Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Abtheilung. Vierter Abschnitt.
dagegen sich vergleichen kann, sondern auch, daß zur Er-
lernung der Arzneywissenschaft hier mehr Anstalten vor-
handen sind, als sonst irgendwo. Welch ein Glück wä-
re es, wenn auch alles eben so gut und auf die gehörige
Art beobachtet, bewerkstelliget und ausgeführt würde!
Die Anzahl der Studenten, welche Medicin studiren,
ist auch wohl gewiß an keinem Orte so groß als hier: sie
geht über dreytausend.

Ein sogenanntes schwarzes Bret, wo die Anzei-
gen der zu haltenden Vorlesungen angeschlagen werden,
findet man auf der hiesigen Unwersität nicht. Die Pro-
fessoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih-
ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge-
ben. Und da die Studenten zu jenen sich in den öffent-
lichen Collegien aufschreiben, wird zu diesem Ende bis-
weilen ein förmlicher Aufruf angestellt.

Die Hörsäle sind meistens rund gebauet. Die Bän-
ke machen ein Amphitheater und sind ohne Rücklehne.
In der Mitte steht ein Tisch, an welchem der Professor
sitzt, ungefähr so, wie man es in einem anatomischen
Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thüre steht allezeit ei-
ne Wache, sowohl um Unordnung und Lärm zu verhüten,
als auch um der Handlung mehr Ansehen und Würde zu
geben. Mit Degen oder Hirschfänger wird niemand ein-
gelassen, damit niemand dadurch den andern im Gedrän-
ge hindern oder auch Misbrauch davon machen könne.
Die Thür des Auditoriums wird nicht eher geöffnet, als
bis die Glocke schlägt; manche von den Zuhörern stehen
daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge-
macht wird, um auf einer der untersten und dem Pro-
fessor nächsten Bänke einen bequemen Platz zu bekommen.
Oft wird der Professor mit Händeklatschen begrüßt, so-
wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.


Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
dagegen ſich vergleichen kann, ſondern auch, daß zur Er-
lernung der Arzneywiſſenſchaft hier mehr Anſtalten vor-
handen ſind, als ſonſt irgendwo. Welch ein Gluͤck waͤ-
re es, wenn auch alles eben ſo gut und auf die gehoͤrige
Art beobachtet, bewerkſtelliget und ausgefuͤhrt wuͤrde!
Die Anzahl der Studenten, welche Medicin ſtudiren,
iſt auch wohl gewiß an keinem Orte ſo groß als hier: ſie
geht uͤber dreytauſend.

Ein ſogenanntes ſchwarzes Bret, wo die Anzei-
gen der zu haltenden Vorleſungen angeſchlagen werden,
findet man auf der hieſigen Unwerſitaͤt nicht. Die Pro-
feſſoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih-
ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge-
ben. Und da die Studenten zu jenen ſich in den oͤffent-
lichen Collegien aufſchreiben, wird zu dieſem Ende bis-
weilen ein foͤrmlicher Aufruf angeſtellt.

Die Hoͤrſaͤle ſind meiſtens rund gebauet. Die Baͤn-
ke machen ein Amphitheater und ſind ohne Ruͤcklehne.
In der Mitte ſteht ein Tiſch, an welchem der Profeſſor
ſitzt, ungefaͤhr ſo, wie man es in einem anatomiſchen
Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thuͤre ſteht allezeit ei-
ne Wache, ſowohl um Unordnung und Laͤrm zu verhuͤten,
als auch um der Handlung mehr Anſehen und Wuͤrde zu
geben. Mit Degen oder Hirſchfaͤnger wird niemand ein-
gelaſſen, damit niemand dadurch den andern im Gedraͤn-
ge hindern oder auch Misbrauch davon machen koͤnne.
Die Thuͤr des Auditoriums wird nicht eher geoͤffnet, als
bis die Glocke ſchlaͤgt; manche von den Zuhoͤrern ſtehen
daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge-
macht wird, um auf einer der unterſten und dem Pro-
feſſor naͤchſten Baͤnke einen bequemen Platz zu bekommen.
Oft wird der Profeſſor mit Haͤndeklatſchen begruͤßt, ſo-
wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0070" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;te Abtheilung. Vierter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
dagegen &#x017F;ich vergleichen kann, &#x017F;ondern auch, daß zur Er-<lb/>
lernung der Arzneywi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft hier mehr An&#x017F;talten vor-<lb/>
handen &#x017F;ind, als &#x017F;on&#x017F;t irgendwo. Welch ein Glu&#x0364;ck wa&#x0364;-<lb/>
re es, wenn auch alles eben &#x017F;o gut und auf die geho&#x0364;rige<lb/>
Art beobachtet, bewerk&#x017F;telliget und ausgefu&#x0364;hrt wu&#x0364;rde!<lb/>
Die Anzahl der Studenten, welche Medicin &#x017F;tudiren,<lb/>
i&#x017F;t auch wohl gewiß an keinem Orte &#x017F;o groß als hier: &#x017F;ie<lb/>
geht u&#x0364;ber dreytau&#x017F;end.</p><lb/>
          <p>Ein &#x017F;ogenanntes &#x017F;chwarzes Bret, wo die Anzei-<lb/>
gen der zu haltenden Vorle&#x017F;ungen ange&#x017F;chlagen werden,<lb/>
findet man auf der hie&#x017F;igen Unwer&#x017F;ita&#x0364;t nicht. Die Pro-<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;oren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih-<lb/>
ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge-<lb/>
ben. Und da die Studenten zu jenen &#x017F;ich in den o&#x0364;ffent-<lb/>
lichen Collegien auf&#x017F;chreiben, wird zu die&#x017F;em Ende bis-<lb/>
weilen ein fo&#x0364;rmlicher Aufruf ange&#x017F;tellt.</p><lb/>
          <p>Die Ho&#x0364;r&#x017F;a&#x0364;le &#x017F;ind mei&#x017F;tens rund gebauet. Die Ba&#x0364;n-<lb/>
ke machen ein Amphitheater und &#x017F;ind ohne Ru&#x0364;cklehne.<lb/>
In der Mitte &#x017F;teht ein Ti&#x017F;ch, an welchem der Profe&#x017F;&#x017F;or<lb/>
&#x017F;itzt, ungefa&#x0364;hr &#x017F;o, wie man es in einem anatomi&#x017F;chen<lb/>
Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thu&#x0364;re &#x017F;teht allezeit ei-<lb/>
ne Wache, &#x017F;owohl um Unordnung und La&#x0364;rm zu verhu&#x0364;ten,<lb/>
als auch um der Handlung mehr An&#x017F;ehen und Wu&#x0364;rde zu<lb/>
geben. Mit Degen oder Hir&#x017F;chfa&#x0364;nger wird niemand ein-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en, damit niemand dadurch den andern im Gedra&#x0364;n-<lb/>
ge hindern oder auch Misbrauch davon machen ko&#x0364;nne.<lb/>
Die Thu&#x0364;r des Auditoriums wird nicht eher geo&#x0364;ffnet, als<lb/>
bis die Glocke &#x017F;chla&#x0364;gt; manche von den Zuho&#x0364;rern &#x017F;tehen<lb/>
daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge-<lb/>
macht wird, um auf einer der unter&#x017F;ten und dem Pro-<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;or na&#x0364;ch&#x017F;ten Ba&#x0364;nke einen bequemen Platz zu bekommen.<lb/>
Oft wird der Profe&#x017F;&#x017F;or mit Ha&#x0364;ndeklat&#x017F;chen begru&#x0364;ßt, &#x017F;o-<lb/>
wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0070] Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. dagegen ſich vergleichen kann, ſondern auch, daß zur Er- lernung der Arzneywiſſenſchaft hier mehr Anſtalten vor- handen ſind, als ſonſt irgendwo. Welch ein Gluͤck waͤ- re es, wenn auch alles eben ſo gut und auf die gehoͤrige Art beobachtet, bewerkſtelliget und ausgefuͤhrt wuͤrde! Die Anzahl der Studenten, welche Medicin ſtudiren, iſt auch wohl gewiß an keinem Orte ſo groß als hier: ſie geht uͤber dreytauſend. Ein ſogenanntes ſchwarzes Bret, wo die Anzei- gen der zu haltenden Vorleſungen angeſchlagen werden, findet man auf der hieſigen Unwerſitaͤt nicht. Die Pro- feſſoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih- ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge- ben. Und da die Studenten zu jenen ſich in den oͤffent- lichen Collegien aufſchreiben, wird zu dieſem Ende bis- weilen ein foͤrmlicher Aufruf angeſtellt. Die Hoͤrſaͤle ſind meiſtens rund gebauet. Die Baͤn- ke machen ein Amphitheater und ſind ohne Ruͤcklehne. In der Mitte ſteht ein Tiſch, an welchem der Profeſſor ſitzt, ungefaͤhr ſo, wie man es in einem anatomiſchen Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thuͤre ſteht allezeit ei- ne Wache, ſowohl um Unordnung und Laͤrm zu verhuͤten, als auch um der Handlung mehr Anſehen und Wuͤrde zu geben. Mit Degen oder Hirſchfaͤnger wird niemand ein- gelaſſen, damit niemand dadurch den andern im Gedraͤn- ge hindern oder auch Misbrauch davon machen koͤnne. Die Thuͤr des Auditoriums wird nicht eher geoͤffnet, als bis die Glocke ſchlaͤgt; manche von den Zuhoͤrern ſtehen daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge- macht wird, um auf einer der unterſten und dem Pro- feſſor naͤchſten Baͤnke einen bequemen Platz zu bekommen. Oft wird der Profeſſor mit Haͤndeklatſchen begruͤßt, ſo- wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/70
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/70>, abgerufen am 19.05.2024.