Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.der Papst dieselbe deshalb eingeführet, daß die politische Welt durch die Nase Weißheit der Mönche und Pfaffen als durch ein falsches Licht solte verblendet oder gar blind werden. Ja man darff nur der beyden Catholischen berühmten Männer, des Erasmi und Ludovici Vivis, encomium Moriae, und de causis corruptarum artium lesen, (des Henrici Cornelii Agrippae tractat de vanitate scientiarum zu geschweigen) so wird man, wenn man nicht gantz tumm ist, oder seyn will, dieser Wahrheit vergewissert werden. Daß nun ferner, wie Perez schreibet, die von denen Päpsten dependirende Professores das gemeine Wesen in beständigen Flor zu erhalten hätten helffen sollen / davon kan man aus dem was allbereit gemeldet worden, leichte urtheilen. Die Authentica habita getrauet sich selbst nicht einmahl dieses zu sagen; sondern sie meldet nur, daß die Professores die Studenten unterwiesen, daß die Unterthanen GOtt und dem Käyser als dessen Diener gehorchen solten (& ad obiendum Deo, & nobis ejus ministris vita subjectorum informatur) welche Redens Art in sensu mystico Juris Canonici so viel bedeutet, daß die Leyen (denn die Clerisey rechnete sich schon damahlen nicht unter die Unterthanen der weltlichen Obrigkeit) zu erst dem heiligen Vater Papst als Gottes Stadthalter, und alsdenn erst dem Käyser / als des Papsts Steigbügelhalter, und Füsse Küsser gehorchen solten. (Denn daß der Käyser der Pfaffen Knecht sey, hat schon zu seiner Zeit Joannes Sarisberiensis, der in 12. Seculo floriret, sich nicht gescheuet zu lehren, de nugis curialium lib. 4. cap. 3.) Ob nun hierdurch das gemeine Beste erhalten werde kan ein jeder vernünfftiger, wenn er auch gleich Catholisch ist, selbst ermessen. Kurtz von der Sache zu kommen: die meisten Privilegia der hohen Schulen und ihrer Lehrer kommen von denen faulen, eigensinnigen und commoden München und ihren Wesen her, mit denen auch die ersten hohen Schulen als mit Lehrern besetzt worden: von diesen haben hernach die Zuhörer alles als Evangelia angenommen, und irraitonable Dinge immer mehr und mehr ausgebreitet, Demnach kömt mir sehr wahrscheinlich vor, daß Bartolus und etliche andre Glossatores über l. 1. ff. solut. matrim. (wie selbige auch Rebuffus an besagten Orte citirt) mit von denen ersten gewesen, die dieses privilegiumerdacht, oder doch in Ansehen und praxin gebracht, wiewohl es sich eben so zierlich auf den angeführten legem primam als auf die beyden oberwehnten aus dem Codice schickt, nehmlich wie eine Faust auf das Auge. Wer der Papst dieselbe deshalb eingeführet, daß die politische Welt durch die Nase Weißheit der Mönche und Pfaffen als durch ein falsches Licht solte verblendet oder gar blind werden. Ja man darff nur der beyden Catholischen berühmten Männer, des Erasmi und Ludovici Vivis, encomium Moriae, und de causis corruptarum artium lesen, (des Henrici Cornelii Agrippae tractat de vanitate scientiarum zu geschweigen) so wird man, wenn man nicht gantz tumm ist, oder seyn will, dieser Wahrheit vergewissert werden. Daß nun ferner, wie Perez schreibet, die von denen Päpsten dependirende Professores das gemeine Wesen in beständigen Flor zu erhalten hätten helffen sollen / davon kan man aus dem was allbereit gemeldet worden, leichte urtheilen. Die Authentica habita getrauet sich selbst nicht einmahl dieses zu sagen; sondern sie meldet nur, daß die Professores die Studenten unterwiesen, daß die Unterthanen GOtt und dem Käyser als dessen Diener gehorchen solten (& ad obiendum Deo, & nobis ejus ministris vita subjectorum informatur) welche Redens Art in sensu mystico Juris Canonici so viel bedeutet, daß die Leyen (denn die Clerisey rechnete sich schon damahlen nicht unter die Unterthanen der weltlichen Obrigkeit) zu erst dem heiligen Vater Papst als Gottes Stadthalter, und alsdenn erst dem Käyser / als des Papsts Steigbügelhalter, und Füsse Küsser gehorchen solten. (Denn daß der Käyser der Pfaffen Knecht sey, hat schon zu seiner Zeit Joannes Sarisberiensis, der in 12. Seculo floriret, sich nicht gescheuet zu lehren, de nugis curialium lib. 4. cap. 3.) Ob nun hierdurch das gemeine Beste erhalten werde kan ein jeder vernünfftiger, wenn er auch gleich Catholisch ist, selbst ermessen. Kurtz von der Sache zu kommen: die meisten Privilegia der hohen Schulen und ihrer Lehrer kommen von denen faulen, eigensinnigen und commoden München und ihren Wesen her, mit denen auch die ersten hohen Schulen als mit Lehrern besetzt worden: von diesen haben hernach die Zuhörer alles als Evangelia angenommen, und irraitonable Dinge immer mehr und mehr ausgebreitet, Demnach kömt mir sehr wahrscheinlich vor, daß Bartolus und etliche andre Glossatores über l. 1. ff. solut. matrim. (wie selbige auch Rebuffus an besagten Orte citirt) mit von denen ersten gewesen, die dieses privilegiumerdacht, oder doch in Ansehen und praxin gebracht, wiewohl es sich eben so zierlich auf den angeführten legem primam als auf die beyden oberwehnten aus dem Codice schickt, nehmlich wie eine Faust auf das Auge. Wer <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0369" n="363"/> der Papst dieselbe deshalb eingeführet, daß die politische Welt durch die Nase Weißheit der Mönche und Pfaffen als durch ein falsches Licht solte verblendet oder gar blind werden. Ja man darff nur der beyden Catholischen berühmten Männer, des Erasmi und Ludovici Vivis, encomium Moriae, und de causis corruptarum artium lesen, (des Henrici Cornelii Agrippae tractat de vanitate scientiarum zu geschweigen) so wird man, wenn man nicht gantz tumm ist, oder seyn will, dieser Wahrheit vergewissert werden. Daß nun ferner, wie Perez schreibet, die von denen Päpsten dependirende Professores das gemeine Wesen in beständigen Flor zu erhalten hätten helffen sollen / davon kan man aus dem was allbereit gemeldet worden, leichte urtheilen. Die Authentica habita getrauet sich selbst nicht einmahl dieses zu sagen; sondern sie meldet nur, daß die Professores die Studenten unterwiesen, daß die Unterthanen GOtt und dem Käyser als dessen Diener gehorchen solten (& ad obiendum Deo, & nobis ejus ministris vita subjectorum informatur) welche Redens Art in sensu mystico Juris Canonici so viel bedeutet, daß die Leyen (denn die Clerisey rechnete sich schon damahlen nicht unter die Unterthanen der weltlichen Obrigkeit) zu erst dem heiligen Vater Papst als Gottes Stadthalter, und alsdenn erst dem Käyser / als des Papsts Steigbügelhalter, und Füsse Küsser gehorchen solten. (Denn daß der Käyser der Pfaffen Knecht sey, hat schon zu seiner Zeit Joannes Sarisberiensis, der in 12. Seculo floriret, sich nicht gescheuet zu lehren, de nugis curialium lib. 4. cap. 3.) Ob nun hierdurch das gemeine Beste erhalten werde kan ein jeder vernünfftiger, wenn er auch gleich Catholisch ist, selbst ermessen. Kurtz von der Sache zu kommen: die meisten Privilegia der hohen Schulen und ihrer Lehrer kommen von denen faulen, eigensinnigen und commoden München und ihren Wesen her, mit denen auch die ersten hohen Schulen als mit Lehrern besetzt worden: von diesen haben hernach die Zuhörer alles als Evangelia angenommen, und irraitonable Dinge immer mehr und mehr ausgebreitet, Demnach kömt mir sehr wahrscheinlich vor, daß Bartolus und etliche andre Glossatores über <hi rendition="#i">l. 1. ff. solut. matrim.</hi> (wie selbige auch Rebuffus an besagten Orte citirt) mit von denen ersten gewesen, die dieses privilegiumerdacht, oder doch in Ansehen und praxin gebracht, wiewohl es sich eben so zierlich auf den angeführten legem primam als auf die beyden oberwehnten aus dem Codice schickt, nehmlich wie eine Faust auf das Auge. Wer </p> </div> </body> </text> </TEI> [363/0369]
der Papst dieselbe deshalb eingeführet, daß die politische Welt durch die Nase Weißheit der Mönche und Pfaffen als durch ein falsches Licht solte verblendet oder gar blind werden. Ja man darff nur der beyden Catholischen berühmten Männer, des Erasmi und Ludovici Vivis, encomium Moriae, und de causis corruptarum artium lesen, (des Henrici Cornelii Agrippae tractat de vanitate scientiarum zu geschweigen) so wird man, wenn man nicht gantz tumm ist, oder seyn will, dieser Wahrheit vergewissert werden. Daß nun ferner, wie Perez schreibet, die von denen Päpsten dependirende Professores das gemeine Wesen in beständigen Flor zu erhalten hätten helffen sollen / davon kan man aus dem was allbereit gemeldet worden, leichte urtheilen. Die Authentica habita getrauet sich selbst nicht einmahl dieses zu sagen; sondern sie meldet nur, daß die Professores die Studenten unterwiesen, daß die Unterthanen GOtt und dem Käyser als dessen Diener gehorchen solten (& ad obiendum Deo, & nobis ejus ministris vita subjectorum informatur) welche Redens Art in sensu mystico Juris Canonici so viel bedeutet, daß die Leyen (denn die Clerisey rechnete sich schon damahlen nicht unter die Unterthanen der weltlichen Obrigkeit) zu erst dem heiligen Vater Papst als Gottes Stadthalter, und alsdenn erst dem Käyser / als des Papsts Steigbügelhalter, und Füsse Küsser gehorchen solten. (Denn daß der Käyser der Pfaffen Knecht sey, hat schon zu seiner Zeit Joannes Sarisberiensis, der in 12. Seculo floriret, sich nicht gescheuet zu lehren, de nugis curialium lib. 4. cap. 3.) Ob nun hierdurch das gemeine Beste erhalten werde kan ein jeder vernünfftiger, wenn er auch gleich Catholisch ist, selbst ermessen. Kurtz von der Sache zu kommen: die meisten Privilegia der hohen Schulen und ihrer Lehrer kommen von denen faulen, eigensinnigen und commoden München und ihren Wesen her, mit denen auch die ersten hohen Schulen als mit Lehrern besetzt worden: von diesen haben hernach die Zuhörer alles als Evangelia angenommen, und irraitonable Dinge immer mehr und mehr ausgebreitet, Demnach kömt mir sehr wahrscheinlich vor, daß Bartolus und etliche andre Glossatores über l. 1. ff. solut. matrim. (wie selbige auch Rebuffus an besagten Orte citirt) mit von denen ersten gewesen, die dieses privilegiumerdacht, oder doch in Ansehen und praxin gebracht, wiewohl es sich eben so zierlich auf den angeführten legem primam als auf die beyden oberwehnten aus dem Codice schickt, nehmlich wie eine Faust auf das Auge. Wer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/369 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/369>, abgerufen am 29.07.2024. |