Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Abtheilung. Zweyter Abschnitt.
einmahl ein feines baumwollnes Hemd auf dem Leibe, am
wenigsten auf den Schultern, welche der Sonnenhitze
am meisten ausgesetzt gewesen waren, leiden konnte, ehe
ich mit süßem Rohm mich geschmiert und die verbrannte
Haut erweicht hatte.

Unser Wirth, der oben genannte Meyer, war ein
alter biedrer Mann, ein gebohrner Europäer, und einer
der tüchtigsten Schützen im Lande. Er hatte verschiedne-
mahl weite Reisen nach der Küste der Kaffern gemacht,
um Elefanten zu schießen, durch deren Zähne er zu dem
Besitze eines ziemlichen Vermögens gelangt war, worauf er
sich diese schöne und vortheilhafte Stelle am Seekuhberge
zum Wohnplatze und Anbauorte gewählt hatte. Er er-
zählte mir verschiednes, wovon er Augenzeuge gewesen
war, und das ein Reisender in diesen Gegenden auch
bey der größten Sorgfalt nur sehr selten zu bemerken Ge-
legenheit hat. Dahin rechne ich folgendes: Einmahl wur-
de er auf einem seiner Jagdzüge eine sogenannte Seekuh
(Nilpferd, Hippopotamus amphibius) gewahr, die eine
Strecke vom Flusse abwärts gegangen war, um ihr Jun-
ges zu werfen. Er kroch mit seinem Gefährten in ein
Gebüsch, und hielt sich da ganz still und unsichtbar, bis
das Junge sich zeigte. Hierauf schoß er nach der Mut-
ter, traf auch so gut, daß sie auf dem Platze todt liegen
blieb. Die Hottentotten, welche er bey sich hatte,
wollten das Junge lebendig fangen, und liefen hinzu,
um es fest zu halten. Obgleich ihrer aber mehrere wa-
ren, gelang ihnen dies so wenig, daß das Junge, wel-
ches vor einigen Augenblicken erst aus Mutterleibe ge-
kommen, und noch ganz glatt und schlüpfrig war, ih-
nen entwischte, und gerades Weges nach dem Flusse
zulief, ohne den geringsten Unterricht von der Mutter,
weder in Ansehung des Weges zum Flusse, noch dieses

Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
einmahl ein feines baumwollnes Hemd auf dem Leibe, am
wenigſten auf den Schultern, welche der Sonnenhitze
am meiſten ausgeſetzt geweſen waren, leiden konnte, ehe
ich mit ſuͤßem Rohm mich geſchmiert und die verbrannte
Haut erweicht hatte.

Unſer Wirth, der oben genannte Meyer, war ein
alter biedrer Mann, ein gebohrner Europaͤer, und einer
der tuͤchtigſten Schuͤtzen im Lande. Er hatte verſchiedne-
mahl weite Reiſen nach der Kuͤſte der Kaffern gemacht,
um Elefanten zu ſchießen, durch deren Zaͤhne er zu dem
Beſitze eines ziemlichen Vermoͤgens gelangt war, worauf er
ſich dieſe ſchoͤne und vortheilhafte Stelle am Seekuhberge
zum Wohnplatze und Anbauorte gewaͤhlt hatte. Er er-
zaͤhlte mir verſchiednes, wovon er Augenzeuge geweſen
war, und das ein Reiſender in dieſen Gegenden auch
bey der groͤßten Sorgfalt nur ſehr ſelten zu bemerken Ge-
legenheit hat. Dahin rechne ich folgendes: Einmahl wur-
de er auf einem ſeiner Jagdzuͤge eine ſogenannte Seekuh
(Nilpferd, Hippopotamus amphibius) gewahr, die eine
Strecke vom Fluſſe abwaͤrts gegangen war, um ihr Jun-
ges zu werfen. Er kroch mit ſeinem Gefaͤhrten in ein
Gebuͤſch, und hielt ſich da ganz ſtill und unſichtbar, bis
das Junge ſich zeigte. Hierauf ſchoß er nach der Mut-
ter, traf auch ſo gut, daß ſie auf dem Platze todt liegen
blieb. Die Hottentotten, welche er bey ſich hatte,
wollten das Junge lebendig fangen, und liefen hinzu,
um es feſt zu halten. Obgleich ihrer aber mehrere wa-
ren, gelang ihnen dies ſo wenig, daß das Junge, wel-
ches vor einigen Augenblicken erſt aus Mutterleibe ge-
kommen, und noch ganz glatt und ſchluͤpfrig war, ih-
nen entwiſchte, und gerades Weges nach dem Fluſſe
zulief, ohne den geringſten Unterricht von der Mutter,
weder in Anſehung des Weges zum Fluſſe, noch dieſes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0394" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;te Abtheilung. Zweyter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
einmahl ein feines baumwollnes Hemd auf dem Leibe, am<lb/>
wenig&#x017F;ten auf den Schultern, welche der Sonnenhitze<lb/>
am mei&#x017F;ten ausge&#x017F;etzt gewe&#x017F;en waren, leiden konnte, ehe<lb/>
ich mit &#x017F;u&#x0364;ßem Rohm mich ge&#x017F;chmiert und die verbrannte<lb/>
Haut erweicht hatte.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;er Wirth, der oben genannte <persName>Meyer</persName>, war ein<lb/>
alter biedrer Mann, ein gebohrner Europa&#x0364;er, und einer<lb/>
der tu&#x0364;chtig&#x017F;ten Schu&#x0364;tzen im Lande. Er hatte ver&#x017F;chiedne-<lb/>
mahl weite Rei&#x017F;en nach der Ku&#x0364;&#x017F;te der Kaffern gemacht,<lb/>
um Elefanten zu &#x017F;chießen, durch deren Za&#x0364;hne er zu dem<lb/>
Be&#x017F;itze eines ziemlichen Vermo&#x0364;gens gelangt war, worauf er<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne und vortheilhafte Stelle am <placeName>Seekuhberge</placeName><lb/>
zum Wohnplatze und Anbauorte gewa&#x0364;hlt hatte. Er er-<lb/>
za&#x0364;hlte mir ver&#x017F;chiednes, wovon er Augenzeuge gewe&#x017F;en<lb/>
war, und das ein Rei&#x017F;ender in die&#x017F;en Gegenden auch<lb/>
bey der gro&#x0364;ßten Sorgfalt nur &#x017F;ehr &#x017F;elten zu bemerken Ge-<lb/>
legenheit hat. Dahin rechne ich folgendes: Einmahl wur-<lb/>
de er auf einem &#x017F;einer Jagdzu&#x0364;ge eine &#x017F;ogenannte Seekuh<lb/>
(Nilpferd, <hi rendition="#aq">Hippopotamus amphibius</hi>) gewahr, die eine<lb/>
Strecke vom Flu&#x017F;&#x017F;e abwa&#x0364;rts gegangen war, um ihr Jun-<lb/>
ges zu werfen. Er kroch mit &#x017F;einem Gefa&#x0364;hrten in ein<lb/>
Gebu&#x0364;&#x017F;ch, und hielt &#x017F;ich da ganz &#x017F;till und un&#x017F;ichtbar, bis<lb/>
das Junge &#x017F;ich zeigte. Hierauf &#x017F;choß er nach der Mut-<lb/>
ter, traf auch &#x017F;o gut, daß &#x017F;ie auf dem Platze todt liegen<lb/>
blieb. Die Hottentotten, welche er bey &#x017F;ich hatte,<lb/>
wollten das Junge lebendig fangen, und liefen hinzu,<lb/>
um es fe&#x017F;t zu halten. Obgleich ihrer aber mehrere wa-<lb/>
ren, gelang ihnen dies &#x017F;o wenig, daß das Junge, wel-<lb/>
ches vor einigen Augenblicken er&#x017F;t aus Mutterleibe ge-<lb/>
kommen, und noch ganz glatt und &#x017F;chlu&#x0364;pfrig war, ih-<lb/>
nen entwi&#x017F;chte, und gerades Weges nach dem Flu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zulief, ohne den gering&#x017F;ten Unterricht von der Mutter,<lb/>
weder in An&#x017F;ehung des Weges zum Flu&#x017F;&#x017F;e, noch die&#x017F;es<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0394] Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. einmahl ein feines baumwollnes Hemd auf dem Leibe, am wenigſten auf den Schultern, welche der Sonnenhitze am meiſten ausgeſetzt geweſen waren, leiden konnte, ehe ich mit ſuͤßem Rohm mich geſchmiert und die verbrannte Haut erweicht hatte. Unſer Wirth, der oben genannte Meyer, war ein alter biedrer Mann, ein gebohrner Europaͤer, und einer der tuͤchtigſten Schuͤtzen im Lande. Er hatte verſchiedne- mahl weite Reiſen nach der Kuͤſte der Kaffern gemacht, um Elefanten zu ſchießen, durch deren Zaͤhne er zu dem Beſitze eines ziemlichen Vermoͤgens gelangt war, worauf er ſich dieſe ſchoͤne und vortheilhafte Stelle am Seekuhberge zum Wohnplatze und Anbauorte gewaͤhlt hatte. Er er- zaͤhlte mir verſchiednes, wovon er Augenzeuge geweſen war, und das ein Reiſender in dieſen Gegenden auch bey der groͤßten Sorgfalt nur ſehr ſelten zu bemerken Ge- legenheit hat. Dahin rechne ich folgendes: Einmahl wur- de er auf einem ſeiner Jagdzuͤge eine ſogenannte Seekuh (Nilpferd, Hippopotamus amphibius) gewahr, die eine Strecke vom Fluſſe abwaͤrts gegangen war, um ihr Jun- ges zu werfen. Er kroch mit ſeinem Gefaͤhrten in ein Gebuͤſch, und hielt ſich da ganz ſtill und unſichtbar, bis das Junge ſich zeigte. Hierauf ſchoß er nach der Mut- ter, traf auch ſo gut, daß ſie auf dem Platze todt liegen blieb. Die Hottentotten, welche er bey ſich hatte, wollten das Junge lebendig fangen, und liefen hinzu, um es feſt zu halten. Obgleich ihrer aber mehrere wa- ren, gelang ihnen dies ſo wenig, daß das Junge, wel- ches vor einigen Augenblicken erſt aus Mutterleibe ge- kommen, und noch ganz glatt und ſchluͤpfrig war, ih- nen entwiſchte, und gerades Weges nach dem Fluſſe zulief, ohne den geringſten Unterricht von der Mutter, weder in Anſehung des Weges zum Fluſſe, noch dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/394
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/394>, abgerufen am 25.11.2024.