dagegen sich vergleichen kann, sondern auch, daß zur Er- lernung der Arzneywissenschaft hier mehr Anstalten vor- handen sind, als sonst irgendwo. Welch ein Glück wä- re es, wenn auch alles eben so gut und auf die gehörige Art beobachtet, bewerkstelliget und ausgeführt würde! Die Anzahl der Studenten, welche Medicin studiren, ist auch wohl gewiß an keinem Orte so groß als hier: sie geht über dreytausend.
Ein sogenanntes schwarzes Bret, wo die Anzei- gen der zu haltenden Vorlesungen angeschlagen werden, findet man auf der hiesigen Unwersität nicht. Die Pro- fessoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih- ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge- ben. Und da die Studenten zu jenen sich in den öffent- lichen Collegien aufschreiben, wird zu diesem Ende bis- weilen ein förmlicher Aufruf angestellt.
Die Hörsäle sind meistens rund gebauet. Die Bän- ke machen ein Amphitheater und sind ohne Rücklehne. In der Mitte steht ein Tisch, an welchem der Professor sitzt, ungefähr so, wie man es in einem anatomischen Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thüre steht allezeit ei- ne Wache, sowohl um Unordnung und Lärm zu verhüten, als auch um der Handlung mehr Ansehen und Würde zu geben. Mit Degen oder Hirschfänger wird niemand ein- gelassen, damit niemand dadurch den andern im Gedrän- ge hindern oder auch Misbrauch davon machen könne. Die Thür des Auditoriums wird nicht eher geöffnet, als bis die Glocke schlägt; manche von den Zuhörern stehen daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge- macht wird, um auf einer der untersten und dem Pro- fessor nächsten Bänke einen bequemen Platz zu bekommen. Oft wird der Professor mit Händeklatschen begrüßt, so- wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.
Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
dagegen ſich vergleichen kann, ſondern auch, daß zur Er- lernung der Arzneywiſſenſchaft hier mehr Anſtalten vor- handen ſind, als ſonſt irgendwo. Welch ein Gluͤck waͤ- re es, wenn auch alles eben ſo gut und auf die gehoͤrige Art beobachtet, bewerkſtelliget und ausgefuͤhrt wuͤrde! Die Anzahl der Studenten, welche Medicin ſtudiren, iſt auch wohl gewiß an keinem Orte ſo groß als hier: ſie geht uͤber dreytauſend.
Ein ſogenanntes ſchwarzes Bret, wo die Anzei- gen der zu haltenden Vorleſungen angeſchlagen werden, findet man auf der hieſigen Unwerſitaͤt nicht. Die Pro- feſſoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih- ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge- ben. Und da die Studenten zu jenen ſich in den oͤffent- lichen Collegien aufſchreiben, wird zu dieſem Ende bis- weilen ein foͤrmlicher Aufruf angeſtellt.
Die Hoͤrſaͤle ſind meiſtens rund gebauet. Die Baͤn- ke machen ein Amphitheater und ſind ohne Ruͤcklehne. In der Mitte ſteht ein Tiſch, an welchem der Profeſſor ſitzt, ungefaͤhr ſo, wie man es in einem anatomiſchen Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thuͤre ſteht allezeit ei- ne Wache, ſowohl um Unordnung und Laͤrm zu verhuͤten, als auch um der Handlung mehr Anſehen und Wuͤrde zu geben. Mit Degen oder Hirſchfaͤnger wird niemand ein- gelaſſen, damit niemand dadurch den andern im Gedraͤn- ge hindern oder auch Misbrauch davon machen koͤnne. Die Thuͤr des Auditoriums wird nicht eher geoͤffnet, als bis die Glocke ſchlaͤgt; manche von den Zuhoͤrern ſtehen daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge- macht wird, um auf einer der unterſten und dem Pro- feſſor naͤchſten Baͤnke einen bequemen Platz zu bekommen. Oft wird der Profeſſor mit Haͤndeklatſchen begruͤßt, ſo- wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.
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Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
dagegen ſich vergleichen kann, ſondern auch, daß zur Er-
lernung der Arzneywiſſenſchaft hier mehr Anſtalten vor-
handen ſind, als ſonſt irgendwo. Welch ein Gluͤck waͤ-
re es, wenn auch alles eben ſo gut und auf die gehoͤrige
Art beobachtet, bewerkſtelliget und ausgefuͤhrt wuͤrde!
Die Anzahl der Studenten, welche Medicin ſtudiren,
iſt auch wohl gewiß an keinem Orte ſo groß als hier: ſie
geht uͤber dreytauſend.
Ein ſogenanntes ſchwarzes Bret, wo die Anzei-
gen der zu haltenden Vorleſungen angeſchlagen werden,
findet man auf der hieſigen Unwerſitaͤt nicht. Die Pro-
feſſoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih-
ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge-
ben. Und da die Studenten zu jenen ſich in den oͤffent-
lichen Collegien aufſchreiben, wird zu dieſem Ende bis-
weilen ein foͤrmlicher Aufruf angeſtellt.
Die Hoͤrſaͤle ſind meiſtens rund gebauet. Die Baͤn-
ke machen ein Amphitheater und ſind ohne Ruͤcklehne.
In der Mitte ſteht ein Tiſch, an welchem der Profeſſor
ſitzt, ungefaͤhr ſo, wie man es in einem anatomiſchen
Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thuͤre ſteht allezeit ei-
ne Wache, ſowohl um Unordnung und Laͤrm zu verhuͤten,
als auch um der Handlung mehr Anſehen und Wuͤrde zu
geben. Mit Degen oder Hirſchfaͤnger wird niemand ein-
gelaſſen, damit niemand dadurch den andern im Gedraͤn-
ge hindern oder auch Misbrauch davon machen koͤnne.
Die Thuͤr des Auditoriums wird nicht eher geoͤffnet, als
bis die Glocke ſchlaͤgt; manche von den Zuhoͤrern ſtehen
daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge-
macht wird, um auf einer der unterſten und dem Pro-
feſſor naͤchſten Baͤnke einen bequemen Platz zu bekommen.
Oft wird der Profeſſor mit Haͤndeklatſchen begruͤßt, ſo-
wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/70>, abgerufen am 24.11.2024.
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