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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Religion nicht seelig werden könne, dessen Gegentheil aber in Beantwortung der ersten Frage von mir sattsam gezeiget worden, auch der Autor selbst pag. 276. solches gestehet. Ich finde auch bey dieser petitione principii nichts, das der Autor zu Vertheydigung desselben angeführet, als daß er soviel zu verstehen giebt, wie er dafür halte, daß zwar ein gebohrner Catholicke wohl könne seelig werden, aber ein übertretender Lutheraner nicht, weil er ein Heuchler sey. Aber auch dieses Vorgeben ist eine neue petitio principii, und zeiget der Autor gnugsam, daß er keinen deutlichen Concept von dem, was eigentlich ein Heuchler sey, habe. Hiernechst dichtet er mir p. 279. einen falschen Sinn an, wenn er supponiret, als hätte ich die Religion als ein Etats-Mittel angesehen, item ich hätte einen solchen Menschen supponiret, der in seinen Gewissen überzeugt wäre, daß er in der geänderten Religion nicht seelig werden könne. Er irret pag. 281. sehr, wenn er den guten Nicodemum für einen falschen Heuchler hält, da doch der Heyland ihm dieses Laster nicht, wie dem gemeinen Hauffen der Pharisäer vorgerückt, auch die übrige Conduite des ehrlichen Nicodemi, davon der H. Johannes meldet, genugsam bezeuget, daß er nichts weniger als ein Pharisäischer Heuchler gewesen. Und gewiß diejenigen, die mit dem Aussatz der orthodoxen Ketzermacherey inficiret sind, haben vielmehr Ursach sich selbst zu prüffen, ob sie nicht selbst mit einer Pharisäischen Heucheley angestecket sind, ohnerachtet sie meynen, sie thäten GOtt einen Dienst daran. Solchergestalt fällt ex hactenus dictis auch von sich selbst weg, wenn der Autor p. 282. den Ubertritt zur Päbstlichen Religion deswegen für verdammlich hält, weil er contra conscientiam sündigte, ingleichen wenn er wider meinen 20. num. (pag. 17. dieses vierdten Theils) wiederum nur schlechtweg p. 284. contradiciret, es müsse allerdings das dictum: non sunt facienda mala, ut inde eveniat bonum, auf gegenwärtige Frage appliciret werden, weil die Aenderung der Religion sowohl contra conscientiam als das stehlen wäre, und also nicht pro adiaphoro gehalten werden könne, von welchen doch die von mir allegirten dicta redeten; item p. 289. wenn man Catholisch würde, verleugnete man Christum deswegen, weil die Papisten lehreten, haeretico non esse servandam fidem, und weil diese Religion denen hohen Häuptern nachtheilig sey, ja wohl gar selbige in Bann thue.

Religion nicht seelig werden könne, dessen Gegentheil aber in Beantwortung der ersten Frage von mir sattsam gezeiget worden, auch der Autor selbst pag. 276. solches gestehet. Ich finde auch bey dieser petitione principii nichts, das der Autor zu Vertheydigung desselben angeführet, als daß er soviel zu verstehen giebt, wie er dafür halte, daß zwar ein gebohrner Catholicke wohl könne seelig werden, aber ein übertretender Lutheraner nicht, weil er ein Heuchler sey. Aber auch dieses Vorgeben ist eine neue petitio principii, und zeiget der Autor gnugsam, daß er keinen deutlichen Concept von dem, was eigentlich ein Heuchler sey, habe. Hiernechst dichtet er mir p. 279. einen falschen Sinn an, wenn er supponiret, als hätte ich die Religion als ein Etats-Mittel angesehen, item ich hätte einen solchen Menschen supponiret, der in seinen Gewissen überzeugt wäre, daß er in der geänderten Religion nicht seelig werden könne. Er irret pag. 281. sehr, wenn er den guten Nicodemum für einen falschen Heuchler hält, da doch der Heyland ihm dieses Laster nicht, wie dem gemeinen Hauffen der Pharisäer vorgerückt, auch die übrige Conduite des ehrlichen Nicodemi, davon der H. Johannes meldet, genugsam bezeuget, daß er nichts weniger als ein Pharisäischer Heuchler gewesen. Und gewiß diejenigen, die mit dem Aussatz der orthodoxen Ketzermacherey inficiret sind, haben vielmehr Ursach sich selbst zu prüffen, ob sie nicht selbst mit einer Pharisäischen Heucheley angestecket sind, ohnerachtet sie meynen, sie thäten GOtt einen Dienst daran. Solchergestalt fällt ex hactenus dictis auch von sich selbst weg, wenn der Autor p. 282. den Ubertritt zur Päbstlichen Religion deswegen für verdammlich hält, weil er contra conscientiam sündigte, ingleichen wenn er wider meinen 20. num. (pag. 17. dieses vierdten Theils) wiederum nur schlechtweg p. 284. contradiciret, es müsse allerdings das dictum: non sunt facienda mala, ut inde eveniat bonum, auf gegenwärtige Frage appliciret werden, weil die Aenderung der Religion sowohl contra conscientiam als das stehlen wäre, und also nicht pro adiaphoro gehalten werden könne, von welchen doch die von mir allegirten dicta redeten; item p. 289. wenn man Catholisch würde, verleugnete man Christum deswegen, weil die Papisten lehreten, haeretico non esse servandam fidem, und weil diese Religion denen hohen Häuptern nachtheilig sey, ja wohl gar selbige in Bann thue.

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[0005] Religion nicht seelig werden könne, dessen Gegentheil aber in Beantwortung der ersten Frage von mir sattsam gezeiget worden, auch der Autor selbst pag. 276. solches gestehet. Ich finde auch bey dieser petitione principii nichts, das der Autor zu Vertheydigung desselben angeführet, als daß er soviel zu verstehen giebt, wie er dafür halte, daß zwar ein gebohrner Catholicke wohl könne seelig werden, aber ein übertretender Lutheraner nicht, weil er ein Heuchler sey. Aber auch dieses Vorgeben ist eine neue petitio principii, und zeiget der Autor gnugsam, daß er keinen deutlichen Concept von dem, was eigentlich ein Heuchler sey, habe. Hiernechst dichtet er mir p. 279. einen falschen Sinn an, wenn er supponiret, als hätte ich die Religion als ein Etats-Mittel angesehen, item ich hätte einen solchen Menschen supponiret, der in seinen Gewissen überzeugt wäre, daß er in der geänderten Religion nicht seelig werden könne. Er irret pag. 281. sehr, wenn er den guten Nicodemum für einen falschen Heuchler hält, da doch der Heyland ihm dieses Laster nicht, wie dem gemeinen Hauffen der Pharisäer vorgerückt, auch die übrige Conduite des ehrlichen Nicodemi, davon der H. Johannes meldet, genugsam bezeuget, daß er nichts weniger als ein Pharisäischer Heuchler gewesen. Und gewiß diejenigen, die mit dem Aussatz der orthodoxen Ketzermacherey inficiret sind, haben vielmehr Ursach sich selbst zu prüffen, ob sie nicht selbst mit einer Pharisäischen Heucheley angestecket sind, ohnerachtet sie meynen, sie thäten GOtt einen Dienst daran. Solchergestalt fällt ex hactenus dictis auch von sich selbst weg, wenn der Autor p. 282. den Ubertritt zur Päbstlichen Religion deswegen für verdammlich hält, weil er contra conscientiam sündigte, ingleichen wenn er wider meinen 20. num. (pag. 17. dieses vierdten Theils) wiederum nur schlechtweg p. 284. contradiciret, es müsse allerdings das dictum: non sunt facienda mala, ut inde eveniat bonum, auf gegenwärtige Frage appliciret werden, weil die Aenderung der Religion sowohl contra conscientiam als das stehlen wäre, und also nicht pro adiaphoro gehalten werden könne, von welchen doch die von mir allegirten dicta redeten; item p. 289. wenn man Catholisch würde, verleugnete man Christum deswegen, weil die Papisten lehreten, haeretico non esse servandam fidem, und weil diese Religion denen hohen Häuptern nachtheilig sey, ja wohl gar selbige in Bann thue.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/5>, abgerufen am 25.04.2024.