Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Meynung wegen der andern Frage nicht so offenhertzig, als wegen der ersten, von sich gesagt. Das Responsum lautet also:

Vortrag der zweyen Fragen.

Als es unsern Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn gnädigst beliebet, von mir zu begehren, meine in göttlichen und in andern öffentlichen Schrifften gegründete Gedancken solchermassen von einigen Fragen auszufertigen, wie ich dieselben jederzeit zu verantworten mir getrauete; so habe bald unter Anruffung des allerhöchsten GOttes, solche vorgelegte zwei folgende Fragen, als viel es meine übrige nothwendige Amts-Geschäffte damahls leiden wollen, zu erwegen fürgenommen, deren erste also lautet: Ob nicht ein jeder Mensch, es lebe derselbe bey den Lutherischen oder Catholischen, wenn er Christum nach den geoffenbahrren Worten für das Mittel der Seeligkeit hält, dessen Verdienst und Gerechtigkeit durch den wahren Glauben ergreifft und ihm appliciret, das ewige Leben erlange? Die zweyte Frage aber folgender massen entworffen war: Ob denn nicht eine Lutherische Printzeßin, welcher eine Heyrath mit einem Catholischen Könige unter der Condition, daß sie sich zu selbiger Religion begebe, proponiret worden, sich darzu salva aeterna salute resolviren könne, und zwar um so mehr, wenn dabey die Göttliche Providenz zu spühren, und mithin die Wohlfarth des gemeinen Wesens und ihres eigenen Hauses befördert werden kan? Welche Fragen solchergestalt abgefasset zu seyn scheinen, daß wo die eine bejahet und festgestellet werde, die andere daher auch als wahr und festgestellet folgen solle.

Warum es scheine daß die erste zu verneinen sey.

Nun ists an dem, daß zwar viele in der Lutherischen Kirche derer Catholischen Lehr-Sätze also angesehen haben, als wenn einer bey der Catholischen Religion unmöglich Christum nach dem geoffenbahrten Worte GOttes für das eintzige Mittel der Seeligkeit halten könne, indem sie die Verdienste der Heiligen, und dergleichen, dem Verdienste Christi beyzufügen sich nicht entblöden, nach welcher angestellten scharffen Censur dann die erste Frage an sich umsonst seyn würde, wie es umsonst wäre, von dem Socinianismo zu fragen: Ob man Christum bey ihnen noch jetzo für unsern Fürsprecher halten könne, oder derselbe bey ihnen dafür gehalten werden möge, indem man weiß, daß solches mit ihren Lehr-Sätz-n nicht bestehen kan.

Die Bejahung dersel-

Jedennoch muß man gleichwohl für dem allsehenden GOtt, der da laut des achten Geboths nicht will, daß wir unsern Nechsten und dessen

seine Meynung wegen der andern Frage nicht so offenhertzig, als wegen der ersten, von sich gesagt. Das Responsum lautet also:

Vortrag der zweyen Fragen.

Als es unsern Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn gnädigst beliebet, von mir zu begehren, meine in göttlichen und in andern öffentlichen Schrifften gegründete Gedancken solchermassen von einigen Fragen auszufertigen, wie ich dieselben jederzeit zu verantworten mir getrauete; so habe bald unter Anruffung des allerhöchsten GOttes, solche vorgelegte zwei folgende Fragen, als viel es meine übrige nothwendige Amts-Geschäffte damahls leiden wollen, zu erwegen fürgenommen, deren erste also lautet: Ob nicht ein jeder Mensch, es lebe derselbe bey den Lutherischen oder Catholischen, wenn er Christum nach den geoffenbahrren Worten für das Mittel der Seeligkeit hält, dessen Verdienst und Gerechtigkeit durch den wahren Glauben ergreifft und ihm appliciret, das ewige Leben erlange? Die zweyte Frage aber folgender massen entworffen war: Ob denn nicht eine Lutherische Printzeßin, welcher eine Heyrath mit einem Catholischen Könige unter der Condition, daß sie sich zu selbiger Religion begebe, proponiret worden, sich darzu salvâ aeternâ salute resolviren könne, und zwar um so mehr, wenn dabey die Göttliche Providenz zu spühren, und mithin die Wohlfarth des gemeinen Wesens und ihres eigenen Hauses befördert werden kan? Welche Fragen solchergestalt abgefasset zu seyn scheinen, daß wo die eine bejahet und festgestellet werde, die andere daher auch als wahr und festgestellet folgen solle.

Warum es scheine daß die erste zu verneinen sey.

Nun ists an dem, daß zwar viele in der Lutherischen Kirche derer Catholischen Lehr-Sätze also angesehen haben, als wenn einer bey der Catholischen Religion unmöglich Christum nach dem geoffenbahrten Worte GOttes für das eintzige Mittel der Seeligkeit halten könne, indem sie die Verdienste der Heiligen, und dergleichen, dem Verdienste Christi beyzufügen sich nicht entblöden, nach welcher angestellten scharffen Censur dann die erste Frage an sich umsonst seyn würde, wie es umsonst wäre, von dem Socinianismo zu fragen: Ob man Christum bey ihnen noch jetzo für unsern Fürsprecher halten könne, oder derselbe bey ihnen dafür gehalten werden möge, indem man weiß, daß solches mit ihren Lehr-Sätz-n nicht bestehen kan.

Die Bejahung dersel-

Jedennoch muß man gleichwohl für dem allsehenden GOtt, der da laut des achten Geboths nicht will, daß wir unsern Nechsten und dessen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0038" n="30"/>
seine Meynung                      wegen der andern Frage nicht so offenhertzig, als wegen der ersten, von sich                      gesagt. Das Responsum lautet also:</p>
        <note place="left">Vortrag der zweyen Fragen.</note>
        <p>Als es unsern Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn gnädigst beliebet, von mir zu                      begehren, meine in göttlichen und in andern öffentlichen Schrifften gegründete                      Gedancken solchermassen von einigen Fragen auszufertigen, wie ich dieselben                      jederzeit zu verantworten mir getrauete; so habe bald unter Anruffung des                      allerhöchsten GOttes, solche vorgelegte zwei folgende Fragen, als viel es meine                      übrige nothwendige Amts-Geschäffte damahls leiden wollen, zu erwegen                      fürgenommen, deren erste also lautet: Ob nicht ein jeder Mensch, es lebe                      derselbe bey den Lutherischen oder Catholischen, wenn er Christum nach den                      geoffenbahrren Worten für das Mittel der Seeligkeit hält, dessen Verdienst und                      Gerechtigkeit durch den wahren Glauben ergreifft und ihm <hi rendition="#i">applicir</hi>et, das ewige Leben erlange? Die zweyte Frage aber folgender                      massen entworffen war: Ob denn nicht eine Lutherische Printzeßin, welcher eine                      Heyrath mit einem Catholischen Könige unter der <hi rendition="#i">Condition</hi>, daß sie sich zu selbiger Religion begebe, <hi rendition="#i">proponir</hi>et worden, sich darzu <hi rendition="#i">salvâ                          aeternâ salute resolvir</hi>en könne, und zwar um so mehr, wenn dabey die                      Göttliche <hi rendition="#i">Providenz</hi> zu spühren, und mithin die Wohlfarth                      des gemeinen Wesens und ihres eigenen Hauses befördert werden kan? Welche Fragen                      solchergestalt abgefasset zu seyn scheinen, daß wo die eine bejahet und                      festgestellet werde, die andere daher auch als wahr und festgestellet folgen                      solle.</p>
        <note place="left">Warum es scheine daß die erste zu verneinen sey.</note>
        <p>Nun ists an dem, daß zwar viele in der Lutherischen Kirche derer Catholischen                      Lehr-Sätze also angesehen haben, als wenn einer bey der Catholischen Religion                      unmöglich Christum nach dem geoffenbahrten Worte GOttes für das eintzige Mittel                      der Seeligkeit halten könne, indem sie die Verdienste der Heiligen, und                      dergleichen, dem Verdienste Christi beyzufügen sich nicht entblöden, nach                      welcher angestellten scharffen Censur dann die erste Frage an sich umsonst seyn                      würde, wie es umsonst wäre, von dem Socinianismo zu fragen: Ob man Christum bey                      ihnen noch jetzo für unsern Fürsprecher halten könne, oder derselbe bey ihnen                      dafür gehalten werden möge, indem man weiß, daß solches mit ihren Lehr-Sätz-n                      nicht bestehen kan.</p>
        <note place="left">Die Bejahung dersel-</note>
        <p>Jedennoch muß man gleichwohl für dem allsehenden GOtt, der da laut des achten                      Geboths nicht will, daß wir unsern Nechsten und dessen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0038] seine Meynung wegen der andern Frage nicht so offenhertzig, als wegen der ersten, von sich gesagt. Das Responsum lautet also: Als es unsern Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn gnädigst beliebet, von mir zu begehren, meine in göttlichen und in andern öffentlichen Schrifften gegründete Gedancken solchermassen von einigen Fragen auszufertigen, wie ich dieselben jederzeit zu verantworten mir getrauete; so habe bald unter Anruffung des allerhöchsten GOttes, solche vorgelegte zwei folgende Fragen, als viel es meine übrige nothwendige Amts-Geschäffte damahls leiden wollen, zu erwegen fürgenommen, deren erste also lautet: Ob nicht ein jeder Mensch, es lebe derselbe bey den Lutherischen oder Catholischen, wenn er Christum nach den geoffenbahrren Worten für das Mittel der Seeligkeit hält, dessen Verdienst und Gerechtigkeit durch den wahren Glauben ergreifft und ihm appliciret, das ewige Leben erlange? Die zweyte Frage aber folgender massen entworffen war: Ob denn nicht eine Lutherische Printzeßin, welcher eine Heyrath mit einem Catholischen Könige unter der Condition, daß sie sich zu selbiger Religion begebe, proponiret worden, sich darzu salvâ aeternâ salute resolviren könne, und zwar um so mehr, wenn dabey die Göttliche Providenz zu spühren, und mithin die Wohlfarth des gemeinen Wesens und ihres eigenen Hauses befördert werden kan? Welche Fragen solchergestalt abgefasset zu seyn scheinen, daß wo die eine bejahet und festgestellet werde, die andere daher auch als wahr und festgestellet folgen solle. Nun ists an dem, daß zwar viele in der Lutherischen Kirche derer Catholischen Lehr-Sätze also angesehen haben, als wenn einer bey der Catholischen Religion unmöglich Christum nach dem geoffenbahrten Worte GOttes für das eintzige Mittel der Seeligkeit halten könne, indem sie die Verdienste der Heiligen, und dergleichen, dem Verdienste Christi beyzufügen sich nicht entblöden, nach welcher angestellten scharffen Censur dann die erste Frage an sich umsonst seyn würde, wie es umsonst wäre, von dem Socinianismo zu fragen: Ob man Christum bey ihnen noch jetzo für unsern Fürsprecher halten könne, oder derselbe bey ihnen dafür gehalten werden möge, indem man weiß, daß solches mit ihren Lehr-Sätz-n nicht bestehen kan. Jedennoch muß man gleichwohl für dem allsehenden GOtt, der da laut des achten Geboths nicht will, daß wir unsern Nechsten und dessen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/38
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/38>, abgerufen am 22.11.2024.