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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Reise v. Zwellendam bis zum Camtousflusse.
Rettungsmittels bekommen zu haben. -- Von den Ele-
fanten erzählte er, daß das Weibchen sich bey der Begat-
tung auf die Knie legt, und das Männchen also nie das
Weibchen bespringen kann, außer wenn dieses Brunst
empfindet. -- Von den Löwen, ihren Sitten und Ei-
genschaften, auch der Löwenjagd, wußte er vieles aus eig-
ner Erfahrung. Ich gab mir viel Mühe, mich auch
durch ihn davon zu belehren, weil ich Willens war, jetzt
eine Zeit lang ein Land zu durchwandern, wo der Him-
mel mein Dach, und ein offnes mit wilden Thieren an-
gefülltes Feld meine Lagerstätte seyn würde, und wobey
es einem Reisenden überaus wichtig ist, die Gemüths-
art, und Natur derjenigen Thiere zu kennen, vor denen
er sich sorgfältig in Acht zu nehmen hat. Die Löwen
liegen manchmahl in einem Busche, ohne sich zu bewe-
gen, wenn ein Mensch vorbey geht, wofern dieser nur
thut, als wenn er sie nicht bemerke. Sie springen auch
wohl auf, ohne Leides zu thun, wenn man nur still ste-
hen bleibt, und nicht anfängt zu laufen. Ist der Löwe
hungrig, so ist er schon gefährlicher und weniger schonend.
Menschen fällt er aber auch alsdann doch nicht gern an.
Ueberhaupt stellt er eine genaue Wahl unter dem an,
was er anfallen kann. Hunde frißt er lieber als Ochsen
und Kühe, und Hottentotten viel lieber als andre Men-
schen. Dies letztere kommt vermuthlich daher, weil die
Hottentotten, da sie sich so stark beschmieren, allezeit
stinken, und dabey ihre Säfte nicht so scharf sind, in-
dem sie nie Salz oder Gewürz gebrauchen. Auch macht
er sich lieber an einen Hottentotten oder Sklaven, als
an aufgehängtes Büffelochsenfleisch. Unserm Wirthe
war es einmahl des Nachts so ergangen, daß ein Löwe,
anstatt zu dem Fleische, das bey der Lagerstelle aufge-
hängt war, zu greifen, dasselbe vorbeyging, und ei-

Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
Rettungsmittels bekommen zu haben. — Von den Ele-
fanten erzaͤhlte er, daß das Weibchen ſich bey der Begat-
tung auf die Knie legt, und das Maͤnnchen alſo nie das
Weibchen beſpringen kann, außer wenn dieſes Brunſt
empfindet. — Von den Loͤwen, ihren Sitten und Ei-
genſchaften, auch der Loͤwenjagd, wußte er vieles aus eig-
ner Erfahrung. Ich gab mir viel Muͤhe, mich auch
durch ihn davon zu belehren, weil ich Willens war, jetzt
eine Zeit lang ein Land zu durchwandern, wo der Him-
mel mein Dach, und ein offnes mit wilden Thieren an-
gefuͤlltes Feld meine Lagerſtaͤtte ſeyn wuͤrde, und wobey
es einem Reiſenden uͤberaus wichtig iſt, die Gemuͤths-
art, und Natur derjenigen Thiere zu kennen, vor denen
er ſich ſorgfaͤltig in Acht zu nehmen hat. Die Loͤwen
liegen manchmahl in einem Buſche, ohne ſich zu bewe-
gen, wenn ein Menſch vorbey geht, wofern dieſer nur
thut, als wenn er ſie nicht bemerke. Sie ſpringen auch
wohl auf, ohne Leides zu thun, wenn man nur ſtill ſte-
hen bleibt, und nicht anfaͤngt zu laufen. Iſt der Loͤwe
hungrig, ſo iſt er ſchon gefaͤhrlicher und weniger ſchonend.
Menſchen faͤllt er aber auch alsdann doch nicht gern an.
Ueberhaupt ſtellt er eine genaue Wahl unter dem an,
was er anfallen kann. Hunde frißt er lieber als Ochſen
und Kuͤhe, und Hottentotten viel lieber als andre Men-
ſchen. Dies letztere kommt vermuthlich daher, weil die
Hottentotten, da ſie ſich ſo ſtark beſchmieren, allezeit
ſtinken, und dabey ihre Saͤfte nicht ſo ſcharf ſind, in-
dem ſie nie Salz oder Gewuͤrz gebrauchen. Auch macht
er ſich lieber an einen Hottentotten oder Sklaven, als
an aufgehaͤngtes Buͤffelochſenfleiſch. Unſerm Wirthe
war es einmahl des Nachts ſo ergangen, daß ein Loͤwe,
anſtatt zu dem Fleiſche, das bey der Lagerſtelle aufge-
haͤngt war, zu greifen, daſſelbe vorbeyging, und ei-

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[57/0395] Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe. Rettungsmittels bekommen zu haben. — Von den Ele- fanten erzaͤhlte er, daß das Weibchen ſich bey der Begat- tung auf die Knie legt, und das Maͤnnchen alſo nie das Weibchen beſpringen kann, außer wenn dieſes Brunſt empfindet. — Von den Loͤwen, ihren Sitten und Ei- genſchaften, auch der Loͤwenjagd, wußte er vieles aus eig- ner Erfahrung. Ich gab mir viel Muͤhe, mich auch durch ihn davon zu belehren, weil ich Willens war, jetzt eine Zeit lang ein Land zu durchwandern, wo der Him- mel mein Dach, und ein offnes mit wilden Thieren an- gefuͤlltes Feld meine Lagerſtaͤtte ſeyn wuͤrde, und wobey es einem Reiſenden uͤberaus wichtig iſt, die Gemuͤths- art, und Natur derjenigen Thiere zu kennen, vor denen er ſich ſorgfaͤltig in Acht zu nehmen hat. Die Loͤwen liegen manchmahl in einem Buſche, ohne ſich zu bewe- gen, wenn ein Menſch vorbey geht, wofern dieſer nur thut, als wenn er ſie nicht bemerke. Sie ſpringen auch wohl auf, ohne Leides zu thun, wenn man nur ſtill ſte- hen bleibt, und nicht anfaͤngt zu laufen. Iſt der Loͤwe hungrig, ſo iſt er ſchon gefaͤhrlicher und weniger ſchonend. Menſchen faͤllt er aber auch alsdann doch nicht gern an. Ueberhaupt ſtellt er eine genaue Wahl unter dem an, was er anfallen kann. Hunde frißt er lieber als Ochſen und Kuͤhe, und Hottentotten viel lieber als andre Men- ſchen. Dies letztere kommt vermuthlich daher, weil die Hottentotten, da ſie ſich ſo ſtark beſchmieren, allezeit ſtinken, und dabey ihre Saͤfte nicht ſo ſcharf ſind, in- dem ſie nie Salz oder Gewuͤrz gebrauchen. Auch macht er ſich lieber an einen Hottentotten oder Sklaven, als an aufgehaͤngtes Buͤffelochſenfleiſch. Unſerm Wirthe war es einmahl des Nachts ſo ergangen, daß ein Loͤwe, anſtatt zu dem Fleiſche, das bey der Lagerſtelle aufge- haͤngt war, zu greifen, daſſelbe vorbeyging, und ei-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/395>, abgerufen am 22.11.2024.