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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Prediger und Abgewogenheit gegen dessen Vater, Bruder und übrige verdächtig gemachte Leuthe an den Tag gegeben, da im Gegentheil Ihro Hochfürstl. Durchl. zu Sachsen-Saalfeld selbst in Dero Rescript an das Consistorium zu Altenburg vom 14ten Dec. 92. in Act. Consist. f. 301. seqq. Herrn M. Francken und andern, so man gern als Irrige bey der Kirchen schwartz machen wolle, das Gezeugnüß gegeben, daß Ihro Hochfürstl. Durchl. die mit dem so beruffenen Pietismo angeschuldigte Lehrer bis auf die Stunde in der Evangelisch-Lutherischen Kirchen unsträflich lehren uud leben sähen, und ob gleich besagter Herr M. Francke hernach zu Erfurth seines Dienstes erlassen worden, dennoch darauf noch bey weiten nicht folget, daß Er irrig in der Lehre gewesen, bevorab da Er so fort darauf von Sr. Churfürl. Durchl. zu Brandenburg auf hiesiger Universität zum Professore ordinario, auch bey der Lutherischen Gemeinde zu Glaucha alhie vor Halle zum öffentlichen Lehrer bestellet worden, Er auch in solchen functionibus biß diese Stunde annoch rühmlichst stehet, andere verdächtige Leuthe aber die Herren Prediger zu Pößneck anzugeben, und warum sie verdächtig wären zu erweisen nicht vermocht, indem wieder diejenige, so sie ausser den Seinigen angegeben, eben nur derselbe Argwohn ist, weil Sie nemlich mit Herrn M. Francken umgegangen: ferner dessen Vater und Bruder deshalb nicht in inquisition gezogen werden können, daß dessen Vater sich des einen Zeugen Aussage nach für einen Pietisten ausgegeben, auch die übrigen Zeugen deponiret, daß das gemeine Gerücht wäre, ob seyen die Seinigen dem Pietisino ergeben, sintemahl daraus noch lange kein crimen, in quod inquiri posset, erfolget, alldieweilen bereits mehr, als zu viel bekannt, daß durch das Wort Pietist und Pietisinus, nicht eine gewisse Art einer Ketzerey oder heterodoxie angezeiget, sondern dasselbe gebraucht wird, diejenigen unter den Lutheranern, so ihnen ihr Christenthum einen rechten Ernst seyn lassen wollen, damit auszuhönen, und sie sarcastice damit, quasi minime pii essent, zubelegen, dahero es denn gar wohl zu glauben, was der Herr Diaconus zu Pößneck in einem Schreiben an den Herrn Superintendenten zu Saalfeld Act. Consist. f. 74. meldet, daß Er die definitionem formalem des Pietismi damahlen noch nicht gewust, wiewohl zugleich daraus sein vergalletes Gemüthe gnugsam zuersehen, daß Er nicht gewust, was Pietismus, und folglich auch nicht, was Pietisten wären, und Er dennoch nach der Zeugen Assage in Actis Commis-

Prediger und Abgewogenheit gegen dessen Vater, Bruder und übrige verdächtig gemachte Leuthe an den Tag gegeben, da im Gegentheil Ihro Hochfürstl. Durchl. zu Sachsen-Saalfeld selbst in Dero Rescript an das Consistorium zu Altenburg vom 14ten Dec. 92. in Act. Consist. f. 301. seqq. Herrn M. Francken und andern, so man gern als Irrige bey der Kirchen schwartz machen wolle, das Gezeugnüß gegeben, daß Ihro Hochfürstl. Durchl. die mit dem so beruffenen Pietismo angeschuldigte Lehrer bis auf die Stunde in der Evangelisch-Lutherischen Kirchen unsträflich lehren uud leben sähen, und ob gleich besagter Herr M. Francke hernach zu Erfurth seines Dienstes erlassen worden, dennoch darauf noch bey weiten nicht folget, daß Er irrig in der Lehre gewesen, bevorab da Er so fort darauf von Sr. Churfürl. Durchl. zu Brandenburg auf hiesiger Universität zum Professore ordinario, auch bey der Lutherischen Gemeinde zu Glaucha alhie vor Halle zum öffentlichen Lehrer bestellet worden, Er auch in solchen functionibus biß diese Stunde annoch rühmlichst stehet, andere verdächtige Leuthe aber die Herren Prediger zu Pößneck anzugeben, und warum sie verdächtig wären zu erweisen nicht vermocht, indem wieder diejenige, so sie ausser den Seinigen angegeben, eben nur derselbe Argwohn ist, weil Sie nemlich mit Herrn M. Francken umgegangen: ferner dessen Vater und Bruder deshalb nicht in inquisition gezogen werden können, daß dessen Vater sich des einen Zeugen Aussage nach für einen Pietisten ausgegeben, auch die übrigen Zeugen deponiret, daß das gemeine Gerücht wäre, ob seyen die Seinigen dem Pietisino ergeben, sintemahl daraus noch lange kein crimen, in quod inquiri posset, erfolget, alldieweilen bereits mehr, als zu viel bekannt, daß durch das Wort Pietist und Pietisinus, nicht eine gewisse Art einer Ketzerey oder heterodoxie angezeiget, sondern dasselbe gebraucht wird, diejenigen unter den Lutheranern, so ihnen ihr Christenthum einen rechten Ernst seyn lassen wollen, damit auszuhönen, und sie sarcastice damit, quasi minime pii essent, zubelegen, dahero es denn gar wohl zu glauben, was der Herr Diaconus zu Pößneck in einem Schreiben an den Herrn Superintendenten zu Saalfeld Act. Consist. f. 74. meldet, daß Er die definitionem formalem des Pietismi damahlen noch nicht gewust, wiewohl zugleich daraus sein vergalletes Gemüthe gnugsam zuersehen, daß Er nicht gewust, was Pietismus, und folglich auch nicht, was Pietisten wären, und Er dennoch nach der Zeugen Assage in Actis Commis-

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[276/0284] Prediger und Abgewogenheit gegen dessen Vater, Bruder und übrige verdächtig gemachte Leuthe an den Tag gegeben, da im Gegentheil Ihro Hochfürstl. Durchl. zu Sachsen-Saalfeld selbst in Dero Rescript an das Consistorium zu Altenburg vom 14ten Dec. 92. in Act. Consist. f. 301. seqq. Herrn M. Francken und andern, so man gern als Irrige bey der Kirchen schwartz machen wolle, das Gezeugnüß gegeben, daß Ihro Hochfürstl. Durchl. die mit dem so beruffenen Pietismo angeschuldigte Lehrer bis auf die Stunde in der Evangelisch-Lutherischen Kirchen unsträflich lehren uud leben sähen, und ob gleich besagter Herr M. Francke hernach zu Erfurth seines Dienstes erlassen worden, dennoch darauf noch bey weiten nicht folget, daß Er irrig in der Lehre gewesen, bevorab da Er so fort darauf von Sr. Churfürl. Durchl. zu Brandenburg auf hiesiger Universität zum Professore ordinario, auch bey der Lutherischen Gemeinde zu Glaucha alhie vor Halle zum öffentlichen Lehrer bestellet worden, Er auch in solchen functionibus biß diese Stunde annoch rühmlichst stehet, andere verdächtige Leuthe aber die Herren Prediger zu Pößneck anzugeben, und warum sie verdächtig wären zu erweisen nicht vermocht, indem wieder diejenige, so sie ausser den Seinigen angegeben, eben nur derselbe Argwohn ist, weil Sie nemlich mit Herrn M. Francken umgegangen: ferner dessen Vater und Bruder deshalb nicht in inquisition gezogen werden können, daß dessen Vater sich des einen Zeugen Aussage nach für einen Pietisten ausgegeben, auch die übrigen Zeugen deponiret, daß das gemeine Gerücht wäre, ob seyen die Seinigen dem Pietisino ergeben, sintemahl daraus noch lange kein crimen, in quod inquiri posset, erfolget, alldieweilen bereits mehr, als zu viel bekannt, daß durch das Wort Pietist und Pietisinus, nicht eine gewisse Art einer Ketzerey oder heterodoxie angezeiget, sondern dasselbe gebraucht wird, diejenigen unter den Lutheranern, so ihnen ihr Christenthum einen rechten Ernst seyn lassen wollen, damit auszuhönen, und sie sarcastice damit, quasi minime pii essent, zubelegen, dahero es denn gar wohl zu glauben, was der Herr Diaconus zu Pößneck in einem Schreiben an den Herrn Superintendenten zu Saalfeld Act. Consist. f. 74. meldet, daß Er die definitionem formalem des Pietismi damahlen noch nicht gewust, wiewohl zugleich daraus sein vergalletes Gemüthe gnugsam zuersehen, daß Er nicht gewust, was Pietismus, und folglich auch nicht, was Pietisten wären, und Er dennoch nach der Zeugen Assage in Actis Commis-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/284>, abgerufen am 24.11.2024.