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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Reise v. Camtous- bis zum Sonntagsflusse.
der still. Des Abends und Nachts aber ist die Zeit,
da diejenigen, welche Kräuter, Gras, Laub und der-
gleichen fressen, in der Kühlung auf die Weide gehen,
und da denn auch die Löwen und andre Raubthiere sich
hervor machen, um von jenen ihre Nahrung zu suchen.
Der Löwe kann zwar den Büffelochsen nicht mit Gewalt
angreifen; aber er bedient sich aller seiner List dazu. Er
legt sich in einen Busch oder dickes Gesträuch versteckt
auf die Lauer; am liebsten wählt er diesen Hinterhalt an
Bächen, wohin die Büffel kommen, um zu saufen.
Alsdann springt er ihm mit der größten Behendigkeit auf
den Rücken, beißt ihn mit seinen schrecklichen Zähnen
in den Nacken, und zerfleischt ihm die Seiten mit den
Klauen, bis er entkräftet wird und zu Boden fällt.

Am folgenden Morgen ging ich zwar aus, um zu
sehen, ob die Baumarten, welche die Waldungen die-
ses Landes ausmachen, schon Blumen hätten; allein ich
fand, daß es dazu noch nicht Sommer genug war. Auch
war der Wald so zackig und in einander gewachsen, daß
man fast gar nicht durchkommen konnte. Ueberdem
war es um der wilden Thiere willen gefährlich, tief ein-
zudringen. Meine botanische Bemühung war also dies-
mahl vergeblich.

Bey den Wasserplätzen, sowohl hier als wo wir
sonst in dieser ungeheuren Wildniß Wälder antrafen,
sahen wir nicht nur frische Spuren von Büffeln, son-
dern auch sowohl Spuren als Losung von Elefanten,
Rhinoceros und andern Thieren. Auf dem freyen Felde
fanden wir gestreifte Pferde und Esel (Equus Zebra
und Quagga), Hirschthiere (Capra dorcas), Kudu
(Capra strepficeros) und andre Thiere.

Weil wir hier nichts weiter zu thun hatten, schirr-
ten wir zum Aufbruche an, und reiseten zum Schwarz-

Reiſe v. Camtous- bis zum Sonntagsfluſſe.
der ſtill. Des Abends und Nachts aber iſt die Zeit,
da diejenigen, welche Kraͤuter, Gras, Laub und der-
gleichen freſſen, in der Kuͤhlung auf die Weide gehen,
und da denn auch die Loͤwen und andre Raubthiere ſich
hervor machen, um von jenen ihre Nahrung zu ſuchen.
Der Loͤwe kann zwar den Buͤffelochſen nicht mit Gewalt
angreifen; aber er bedient ſich aller ſeiner Liſt dazu. Er
legt ſich in einen Buſch oder dickes Geſtraͤuch verſteckt
auf die Lauer; am liebſten waͤhlt er dieſen Hinterhalt an
Baͤchen, wohin die Buͤffel kommen, um zu ſaufen.
Alsdann ſpringt er ihm mit der groͤßten Behendigkeit auf
den Ruͤcken, beißt ihn mit ſeinen ſchrecklichen Zaͤhnen
in den Nacken, und zerfleiſcht ihm die Seiten mit den
Klauen, bis er entkraͤftet wird und zu Boden faͤllt.

Am folgenden Morgen ging ich zwar aus, um zu
ſehen, ob die Baumarten, welche die Waldungen die-
ſes Landes ausmachen, ſchon Blumen haͤtten; allein ich
fand, daß es dazu noch nicht Sommer genug war. Auch
war der Wald ſo zackig und in einander gewachſen, daß
man faſt gar nicht durchkommen konnte. Ueberdem
war es um der wilden Thiere willen gefaͤhrlich, tief ein-
zudringen. Meine botaniſche Bemuͤhung war alſo dies-
mahl vergeblich.

Bey den Waſſerplaͤtzen, ſowohl hier als wo wir
ſonſt in dieſer ungeheuren Wildniß Waͤlder antrafen,
ſahen wir nicht nur friſche Spuren von Buͤffeln, ſon-
dern auch ſowohl Spuren als Loſung von Elefanten,
Rhinoceros und andern Thieren. Auf dem freyen Felde
fanden wir geſtreifte Pferde und Eſel (Equus Zebra
und Quagga), Hirſchthiere (Capra dorcas), Kudu
(Capra ſtrepficeros) und andre Thiere.

Weil wir hier nichts weiter zu thun hatten, ſchirr-
ten wir zum Aufbruche an, und reiſeten zum Schwarz-

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[77/0415] Reiſe v. Camtous- bis zum Sonntagsfluſſe. der ſtill. Des Abends und Nachts aber iſt die Zeit, da diejenigen, welche Kraͤuter, Gras, Laub und der- gleichen freſſen, in der Kuͤhlung auf die Weide gehen, und da denn auch die Loͤwen und andre Raubthiere ſich hervor machen, um von jenen ihre Nahrung zu ſuchen. Der Loͤwe kann zwar den Buͤffelochſen nicht mit Gewalt angreifen; aber er bedient ſich aller ſeiner Liſt dazu. Er legt ſich in einen Buſch oder dickes Geſtraͤuch verſteckt auf die Lauer; am liebſten waͤhlt er dieſen Hinterhalt an Baͤchen, wohin die Buͤffel kommen, um zu ſaufen. Alsdann ſpringt er ihm mit der groͤßten Behendigkeit auf den Ruͤcken, beißt ihn mit ſeinen ſchrecklichen Zaͤhnen in den Nacken, und zerfleiſcht ihm die Seiten mit den Klauen, bis er entkraͤftet wird und zu Boden faͤllt. Am folgenden Morgen ging ich zwar aus, um zu ſehen, ob die Baumarten, welche die Waldungen die- ſes Landes ausmachen, ſchon Blumen haͤtten; allein ich fand, daß es dazu noch nicht Sommer genug war. Auch war der Wald ſo zackig und in einander gewachſen, daß man faſt gar nicht durchkommen konnte. Ueberdem war es um der wilden Thiere willen gefaͤhrlich, tief ein- zudringen. Meine botaniſche Bemuͤhung war alſo dies- mahl vergeblich. Bey den Waſſerplaͤtzen, ſowohl hier als wo wir ſonſt in dieſer ungeheuren Wildniß Waͤlder antrafen, ſahen wir nicht nur friſche Spuren von Buͤffeln, ſon- dern auch ſowohl Spuren als Loſung von Elefanten, Rhinoceros und andern Thieren. Auf dem freyen Felde fanden wir geſtreifte Pferde und Eſel (Equus Zebra und Quagga), Hirſchthiere (Capra dorcas), Kudu (Capra ſtrepficeros) und andre Thiere. Weil wir hier nichts weiter zu thun hatten, ſchirr- ten wir zum Aufbruche an, und reiſeten zum Schwarz-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/415>, abgerufen am 23.07.2024.