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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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wieder den Willen weltlicher Obrigkeit zu predigen, dennoch dieses ihrer vocationi immediatae, & potestati extraordinariae ac amplissimae zuzuschreiben sey, und also keinesweges auf unsere Prediger könne appliciret werden. Endlich was die vielen Exempla aus der Kirchen-Historie anlangt,Und unnützer allegirung der exempel aus der Kirchen-Historie. mit welchen man die Lehre von der independenz des ministerii auszuschmücken pfleget, so haben zwar dieselben vor diesen etwas ja sehr viel gegolten, da man lauter partheyische Kirchen-Historien hatte, auch die armen Juristen beredet wurden, daß in denen ersten 500. Jahren nach Christi Geburt in der Kirche alles vortreflich herrlich und rein gewesen, und die Kirch-Väter selbiger Zeiten denen Aposteln und Evangelisten gleiche Männer gewesen. Nachdem aber eine geraume Zeit her durch allerhand gelehrte Scripta dieser für eine unstreitge Warheit gehaltene Irrthum zweiffelhafft gemacht, auch endlich durch Arnolds Bericht von ersten Christen, item die Ketzer-Historie, das wahre mysterium iniquitatis gantz entlarvet und entblöset worden, daß nun alle Leyen wissen oder doch leichte wissen können, wie das Pabstthum alsbald nach der Apostel Zeiten eingerissen, und unter Constantino schon Mannbar worden; so wollen die alten dicentes und exempel heut zu Tage bey vernünfftigen Leuten nicht mehr anschlagen, sondern man beantwortet dieselbe mit zweyen Worten: non exemplis judicandum sed legibus.

Dieweil also die erste Ratio dubitandi mit sattsamen GründenKurtze Beantwortung des (II) Zweiffels durch Umkehrung des daraus gemachten Schlusses. abgelemet worden, ist nun bey der II. Ratione dubitandi nicht nöthig sich weitleufftig auffzuhalten, indem dieselbige eintzig und alleine auf die erste rationem dubitandi gegründet ist. Man kehret vielmehr das Argument nunmehr um, und schliesset in Gegentheil, daß gleichwie das Ministerium Ecclesiasticum in allen functionibus seines Amts nicht independens, sondern der hohen Landes-Obrigkeit per latius deducta in ratione decidendi 2. 3. & 4. & in responsione ad rationem 1. dubitandi Ordnungen und Bestraffung bey allen dißfalls vorfallenden Mißbräuchen unterworffen ist; also es auch ebener massen in specie mit dem Straffamt also beschaffen seyn müsse, und dienen nunmehro die bey derNebst Erinnerung wegen der grossen bißherigen Gedult Evangelischer Fürsten. ratione dubitandi secunda angeführten loca Theologorum zu nichts mehr, als daß man sich über die grosse Gedult der Evangelischen Fürsten und ihrer Ministrorum nicht gnungsam verwundern kan, daß sie solche gefährliche und ihren höchsten Regalibus höchst praejudicirliche principia so lange Zeit in die öffentliche Welt hinein schreiben, und durch den Druck propaliren lassen, auch hierdurch Gelegenheit und Anlaß gegeben, daß so viel tausend junge unwissende Gemüther auf Universitäten damit

wieder den Willen weltlicher Obrigkeit zu predigen, dennoch dieses ihrer vocationi immediatae, & potestati extraordinariae ac amplissimae zuzuschreiben sey, und also keinesweges auf unsere Prediger könne appliciret werden. Endlich was die vielen Exempla aus der Kirchen-Historie anlangt,Und unnützer allegirung der exempel aus der Kirchen-Historie. mit welchen man die Lehre von der independenz des ministerii auszuschmücken pfleget, so haben zwar dieselben vor diesen etwas ja sehr viel gegolten, da man lauter partheyische Kirchen-Historien hatte, auch die armen Juristen beredet wurden, daß in denen ersten 500. Jahren nach Christi Geburt in der Kirche alles vortreflich herrlich und rein gewesen, und die Kirch-Väter selbiger Zeiten denen Aposteln und Evangelisten gleiche Männer gewesen. Nachdem aber eine geraume Zeit her durch allerhand gelehrte Scripta dieser für eine unstreitge Warheit gehaltene Irrthum zweiffelhafft gemacht, auch endlich durch Arnolds Bericht von ersten Christen, item die Ketzer-Historie, das wahre mysterium iniquitatis gantz entlarvet und entblöset worden, daß nun alle Leyen wissen oder doch leichte wissen können, wie das Pabstthum alsbald nach der Apostel Zeiten eingerissen, und unter Constantino schon Mannbar worden; so wollen die alten dicentes und exempel heut zu Tage bey vernünfftigen Leuten nicht mehr anschlagen, sondern man beantwortet dieselbe mit zweyen Worten: non exemplis judicandum sed legibus.

Dieweil also die erste Ratio dubitandi mit sattsamen GründenKurtze Beantwortung des (II) Zweiffels durch Umkehrung des daraus gemachten Schlusses. abgelemet worden, ist nun bey der II. Ratione dubitandi nicht nöthig sich weitleufftig auffzuhalten, indem dieselbige eintzig und alleine auf die erste rationem dubitandi gegründet ist. Man kehret vielmehr das Argument nunmehr um, und schliesset in Gegentheil, daß gleichwie das Ministerium Ecclesiasticum in allen functionibus seines Amts nicht independens, sondern der hohen Landes-Obrigkeit per latius deducta in ratione decidendi 2. 3. & 4. & in responsione ad rationem 1. dubitandi Ordnungen und Bestraffung bey allen dißfalls vorfallenden Mißbräuchen unterworffen ist; also es auch ebener massen in specie mit dem Straffamt also beschaffen seyn müsse, und dienen nunmehro die bey derNebst Erinnerung wegen der grossen bißherigen Gedult Evangelischer Fürsten. ratione dubitandi secunda angeführten loca Theologorum zu nichts mehr, als daß man sich über die grosse Gedult der Evangelischen Fürsten und ihrer Ministrorum nicht gnungsam verwundern kan, daß sie solche gefährliche und ihren höchsten Regalibus höchst praejudicirliche principia so lange Zeit in die öffentliche Welt hinein schreiben, und durch den Druck propaliren lassen, auch hierdurch Gelegenheit und Anlaß gegeben, daß so viel tausend junge unwissende Gemüther auf Universitäten damit

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[165/0173] wieder den Willen weltlicher Obrigkeit zu predigen, dennoch dieses ihrer vocationi immediatae, & potestati extraordinariae ac amplissimae zuzuschreiben sey, und also keinesweges auf unsere Prediger könne appliciret werden. Endlich was die vielen Exempla aus der Kirchen-Historie anlangt, mit welchen man die Lehre von der independenz des ministerii auszuschmücken pfleget, so haben zwar dieselben vor diesen etwas ja sehr viel gegolten, da man lauter partheyische Kirchen-Historien hatte, auch die armen Juristen beredet wurden, daß in denen ersten 500. Jahren nach Christi Geburt in der Kirche alles vortreflich herrlich und rein gewesen, und die Kirch-Väter selbiger Zeiten denen Aposteln und Evangelisten gleiche Männer gewesen. Nachdem aber eine geraume Zeit her durch allerhand gelehrte Scripta dieser für eine unstreitge Warheit gehaltene Irrthum zweiffelhafft gemacht, auch endlich durch Arnolds Bericht von ersten Christen, item die Ketzer-Historie, das wahre mysterium iniquitatis gantz entlarvet und entblöset worden, daß nun alle Leyen wissen oder doch leichte wissen können, wie das Pabstthum alsbald nach der Apostel Zeiten eingerissen, und unter Constantino schon Mannbar worden; so wollen die alten dicentes und exempel heut zu Tage bey vernünfftigen Leuten nicht mehr anschlagen, sondern man beantwortet dieselbe mit zweyen Worten: non exemplis judicandum sed legibus. Und unnützer allegirung der exempel aus der Kirchen-Historie. Dieweil also die erste Ratio dubitandi mit sattsamen Gründen abgelemet worden, ist nun bey der II. Ratione dubitandi nicht nöthig sich weitleufftig auffzuhalten, indem dieselbige eintzig und alleine auf die erste rationem dubitandi gegründet ist. Man kehret vielmehr das Argument nunmehr um, und schliesset in Gegentheil, daß gleichwie das Ministerium Ecclesiasticum in allen functionibus seines Amts nicht independens, sondern der hohen Landes-Obrigkeit per latius deducta in ratione decidendi 2. 3. & 4. & in responsione ad rationem 1. dubitandi Ordnungen und Bestraffung bey allen dißfalls vorfallenden Mißbräuchen unterworffen ist; also es auch ebener massen in specie mit dem Straffamt also beschaffen seyn müsse, und dienen nunmehro die bey der ratione dubitandi secunda angeführten loca Theologorum zu nichts mehr, als daß man sich über die grosse Gedult der Evangelischen Fürsten und ihrer Ministrorum nicht gnungsam verwundern kan, daß sie solche gefährliche und ihren höchsten Regalibus höchst praejudicirliche principia so lange Zeit in die öffentliche Welt hinein schreiben, und durch den Druck propaliren lassen, auch hierdurch Gelegenheit und Anlaß gegeben, daß so viel tausend junge unwissende Gemüther auf Universitäten damit Kurtze Beantwortung des (II) Zweiffels durch Umkehrung des daraus gemachten Schlusses. Nebst Erinnerung wegen der grossen bißherigen Gedult Evangelischer Fürsten.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/173>, abgerufen am 23.11.2024.