den Halfterriemen um den einen Fuß, daß sie nicht weg- laufen konnten, und zündeten darauf durch Hülfe unsrer Gewehre ein sehr großes Feuer von Kannastrauch oder blätterleerem Salzkraut (Salsola aphylla) an. Hier- auf lagerten wir uns beym Feuer und machten den Sat- tel zum Kopfkissen, konnten aber vor unausstehlicher Kälte nicht im mindesten schlafen. Die Kälte ist zwar an sich selbst nicht so sehr stark, aber in Vergleichung mit der brennenden Hitze, die wir am Tage ausgestanden hatten, war sie jetzt für uns sehr empfindlich, und nö- thigte uns einigemahl aufzustehen, das Feuer zu schüren und auf allen Seiten uns zu wärmen. Unsre Schießge- wehre hatten auf dieser Reise für uns nun zwar den Nu- tzen, daß wir allezeit Feuer bekommen konnten; aber et- was für unsern Magen zu schießen, dazu hatten wir in dieser Wüste keine Hoffnung. Ich hatte dies vorher be- sorgt, und daher die Vorsicht gebraucht, etwas Zwie- back und einige Stücke Brustzucker in meiner Jagdtasche mitzunehmen, das uns jetzt sehr gut zu Statten kam.
Sobald die Morgenröthe sich zeigte, sahen wir uns nach unsern Pferden um, und siehe, sie waren verschwun- den. Ein neuer Grund der Besorgniß für uns in die- ser großen Einöde, wo unser Schicksal so unsicher war. Wir suchten im Thale allenthalben nach ihnen, fanden sie aber nicht. Darauf stiegen wir auf die höchsten Hü- gel, und erblickten endlich jenseits derselben unsre Pferde, die sich los gemacht hatten, und gewiß deswegen so weit weggegangen waren, um beßre Weide zu bekommen. Wir sattelten, und nahmen den Weg schräge gegen das Gebirge, wo wir endlich gegen Abend auf einem Bauer- hofe ankamen. Zum Unglücke aber war der Besitzer des- selben so arm, daß er kaum mehr als ein Obdach hatte. Demungeachtet waren wir froh, daß wir bey ihm über-
Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
den Halfterriemen um den einen Fuß, daß ſie nicht weg- laufen konnten, und zuͤndeten darauf durch Huͤlfe unſrer Gewehre ein ſehr großes Feuer von Kannaſtrauch oder blaͤtterleerem Salzkraut (Salſola aphylla) an. Hier- auf lagerten wir uns beym Feuer und machten den Sat- tel zum Kopfkiſſen, konnten aber vor unausſtehlicher Kaͤlte nicht im mindeſten ſchlafen. Die Kaͤlte iſt zwar an ſich ſelbſt nicht ſo ſehr ſtark, aber in Vergleichung mit der brennenden Hitze, die wir am Tage ausgeſtanden hatten, war ſie jetzt fuͤr uns ſehr empfindlich, und noͤ- thigte uns einigemahl aufzuſtehen, das Feuer zu ſchuͤren und auf allen Seiten uns zu waͤrmen. Unſre Schießge- wehre hatten auf dieſer Reiſe fuͤr uns nun zwar den Nu- tzen, daß wir allezeit Feuer bekommen konnten; aber et- was fuͤr unſern Magen zu ſchießen, dazu hatten wir in dieſer Wuͤſte keine Hoffnung. Ich hatte dies vorher be- ſorgt, und daher die Vorſicht gebraucht, etwas Zwie- back und einige Stuͤcke Bruſtzucker in meiner Jagdtaſche mitzunehmen, das uns jetzt ſehr gut zu Statten kam.
Sobald die Morgenroͤthe ſich zeigte, ſahen wir uns nach unſern Pferden um, und ſiehe, ſie waren verſchwun- den. Ein neuer Grund der Beſorgniß fuͤr uns in die- ſer großen Einoͤde, wo unſer Schickſal ſo unſicher war. Wir ſuchten im Thale allenthalben nach ihnen, fanden ſie aber nicht. Darauf ſtiegen wir auf die hoͤchſten Huͤ- gel, und erblickten endlich jenſeits derſelben unſre Pferde, die ſich los gemacht hatten, und gewiß deswegen ſo weit weggegangen waren, um beßre Weide zu bekommen. Wir ſattelten, und nahmen den Weg ſchraͤge gegen das Gebirge, wo wir endlich gegen Abend auf einem Bauer- hofe ankamen. Zum Ungluͤcke aber war der Beſitzer deſ- ſelben ſo arm, daß er kaum mehr als ein Obdach hatte. Demungeachtet waren wir froh, daß wir bey ihm uͤber-
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0429"n="91"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Ruͤckreiſe v. <placeName>Sonntagsfluſſe</placeName> nach der <placeName>Capſtadt</placeName>.</hi></fw><lb/>
den Halfterriemen um den einen Fuß, daß ſie nicht weg-<lb/>
laufen konnten, und zuͤndeten darauf durch Huͤlfe unſrer<lb/>
Gewehre ein ſehr großes Feuer von Kannaſtrauch oder<lb/>
blaͤtterleerem Salzkraut (<hirendition="#aq">Salſola aphylla</hi>) an. Hier-<lb/>
auf lagerten wir uns beym Feuer und machten den Sat-<lb/>
tel zum Kopfkiſſen, konnten aber vor unausſtehlicher<lb/>
Kaͤlte nicht im mindeſten ſchlafen. Die Kaͤlte iſt zwar<lb/>
an ſich ſelbſt nicht ſo ſehr ſtark, aber in Vergleichung mit<lb/>
der brennenden Hitze, die wir am Tage ausgeſtanden<lb/>
hatten, war ſie jetzt fuͤr uns ſehr empfindlich, und noͤ-<lb/>
thigte uns einigemahl aufzuſtehen, das Feuer zu ſchuͤren<lb/>
und auf allen Seiten uns zu waͤrmen. Unſre Schießge-<lb/>
wehre hatten auf dieſer Reiſe fuͤr uns nun zwar den Nu-<lb/>
tzen, daß wir allezeit Feuer bekommen konnten; aber et-<lb/>
was fuͤr unſern Magen zu ſchießen, dazu hatten wir in<lb/>
dieſer Wuͤſte keine Hoffnung. Ich hatte dies vorher be-<lb/>ſorgt, und daher die Vorſicht gebraucht, etwas Zwie-<lb/>
back und einige Stuͤcke Bruſtzucker in meiner Jagdtaſche<lb/>
mitzunehmen, das uns jetzt ſehr gut zu Statten kam.</p><lb/><p>Sobald die Morgenroͤthe ſich zeigte, ſahen wir uns<lb/>
nach unſern Pferden um, und ſiehe, ſie waren verſchwun-<lb/>
den. Ein neuer Grund der Beſorgniß fuͤr uns in die-<lb/>ſer großen Einoͤde, wo unſer Schickſal ſo unſicher war.<lb/>
Wir ſuchten im Thale allenthalben nach ihnen, fanden<lb/>ſie aber nicht. Darauf ſtiegen wir auf die hoͤchſten Huͤ-<lb/>
gel, und erblickten endlich jenſeits derſelben unſre Pferde,<lb/>
die ſich los gemacht hatten, und gewiß deswegen ſo weit<lb/>
weggegangen waren, um beßre Weide zu bekommen.<lb/>
Wir ſattelten, und nahmen den Weg ſchraͤge gegen das<lb/>
Gebirge, wo wir endlich gegen Abend auf einem Bauer-<lb/>
hofe ankamen. Zum Ungluͤcke aber war der Beſitzer deſ-<lb/>ſelben ſo arm, daß er kaum mehr als ein Obdach hatte.<lb/>
Demungeachtet waren wir froh, daß wir bey ihm uͤber-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[91/0429]
Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
den Halfterriemen um den einen Fuß, daß ſie nicht weg-
laufen konnten, und zuͤndeten darauf durch Huͤlfe unſrer
Gewehre ein ſehr großes Feuer von Kannaſtrauch oder
blaͤtterleerem Salzkraut (Salſola aphylla) an. Hier-
auf lagerten wir uns beym Feuer und machten den Sat-
tel zum Kopfkiſſen, konnten aber vor unausſtehlicher
Kaͤlte nicht im mindeſten ſchlafen. Die Kaͤlte iſt zwar
an ſich ſelbſt nicht ſo ſehr ſtark, aber in Vergleichung mit
der brennenden Hitze, die wir am Tage ausgeſtanden
hatten, war ſie jetzt fuͤr uns ſehr empfindlich, und noͤ-
thigte uns einigemahl aufzuſtehen, das Feuer zu ſchuͤren
und auf allen Seiten uns zu waͤrmen. Unſre Schießge-
wehre hatten auf dieſer Reiſe fuͤr uns nun zwar den Nu-
tzen, daß wir allezeit Feuer bekommen konnten; aber et-
was fuͤr unſern Magen zu ſchießen, dazu hatten wir in
dieſer Wuͤſte keine Hoffnung. Ich hatte dies vorher be-
ſorgt, und daher die Vorſicht gebraucht, etwas Zwie-
back und einige Stuͤcke Bruſtzucker in meiner Jagdtaſche
mitzunehmen, das uns jetzt ſehr gut zu Statten kam.
Sobald die Morgenroͤthe ſich zeigte, ſahen wir uns
nach unſern Pferden um, und ſiehe, ſie waren verſchwun-
den. Ein neuer Grund der Beſorgniß fuͤr uns in die-
ſer großen Einoͤde, wo unſer Schickſal ſo unſicher war.
Wir ſuchten im Thale allenthalben nach ihnen, fanden
ſie aber nicht. Darauf ſtiegen wir auf die hoͤchſten Huͤ-
gel, und erblickten endlich jenſeits derſelben unſre Pferde,
die ſich los gemacht hatten, und gewiß deswegen ſo weit
weggegangen waren, um beßre Weide zu bekommen.
Wir ſattelten, und nahmen den Weg ſchraͤge gegen das
Gebirge, wo wir endlich gegen Abend auf einem Bauer-
hofe ankamen. Zum Ungluͤcke aber war der Beſitzer deſ-
ſelben ſo arm, daß er kaum mehr als ein Obdach hatte.
Demungeachtet waren wir froh, daß wir bey ihm uͤber-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/429>, abgerufen am 10.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.