Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.Kirche jagen wolte, wie Christus gethan, oder eine Tauffe einführen, wie Johannes, oder einen Sünder gleich tödten und durchstechen, wie Moses und Paulus gethan? Darum hiesse es, facta heroica non esse imitanda, sed admiranda: ferner hätten sie die neuen Prediger Serenissimum als ihren Obristen Bischoff zu veneriren, und den ihm schuldigen Respect zu geben, damit ihnen nicht widerfahren dürffte, was vor wenig Tagen geschehen. Er müsse aber auch hierbey nomine & jussu Serenissimi tanquam Summi Episcopi anzeigen, daß selbe nicht gemeinet, Ihnen ihr Straf-Amt zu nehmen, zu verringern, oder zu verwehren, gegen die papistische und andere irrige Religionen zu predigen, vielweniger befugt seyn solten, denen Leuten Polster unter zu legen: Sondern sie könten und solten ihr Straf-Amt gebührend brauchen, es müste aber geschehen cum prudentia justorum, oder in der Klugheit der Gerechten. In übrigen aber mochte der Abt wohl freylich auf die Ungezogenheit und Ungeschlachtheit auch Scheinheiligkeit vieler Geistlichen geredet haben, weil mir zugleich berichtet wurde, daß wenn ein Politicus sich unterstehen wolte, dergleichen verdrießliche Wahrheiten zu sagen, er vermuthlich, wo nicht gar für einen Atheisten, jedoch für einen formalen Ketzer nach denen Principiis Consiliorum Dedekenni &c. würde ausgeruffen werden. §. XXXV. Was ferner von dem Abt und dessen Excessen gegen andre Priester §. 33. aus der specie facti gemeldet worden, bekömmt gleichfalls ein gantz ander Ansehen, wenn man auch der andern Parthey Excesse dagegen hält, mit denen es, so viel das vornehmste betrifft, diese Bewandnüß hat. Ein gewisser Prediger, der mit dem Hof-Prediger nahe befreundet war, hatte am andern Weyhnachts Feyertage occasione des Evangelii von Stephano geprediget, man steinige zwar an ihren Ort die Prediger nicht; allein man jage sie ungehört, und ungeurtheilt davon. Er wisse zwar wohl, daß dieses was er sage vielen nicht recht seyn werde, und daß er deßhalb vor das Consistorium würde gefordert werden; Aber sein Gewissen (zumahlen da selbiges sich versichert hielte, daß es sich auff geheime Brachia secularia verlassen könnte) obligire ihn, es zu sagen. Eben derselbe hatte in der Predigt gesagt: Wenn er gleich das gantze Jahr das wahre Lutherthum und falsche Pabstthum (wie der Abt gethan) seinen Zuhörern vorpredigte, und hernach auf ein andermahl sagte, daß seine Zuhörer auf gewisse Bedingungen könten Catholisch werden, so hätten sie seinen ersten Predigten nicht zu glauben. Da nun dem Abt dieses sehr nahe gangen, ist er Kirche jagen wolte, wie Christus gethan, oder eine Tauffe einführen, wie Johannes, oder einen Sünder gleich tödten und durchstechen, wie Moses und Paulus gethan? Darum hiesse es, facta heroica non esse imitanda, sed admiranda: ferner hätten sie die neuen Prediger Serenissimum als ihren Obristen Bischoff zu veneriren, und den ihm schuldigen Respect zu geben, damit ihnen nicht widerfahren dürffte, was vor wenig Tagen geschehen. Er müsse aber auch hierbey nomine & jussu Serenissimi tanquam Summi Episcopi anzeigen, daß selbe nicht gemeinet, Ihnen ihr Straf-Amt zu nehmen, zu verringern, oder zu verwehren, gegen die papistische und andere irrige Religionen zu predigen, vielweniger befugt seyn solten, denen Leuten Polster unter zu legen: Sondern sie könten und solten ihr Straf-Amt gebührend brauchen, es müste aber geschehen cum prudentia justorum, oder in der Klugheit der Gerechten. In übrigen aber mochte der Abt wohl freylich auf die Ungezogenheit und Ungeschlachtheit auch Scheinheiligkeit vieler Geistlichen geredet haben, weil mir zugleich berichtet wurde, daß wenn ein Politicus sich unterstehen wolte, dergleichen verdrießliche Wahrheiten zu sagen, er vermuthlich, wo nicht gar für einen Atheisten, jedoch für einen formalen Ketzer nach denen Principiis Consiliorum Dedekenni &c. würde ausgeruffen werden. §. XXXV. Was ferner von dem Abt und dessen Excessen gegen andre Priester §. 33. aus der specie facti gemeldet worden, bekömmt gleichfalls ein gantz ander Ansehen, wenn man auch der andern Parthey Excesse dagegen hält, mit denen es, so viel das vornehmste betrifft, diese Bewandnüß hat. Ein gewisser Prediger, der mit dem Hof-Prediger nahe befreundet war, hatte am andern Weyhnachts Feyertage occasione des Evangelii von Stephano geprediget, man steinige zwar an ihren Ort die Prediger nicht; allein man jage sie ungehört, und ungeurtheilt davon. Er wisse zwar wohl, daß dieses was er sage vielen nicht recht seyn werde, und daß er deßhalb vor das Consistorium würde gefordert werden; Aber sein Gewissen (zumahlen da selbiges sich versichert hielte, daß es sich auff geheime Brachia secularia verlassen könnte) obligire ihn, es zu sagen. Eben derselbe hatte in der Predigt gesagt: Wenn er gleich das gantze Jahr das wahre Lutherthum und falsche Pabstthum (wie der Abt gethan) seinen Zuhörern vorpredigte, und hernach auf ein andermahl sagte, daß seine Zuhörer auf gewisse Bedingungen könten Catholisch werden, so hätten sie seinen ersten Predigten nicht zu glauben. Da nun dem Abt dieses sehr nahe gangen, ist er <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0266" n="258"/> Kirche jagen wolte, wie Christus gethan, oder eine Tauffe einführen, wie Johannes, oder einen Sünder gleich tödten und durchstechen, wie Moses und Paulus gethan? Darum hiesse es, facta heroica non esse imitanda, sed admiranda: ferner hätten sie die neuen Prediger Serenissimum als ihren Obristen Bischoff zu veneriren, und den ihm schuldigen Respect zu geben, damit ihnen nicht widerfahren dürffte, was vor wenig Tagen geschehen. Er müsse aber auch hierbey nomine & jussu Serenissimi tanquam Summi Episcopi anzeigen, daß selbe nicht gemeinet, Ihnen ihr Straf-Amt zu nehmen, zu verringern, oder zu verwehren, gegen die papistische und andere irrige Religionen zu predigen, vielweniger befugt seyn solten, denen Leuten Polster unter zu legen: Sondern sie könten und solten ihr Straf-Amt gebührend brauchen, es müste aber geschehen cum prudentia justorum, oder in der Klugheit der Gerechten. In übrigen aber mochte der Abt wohl freylich auf die Ungezogenheit und Ungeschlachtheit auch Scheinheiligkeit vieler Geistlichen geredet haben, weil mir zugleich berichtet wurde, daß wenn ein Politicus sich unterstehen wolte, dergleichen verdrießliche Wahrheiten zu sagen, er vermuthlich, wo nicht gar für einen Atheisten, jedoch für einen formalen Ketzer nach denen Principiis Consiliorum Dedekenni &c. würde ausgeruffen werden.</p> <note place="left">Als auch von der Predigt seines <hi rendition="#i">Adersarii</hi>.</note> <p>§. XXXV. 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Eben derselbe hatte in der Predigt gesagt: Wenn er gleich das gantze Jahr das wahre Lutherthum und falsche Pabstthum (wie der Abt gethan) seinen Zuhörern vorpredigte, und hernach auf ein andermahl sagte, daß seine Zuhörer auf gewisse Bedingungen könten Catholisch werden, so hätten sie seinen ersten Predigten nicht zu glauben. Da nun dem Abt dieses sehr nahe gangen, ist er </p> </div> </body> </text> </TEI> [258/0266]
Kirche jagen wolte, wie Christus gethan, oder eine Tauffe einführen, wie Johannes, oder einen Sünder gleich tödten und durchstechen, wie Moses und Paulus gethan? Darum hiesse es, facta heroica non esse imitanda, sed admiranda: ferner hätten sie die neuen Prediger Serenissimum als ihren Obristen Bischoff zu veneriren, und den ihm schuldigen Respect zu geben, damit ihnen nicht widerfahren dürffte, was vor wenig Tagen geschehen. Er müsse aber auch hierbey nomine & jussu Serenissimi tanquam Summi Episcopi anzeigen, daß selbe nicht gemeinet, Ihnen ihr Straf-Amt zu nehmen, zu verringern, oder zu verwehren, gegen die papistische und andere irrige Religionen zu predigen, vielweniger befugt seyn solten, denen Leuten Polster unter zu legen: Sondern sie könten und solten ihr Straf-Amt gebührend brauchen, es müste aber geschehen cum prudentia justorum, oder in der Klugheit der Gerechten. In übrigen aber mochte der Abt wohl freylich auf die Ungezogenheit und Ungeschlachtheit auch Scheinheiligkeit vieler Geistlichen geredet haben, weil mir zugleich berichtet wurde, daß wenn ein Politicus sich unterstehen wolte, dergleichen verdrießliche Wahrheiten zu sagen, er vermuthlich, wo nicht gar für einen Atheisten, jedoch für einen formalen Ketzer nach denen Principiis Consiliorum Dedekenni &c. würde ausgeruffen werden.
§. XXXV. Was ferner von dem Abt und dessen Excessen gegen andre Priester §. 33. aus der specie facti gemeldet worden, bekömmt gleichfalls ein gantz ander Ansehen, wenn man auch der andern Parthey Excesse dagegen hält, mit denen es, so viel das vornehmste betrifft, diese Bewandnüß hat. Ein gewisser Prediger, der mit dem Hof-Prediger nahe befreundet war, hatte am andern Weyhnachts Feyertage occasione des Evangelii von Stephano geprediget, man steinige zwar an ihren Ort die Prediger nicht; allein man jage sie ungehört, und ungeurtheilt davon. Er wisse zwar wohl, daß dieses was er sage vielen nicht recht seyn werde, und daß er deßhalb vor das Consistorium würde gefordert werden; Aber sein Gewissen (zumahlen da selbiges sich versichert hielte, daß es sich auff geheime Brachia secularia verlassen könnte) obligire ihn, es zu sagen. Eben derselbe hatte in der Predigt gesagt: Wenn er gleich das gantze Jahr das wahre Lutherthum und falsche Pabstthum (wie der Abt gethan) seinen Zuhörern vorpredigte, und hernach auf ein andermahl sagte, daß seine Zuhörer auf gewisse Bedingungen könten Catholisch werden, so hätten sie seinen ersten Predigten nicht zu glauben. Da nun dem Abt dieses sehr nahe gangen, ist er
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/266>, abgerufen am 22.07.2024. |