aus dem Wege zu schaffen. Mit gegen- wärtigem Geiste, o wie liebenswürdig! er- griff sie ihn, zerquetschte seinen durchsichti- gen Cavalier und das Posthorn, und klein gedrückt, wie eine übelschmeckende Pille, warf sie ihn hurtig unter das Bette; Aber wie dauerte ihr nicht der wohlgeschriebene Brief, als nur der nachbarliche Herr Pa- stor zur Kammerthüre hereintrat. Einen solchen Wechsel von heftigem Schrecken und stiller Betrübniß empfand einst der freygeistische Desbarraux, als er sich zur Fastenzeit einen Eyerkuchen erlaubte: Schon hatte sein erzkatholischer Diener, blaß wie der Tod, das verbothene Gericht auf die einsame Tafel gesetzt, als ein geschwindes Gewitter am Himmel heraufzog, und ein erschrecklicher Schlag die näschichte Seele betäubte, und ihm den ersten Bissen im Munde zu Galle verwandelte. Was das für ein Lärmen um einen Eyerkuchen ist!
schrie
aus dem Wege zu ſchaffen. Mit gegen- waͤrtigem Geiſte, o wie liebenswuͤrdig! er- griff ſie ihn, zerquetſchte ſeinen durchſichti- gen Cavalier und das Poſthorn, und klein gedruͤckt, wie eine uͤbelſchmeckende Pille, warf ſie ihn hurtig unter das Bette; Aber wie dauerte ihr nicht der wohlgeſchriebene Brief, als nur der nachbarliche Herr Pa- ſtor zur Kammerthuͤre hereintrat. Einen ſolchen Wechſel von heftigem Schrecken und ſtiller Betruͤbniß empfand einſt der freygeiſtiſche Desbarraux, als er ſich zur Faſtenzeit einen Eyerkuchen erlaubte: Schon hatte ſein erzkatholiſcher Diener, blaß wie der Tod, das verbothene Gericht auf die einſame Tafel geſetzt, als ein geſchwindes Gewitter am Himmel heraufzog, und ein erſchrecklicher Schlag die naͤſchichte Seele betaͤubte, und ihm den erſten Biſſen im Munde zu Galle verwandelte. Was das fuͤr ein Laͤrmen um einen Eyerkuchen iſt!
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aus dem Wege zu ſchaffen. Mit gegen-
waͤrtigem Geiſte, o wie liebenswuͤrdig! er-
griff ſie ihn, zerquetſchte ſeinen durchſichti-
gen Cavalier und das Poſthorn, und klein
gedruͤckt, wie eine uͤbelſchmeckende Pille,
warf ſie ihn hurtig unter das Bette; Aber
wie dauerte ihr nicht der wohlgeſchriebene
Brief, als nur der nachbarliche Herr Pa-
ſtor zur Kammerthuͤre hereintrat. Einen
ſolchen Wechſel von heftigem Schrecken
und ſtiller Betruͤbniß empfand einſt der
freygeiſtiſche Desbarraux, als er ſich zur
Faſtenzeit einen Eyerkuchen erlaubte: Schon
hatte ſein erzkatholiſcher Diener, blaß wie
der Tod, das verbothene Gericht auf die
einſame Tafel geſetzt, als ein geſchwindes
Gewitter am Himmel heraufzog, und ein
erſchrecklicher Schlag die naͤſchichte Seele
betaͤubte, und ihm den erſten Biſſen im
Munde zu Galle verwandelte. Was das
fuͤr ein Laͤrmen um einen Eyerkuchen iſt!
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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/60>, abgerufen am 08.07.2024.
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