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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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Kammer, welche ihnen vorhin schon wohl bekannt war. Doch wagte sich keiner von denen Clericis zu weit hinein, sondern blieben beyde im Eingang stehen, und liessen die Thür hinter ihnen weit offen, damit sie, wann die Noth am Mann gienge, ungehindert Fersen-Geld geben möchten. Der Priester, da er das Angesicht der vermeynten Nonnae im Bette erblicket, der er gleichwohl selber die letzte Oelung gereichet, sie auch mit zu Grabe begleitet, und würcklich in das Grab setzen gesehen hatte, entsetzte sich anfangs ein wenig, bliebe nicht weit von der Thür stehen, und betete. Bald ermannete er sich, trat vor das Bette, und stellte sich unverzagt gegen die Bestie, drehete den Weyh Wedel in der Hand herum, und fieng an aus dem Davidischen Psalm zu intoniren: Asperges me Dornine &c. Besprenge mich mit Isoppen, daß ich rein werde etc. Der Affe schwieg auf solche Stimme stille und rührte sich nicht, als er aber sahe, daß der Pfarrherr den rechten Arm auffhub mit dem Weih-Qvast, fürchtete er sich, in Meynung, es sey ein Stock, womit der zu ihm tretende Priester einen Streich versetzen werde, krümmete derohalben das Maul, hebt an mit denen Zähnen zu klappern und zu knirschen, auf so abscheuliche Art, daß der Pfarrherr gedacht, es wäre der leibhafftige Teuffel, der weder auff die heilige Zeichen / noch Ceremonien noch Gebete etwas gebe, lässet also für grossem ängstlichen Schmertzen den Weihwedel aus der Hand, und das Hertz in die Hosen fallen, und lief was er kunte, zur Kammer hinaus. Bey solcher schnellen Retirade begegnete ihm dieses Unglück, daß die beyden Clerici, so über den garstigen Anblick und das Zähnknirschen der Bestie erschrocken waren, den Vortheil der Flucht genommen, Kessel, Creutze und Bücher von sich geworffen, und sich die Stiege hinab gestürtzet hatten, da sie denn beyde auf einander stiessen, und so ungestüm himinter purtzelten, daß der Kopff unten, die Füsse über sich kamen. Sie waren aber noch nicht gar hinunter, da der Pfarrherr ihnen nacheilete, und die Treppen gleichfalls hinabfallend, mit seinem fetten und schweren Leibe gar oben auf sie zu liegen kam. Das grosse Gepolter der Herabfallenden verursachte unter denen Söhnen und denen von Furcht schon halb todten Haußgenossen ein grosses Schrecken, doch als sie die Priester auff der Erden liegen und von Staub und Blut so übel zugerichtet sahen, richteten sie dieselben auf. Als man aber fragte, was ihnen wiederfahren, und was die Ursach ihres blassen Angesichtes wäre, haben weder die Clerici noch der Pfarrherr in langer Zeit ein eintziges Wort geantwortet. Endlich hebt der gute fromme Pfarrherr, nachdem er sich ein wenig er

Kammer, welche ihnen vorhin schon wohl bekannt war. Doch wagte sich keiner von denen Clericis zu weit hinein, sondern blieben beyde im Eingang stehen, und liessen die Thür hinter ihnen weit offen, damit sie, wann die Noth am Mann gienge, ungehindert Fersen-Geld geben möchten. Der Priester, da er das Angesicht der vermeynten Nonnae im Bette erblicket, der er gleichwohl selber die letzte Oelung gereichet, sie auch mit zu Grabe begleitet, und würcklich in das Grab setzen gesehen hatte, entsetzte sich anfangs ein wenig, bliebe nicht weit von der Thür stehen, und betete. Bald ermannete er sich, trat vor das Bette, und stellte sich unverzagt gegen die Bestie, drehete den Weyh Wedel in der Hand herum, und fieng an aus dem Davidischen Psalm zu intoniren: Asperges me Dornine &c. Besprenge mich mit Isoppen, daß ich rein werde etc. Der Affe schwieg auf solche Stimme stille und rührte sich nicht, als er aber sahe, daß der Pfarrherr den rechten Arm auffhub mit dem Weih-Qvast, fürchtete er sich, in Meynung, es sey ein Stock, womit der zu ihm tretende Priester einen Streich versetzen werde, krümmete derohalben das Maul, hebt an mit denen Zähnen zu klappern und zu knirschen, auf so abscheuliche Art, daß der Pfarrherr gedacht, es wäre der leibhafftige Teuffel, der weder auff die heilige Zeichen / noch Ceremonien noch Gebete etwas gebe, lässet also für grossem ängstlichen Schmertzen den Weihwedel aus der Hand, und das Hertz in die Hosen fallen, und lief was er kunte, zur Kammer hinaus. Bey solcher schnellen Retirade begegnete ihm dieses Unglück, daß die beyden Clerici, so über den garstigen Anblick und das Zähnknirschen der Bestie erschrocken waren, den Vortheil der Flucht genommen, Kessel, Creutze und Bücher von sich geworffen, und sich die Stiege hinab gestürtzet hatten, da sie denn beyde auf einander stiessen, und so ungestüm himinter purtzelten, daß der Kopff unten, die Füsse über sich kamen. Sie waren aber noch nicht gar hinunter, da der Pfarrherr ihnen nacheilete, und die Treppen gleichfalls hinabfallend, mit seinem fetten und schweren Leibe gar oben auf sie zu liegen kam. Das grosse Gepolter der Herabfallenden verursachte unter denen Söhnen und denen von Furcht schon halb todten Haußgenossen ein grosses Schrecken, doch als sie die Priester auff der Erden liegen und von Staub und Blut so übel zugerichtet sahen, richteten sie dieselben auf. Als man aber fragte, was ihnen wiederfahren, und was die Ursach ihres blassen Angesichtes wäre, haben weder die Clerici noch der Pfarrherr in langer Zeit ein eintziges Wort geantwortet. Endlich hebt der gute fromme Pfarrherr, nachdem er sich ein wenig er

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[338/0346] Kammer, welche ihnen vorhin schon wohl bekannt war. Doch wagte sich keiner von denen Clericis zu weit hinein, sondern blieben beyde im Eingang stehen, und liessen die Thür hinter ihnen weit offen, damit sie, wann die Noth am Mann gienge, ungehindert Fersen-Geld geben möchten. Der Priester, da er das Angesicht der vermeynten Nonnae im Bette erblicket, der er gleichwohl selber die letzte Oelung gereichet, sie auch mit zu Grabe begleitet, und würcklich in das Grab setzen gesehen hatte, entsetzte sich anfangs ein wenig, bliebe nicht weit von der Thür stehen, und betete. Bald ermannete er sich, trat vor das Bette, und stellte sich unverzagt gegen die Bestie, drehete den Weyh Wedel in der Hand herum, und fieng an aus dem Davidischen Psalm zu intoniren: Asperges me Dornine &c. Besprenge mich mit Isoppen, daß ich rein werde etc. Der Affe schwieg auf solche Stimme stille und rührte sich nicht, als er aber sahe, daß der Pfarrherr den rechten Arm auffhub mit dem Weih-Qvast, fürchtete er sich, in Meynung, es sey ein Stock, womit der zu ihm tretende Priester einen Streich versetzen werde, krümmete derohalben das Maul, hebt an mit denen Zähnen zu klappern und zu knirschen, auf so abscheuliche Art, daß der Pfarrherr gedacht, es wäre der leibhafftige Teuffel, der weder auff die heilige Zeichen / noch Ceremonien noch Gebete etwas gebe, lässet also für grossem ängstlichen Schmertzen den Weihwedel aus der Hand, und das Hertz in die Hosen fallen, und lief was er kunte, zur Kammer hinaus. Bey solcher schnellen Retirade begegnete ihm dieses Unglück, daß die beyden Clerici, so über den garstigen Anblick und das Zähnknirschen der Bestie erschrocken waren, den Vortheil der Flucht genommen, Kessel, Creutze und Bücher von sich geworffen, und sich die Stiege hinab gestürtzet hatten, da sie denn beyde auf einander stiessen, und so ungestüm himinter purtzelten, daß der Kopff unten, die Füsse über sich kamen. Sie waren aber noch nicht gar hinunter, da der Pfarrherr ihnen nacheilete, und die Treppen gleichfalls hinabfallend, mit seinem fetten und schweren Leibe gar oben auf sie zu liegen kam. Das grosse Gepolter der Herabfallenden verursachte unter denen Söhnen und denen von Furcht schon halb todten Haußgenossen ein grosses Schrecken, doch als sie die Priester auff der Erden liegen und von Staub und Blut so übel zugerichtet sahen, richteten sie dieselben auf. Als man aber fragte, was ihnen wiederfahren, und was die Ursach ihres blassen Angesichtes wäre, haben weder die Clerici noch der Pfarrherr in langer Zeit ein eintziges Wort geantwortet. Endlich hebt der gute fromme Pfarrherr, nachdem er sich ein wenig er

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/346>, abgerufen am 18.05.2024.