- thedern. Der Praͤſes und der Reſpondent haben weiße Hemden an. Der Reſpondent ſitzt dem Praͤſes zur Sei- te. Die Opponenten erſcheinen in ſchwarzen Kleidern mit Maͤnteln und blauen Kragen. — In der Ecole de Chirurgie wird auf gleiche Art disputirt. Die Katheder ſind alsdann mit Sammet, der mit goldnen Treſſen beſetzt iſt, geſchmuͤckt. Rund herum ſtehen Baͤnke, und in der Mitte Stuͤhle. Alle dieſe Anſtalten geben dem Acte viel Anſehen. Eben ſo giebt es den oͤffentlichen Vorleſungen der Profeſſoren eine nicht geringe Feyerlichkeit, daß dieſe dabey in ihrer Amtstracht erſcheinen, welche in ſchwarzer Kleidung und einem weißen Kragen beſteht. — Beym Disputiren hoͤrt man die Franzoſen das Lateiniſche bey- nahe ſo wie das Franzoͤſiſche ausſprechen, und man hat anfangs Muͤhe, ſie zu verſtehen. Aufmunterung zum Fleiß und zur Lernbegierde ſchei- net an einem Orte nicht noͤthig zu ſeyn, wo ſo viele vor- treffliche Gelegenheiten, in Wiſſenſchaften und Kuͤnſten weit zu kommen, vorhanden ſind. Allein man hat auch jene nicht aus der Acht gelaſſen. Es werden naͤmlich oͤffentliche Pruͤfungen angeſtellt, da die Geſchickteſten Belohnungen bekommen, die in goldnen und ſilbernen Schaumuͤnzen, nebſt gewiſſen Vortheilen und Vorzuͤgen beſtehen. Einem ſolchen Examen wohnte ich einmahl in Saint-Come bey, wo die Studenten wechſelsweiſe einan-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/71>, abgerufen am 24.11.2024.