Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.hohlet, und das Band seiner Zungen loß wurde, indem beyden Brüdern ihre Wunden verbunden worden, mit einen tieffen Seuffzen zitternd und bebend an zu sagen: Ich habe gesehen (denn mein Gesicht hat mich nicht betrogen) Ich habe recht eigentlich mit diesen meinen Augen den leibhafftigen Teuffel in der verstorbenen Frauen Gestalt gesehen. Er wolte noch mehr reden, aber ein unverhoffter Zufall hieß ihn abbrechen. Der Affe, welcher sich doppelt ersättiget hatte, theils an den verschlungenen Süssigkeiten, theils an dem erregten Spiel, dessen er nunmehr einmahl müde war, stund auf, gieng fein gemählich die Treppen hinunter, und erschien unversehens mitten zwischen den wehklagenden Pfarrherren und dem Volck, welches ihn mit einem Schauer zuhörete: Er trug den aufgesetzten Haupt-Schmuck der Verstorbenen noch aus dem Kopffe, nebst den Haarbinden, welche er eben so förmlich gedrehet hatte, wie die Alte zu thun pflag; desgleichen auch den daran hafftenden Schleyer, welcher ihm gantz geschicklich anlag. Hierob entstund anfanges unter den Anwesenden eine gewaltige Furcht, denn etliche wähneten, es wäre die Nonna recht wahrhasftig selbst, andere, es wäre der böse Geist, so sich in ihre Gestalt hätte verwandelt; welche Einbildung bey ihnen desto leichter hafftete, weil auch das blosse Angesicht des Affens dem alten Mütterlein nicht gar unähnlich war. Als aber der Affe durch sein gewöhnliches Tantzen, Springen, Spielen und Liebkosen sich verriethe, wurden sie erstlich gantz entzückt vor Verwunderung, darnach aber brachen alle sämtlich in ein solches Gelächter heraus, als ob in dem Hause keine Leiche betrauret, sondern eine Verlöbnüß gehalten würde, Der Pfarrherr selber, ob er gleich den Fall in seiner Seiten empfindlich genug fuhlete, und der beyden Läyen-Brüder noch grösserer Schade ihm sehr mitleydig zu Hertzen gieng, kunnte sich doch des Lachens nicht enthalten. Der Affe aber wußte nicht allein den Kleider Schmuck, sondern auch die Sitten und Geberde der begrabenen Mutter so meisterlich nachzubilden, daß man zweiffelte, ob die Kurtzweil und Lust grösser wäre, die er jetzt anrichtete, oder die Traurigkeit und Bestürtzung, womit er zuvor das gantze Haus hatte überschüttet. Endlich gieng er, da sich der Tag geneiget, in selbigen ornat hinaus auf die Gassen und mitten unter den Hauffen derer, welche solchem lustigen Spectacul in grosser Menge zulieffen, durchhin, nach sein Racht-Quartier in das Castell, mit solchem Geberden, als ob er über seine Verrichtungen triumphirte. hohlet, und das Band seiner Zungen loß wurde, indem beyden Brüdern ihre Wunden verbunden worden, mit einen tieffen Seuffzen zitternd und bebend an zu sagen: Ich habe gesehen (denn mein Gesicht hat mich nicht betrogen) Ich habe recht eigentlich mit diesen meinen Augen den leibhafftigen Teuffel in der verstorbenen Frauen Gestalt gesehen. Er wolte noch mehr reden, aber ein unverhoffter Zufall hieß ihn abbrechen. Der Affe, welcher sich doppelt ersättiget hatte, theils an den verschlungenen Süssigkeiten, theils an dem erregten Spiel, dessen er nunmehr einmahl müde war, stund auf, gieng fein gemählich die Treppen hinunter, und erschien unversehens mitten zwischen den wehklagenden Pfarrherren und dem Volck, welches ihn mit einem Schauer zuhörete: Er trug den aufgesetzten Haupt-Schmuck der Verstorbenen noch aus dem Kopffe, nebst den Haarbinden, welche er eben so förmlich gedrehet hatte, wie die Alte zu thun pflag; desgleichen auch den daran hafftenden Schleyer, welcher ihm gantz geschicklich anlag. Hierob entstund anfanges unter den Anwesenden eine gewaltige Furcht, denn etliche wähneten, es wäre die Nonna recht wahrhasftig selbst, andere, es wäre der böse Geist, so sich in ihre Gestalt hätte verwandelt; welche Einbildung bey ihnen desto leichter hafftete, weil auch das blosse Angesicht des Affens dem alten Mütterlein nicht gar unähnlich war. Als aber der Affe durch sein gewöhnliches Tantzen, Springen, Spielen und Liebkosen sich verriethe, wurden sie erstlich gantz entzückt vor Verwunderung, darnach aber brachen alle sämtlich in ein solches Gelächter heraus, als ob in dem Hause keine Leiche betrauret, sondern eine Verlöbnüß gehalten würde, Der Pfarrherr selber, ob er gleich den Fall in seiner Seiten empfindlich genug fuhlete, und der beyden Läyen-Brüder noch grösserer Schade ihm sehr mitleydig zu Hertzen gieng, kunnte sich doch des Lachens nicht enthalten. Der Affe aber wußte nicht allein den Kleider Schmuck, sondern auch die Sitten und Geberde der begrabenen Mutter so meisterlich nachzubilden, daß man zweiffelte, ob die Kurtzweil und Lust grösser wäre, die er jetzt anrichtete, oder die Traurigkeit und Bestürtzung, womit er zuvor das gantze Haus hatte überschüttet. Endlich gieng er, da sich der Tag geneiget, in selbigen ornat hinaus auf die Gassen und mitten unter den Hauffen derer, welche solchem lustigen Spectacul in grosser Menge zulieffen, durchhin, nach sein Racht-Quartier in das Castell, mit solchem Geberden, als ob er über seine Verrichtungen triumphirte. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0347" n="339"/> hohlet, und das Band seiner Zungen loß wurde, indem beyden Brüdern ihre Wunden verbunden worden, mit einen tieffen Seuffzen zitternd und bebend an zu sagen: Ich habe gesehen (denn mein Gesicht hat mich nicht betrogen) Ich habe recht eigentlich mit diesen meinen Augen den leibhafftigen Teuffel in der verstorbenen Frauen Gestalt gesehen. Er wolte noch mehr reden, aber ein unverhoffter Zufall hieß ihn abbrechen. Der Affe, welcher sich doppelt ersättiget hatte, theils an den verschlungenen Süssigkeiten, theils an dem erregten Spiel, dessen er nunmehr einmahl müde war, stund auf, gieng fein gemählich die Treppen hinunter, und erschien unversehens mitten zwischen den wehklagenden Pfarrherren und dem Volck, welches ihn mit einem Schauer zuhörete: Er trug den aufgesetzten Haupt-Schmuck der Verstorbenen noch aus dem Kopffe, nebst den Haarbinden, welche er eben so förmlich gedrehet hatte, wie die Alte zu thun pflag; desgleichen auch den daran hafftenden Schleyer, welcher ihm gantz geschicklich anlag. Hierob entstund anfanges unter den Anwesenden eine gewaltige Furcht, denn etliche wähneten, es wäre die Nonna recht wahrhasftig selbst, andere, es wäre der böse Geist, so sich in ihre Gestalt hätte verwandelt; welche Einbildung bey ihnen desto leichter hafftete, weil auch das blosse Angesicht des Affens dem alten Mütterlein nicht gar unähnlich war. Als aber der Affe durch sein gewöhnliches Tantzen, Springen, Spielen und Liebkosen sich verriethe, wurden sie erstlich gantz entzückt vor Verwunderung, darnach aber brachen alle sämtlich in ein solches Gelächter heraus, als ob in dem Hause keine Leiche betrauret, sondern eine Verlöbnüß gehalten würde, Der Pfarrherr selber, ob er gleich den Fall in seiner Seiten empfindlich genug fuhlete, und der beyden Läyen-Brüder noch grösserer Schade ihm sehr mitleydig zu Hertzen gieng, kunnte sich doch des Lachens nicht enthalten. Der Affe aber wußte nicht allein den Kleider Schmuck, sondern auch die Sitten und Geberde der begrabenen Mutter so meisterlich nachzubilden, daß man zweiffelte, ob die Kurtzweil und Lust grösser wäre, die er jetzt anrichtete, oder die Traurigkeit und Bestürtzung, womit er zuvor das gantze Haus hatte überschüttet. Endlich gieng er, da sich der Tag geneiget, in selbigen ornat hinaus auf die Gassen und mitten unter den Hauffen derer, welche solchem lustigen Spectacul in grosser Menge zulieffen, durchhin, nach sein Racht-Quartier in das Castell, mit solchem Geberden, als ob er über seine Verrichtungen triumphirte.</p> </div> </body> </text> </TEI> [339/0347]
hohlet, und das Band seiner Zungen loß wurde, indem beyden Brüdern ihre Wunden verbunden worden, mit einen tieffen Seuffzen zitternd und bebend an zu sagen: Ich habe gesehen (denn mein Gesicht hat mich nicht betrogen) Ich habe recht eigentlich mit diesen meinen Augen den leibhafftigen Teuffel in der verstorbenen Frauen Gestalt gesehen. Er wolte noch mehr reden, aber ein unverhoffter Zufall hieß ihn abbrechen. Der Affe, welcher sich doppelt ersättiget hatte, theils an den verschlungenen Süssigkeiten, theils an dem erregten Spiel, dessen er nunmehr einmahl müde war, stund auf, gieng fein gemählich die Treppen hinunter, und erschien unversehens mitten zwischen den wehklagenden Pfarrherren und dem Volck, welches ihn mit einem Schauer zuhörete: Er trug den aufgesetzten Haupt-Schmuck der Verstorbenen noch aus dem Kopffe, nebst den Haarbinden, welche er eben so förmlich gedrehet hatte, wie die Alte zu thun pflag; desgleichen auch den daran hafftenden Schleyer, welcher ihm gantz geschicklich anlag. Hierob entstund anfanges unter den Anwesenden eine gewaltige Furcht, denn etliche wähneten, es wäre die Nonna recht wahrhasftig selbst, andere, es wäre der böse Geist, so sich in ihre Gestalt hätte verwandelt; welche Einbildung bey ihnen desto leichter hafftete, weil auch das blosse Angesicht des Affens dem alten Mütterlein nicht gar unähnlich war. Als aber der Affe durch sein gewöhnliches Tantzen, Springen, Spielen und Liebkosen sich verriethe, wurden sie erstlich gantz entzückt vor Verwunderung, darnach aber brachen alle sämtlich in ein solches Gelächter heraus, als ob in dem Hause keine Leiche betrauret, sondern eine Verlöbnüß gehalten würde, Der Pfarrherr selber, ob er gleich den Fall in seiner Seiten empfindlich genug fuhlete, und der beyden Läyen-Brüder noch grösserer Schade ihm sehr mitleydig zu Hertzen gieng, kunnte sich doch des Lachens nicht enthalten. Der Affe aber wußte nicht allein den Kleider Schmuck, sondern auch die Sitten und Geberde der begrabenen Mutter so meisterlich nachzubilden, daß man zweiffelte, ob die Kurtzweil und Lust grösser wäre, die er jetzt anrichtete, oder die Traurigkeit und Bestürtzung, womit er zuvor das gantze Haus hatte überschüttet. Endlich gieng er, da sich der Tag geneiget, in selbigen ornat hinaus auf die Gassen und mitten unter den Hauffen derer, welche solchem lustigen Spectacul in grosser Menge zulieffen, durchhin, nach sein Racht-Quartier in das Castell, mit solchem Geberden, als ob er über seine Verrichtungen triumphirte.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/347>, abgerufen am 16.02.2025. |