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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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Schrifft enthalten seyn. Solte aber in tiefferen Nachdencken diese hypothesis, daß ausser dem allgemeinen natürlichen Rechte, auch ein allgemeines von dem natürlichen Rechte unterschiedenes geoffenbahrtes Gesetze vorhanden sey, für falsch und irrig befunden werden; so begreiffet man leichtlich, daß alsdann die Erörterung der 3. und 4. Frage keinen grossenBey der dritten u. vierdten. Nutzen habe. Denn wenn es schon noch so gewiß wäre, daß des Weibes Schwester in dem Mosaischen Gesetz zu heyrathen verboten sey, es möge ge nun solches in Levit. 18. vers 18. oder an einem andern Ort enthalten seyn; so würde doch dieses die Christen so wenig als andere Mosaische Gesetze angehen, die dem Jüdischen Volcke alleine gegeben sind. Die dritte Frage hat zweyerley Verstand in sich, einmahl, ob des verstorbenen Weibes Schwester mit ausdrücklichen Worten in dem Mosaischen Gesetz verboten sey; zum andern, ob, wenn es schon nicht mit ausdrücklichen Worten geschehen, dennoch dieses Verbot per regulas bonae interpretationis extensivae ex identitate rationis, oder ex aliis regulis aus andern Orten des Mosaischen Gesetzes als verboten könne bewiesen werden? Und wenn demnach bey dieser dritten Frage das Verbot / es sey nun auf was für Weise es wolle, ist erwiesen worden, wird die Verneinung der vierdten und letzten Frage der Beantwortung der dritten wenig praejudiciren; denn wenn gleich diese Ehe nicht Levit. 18. vers 18. verboten wäre, ist doch schon genung, wenn das Verbot aus andern Oertern des Mosaischen Gesetzes erwiesen werden könte: Hingegen wenn bey der vierdten Frage das Verbot dieser Ehe auch aus diesem allegirten Orte dargethan wird, so ist es desto besser und für die Beantwortung der dritten Frage desto dienlicher.

So viel nun meine bisherige Meynung belanget, nach allen diesenMeine erste Meynung von diesen vier Neben-Fragen. vier unterschiedenen und distincten Fragen, so habe ich in Institutionibus Jurisprudentiae divinae

lib. 3 cap. 2. n. 220. seq. inprimis autem n. 247.

meine Ursachen deutlich gesetzt, warum ich quoad (1) dafür halte, daß diese Ehe dem göttlichen allgemeinen natürlichen Recht nicht zuwieder sey: im folgenden Capitel aber

d. l. 3. c. 3. n. 198. seq.

habe ich den Inhalt dieses gantzen Streits aufs kürtzeste begriffen, und nachdem ich vorher

lib. 1. c. 4. n. 79.

die criteria cognoscendae legis positivae universalis zum Grunde geleget hatte, ist

in d. c. 3. n. 99. seq.

Schrifft enthalten seyn. Solte aber in tiefferen Nachdencken diese hypothesis, daß ausser dem allgemeinen natürlichen Rechte, auch ein allgemeines von dem natürlichen Rechte unterschiedenes geoffenbahrtes Gesetze vorhanden sey, für falsch und irrig befunden werden; so begreiffet man leichtlich, daß alsdann die Erörterung der 3. und 4. Frage keinen grossenBey der dritten u. vierdten. Nutzen habe. Denn wenn es schon noch so gewiß wäre, daß des Weibes Schwester in dem Mosaischen Gesetz zu heyrathen verboten sey, es möge ge nun solches in Levit. 18. vers 18. oder an einem andern Ort enthalten seyn; so würde doch dieses die Christen so wenig als andere Mosaische Gesetze angehen, die dem Jüdischen Volcke alleine gegeben sind. Die dritte Frage hat zweyerley Verstand in sich, einmahl, ob des verstorbenen Weibes Schwester mit ausdrücklichen Worten in dem Mosaischen Gesetz verboten sey; zum andern, ob, wenn es schon nicht mit ausdrücklichen Worten geschehen, dennoch dieses Verbot per regulas bonae interpretationis extensivae ex identitate rationis, oder ex aliis regulis aus andern Orten des Mosaischen Gesetzes als verboten könne bewiesen werden? Und wenn demnach bey dieser dritten Frage das Verbot / es sey nun auf was für Weise es wolle, ist erwiesen worden, wird die Verneinung der vierdten und letzten Frage der Beantwortung der dritten wenig praejudiciren; denn wenn gleich diese Ehe nicht Levit. 18. vers 18. verboten wäre, ist doch schon genung, wenn das Verbot aus andern Oertern des Mosaischen Gesetzes erwiesen werden könte: Hingegen wenn bey der vierdten Frage das Verbot dieser Ehe auch aus diesem allegirten Orte dargethan wird, so ist es desto besser und für die Beantwortung der dritten Frage desto dienlicher.

So viel nun meine bisherige Meynung belanget, nach allen diesenMeine erste Meynung von diesen vier Neben-Fragen. vier unterschiedenen und distincten Fragen, so habe ich in Institutionibus Jurisprudentiae divinae

lib. 3 cap. 2. n. 220. seq. inprimis autem n. 247.

meine Ursachen deutlich gesetzt, warum ich quoad (1) dafür halte, daß diese Ehe dem göttlichen allgemeinen natürlichen Recht nicht zuwieder sey: im folgenden Capitel aber

d. l. 3. c. 3. n. 198. seq.

habe ich den Inhalt dieses gantzen Streits aufs kürtzeste begriffen, und nachdem ich vorher

lib. 1. c. 4. n. 79.

die criteria cognoscendae legis positivae universalis zum Grunde geleget hatte, ist

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[285/0293] Schrifft enthalten seyn. Solte aber in tiefferen Nachdencken diese hypothesis, daß ausser dem allgemeinen natürlichen Rechte, auch ein allgemeines von dem natürlichen Rechte unterschiedenes geoffenbahrtes Gesetze vorhanden sey, für falsch und irrig befunden werden; so begreiffet man leichtlich, daß alsdann die Erörterung der 3. und 4. Frage keinen grossen Nutzen habe. Denn wenn es schon noch so gewiß wäre, daß des Weibes Schwester in dem Mosaischen Gesetz zu heyrathen verboten sey, es möge ge nun solches in Levit. 18. vers 18. oder an einem andern Ort enthalten seyn; so würde doch dieses die Christen so wenig als andere Mosaische Gesetze angehen, die dem Jüdischen Volcke alleine gegeben sind. Die dritte Frage hat zweyerley Verstand in sich, einmahl, ob des verstorbenen Weibes Schwester mit ausdrücklichen Worten in dem Mosaischen Gesetz verboten sey; zum andern, ob, wenn es schon nicht mit ausdrücklichen Worten geschehen, dennoch dieses Verbot per regulas bonae interpretationis extensivae ex identitate rationis, oder ex aliis regulis aus andern Orten des Mosaischen Gesetzes als verboten könne bewiesen werden? Und wenn demnach bey dieser dritten Frage das Verbot / es sey nun auf was für Weise es wolle, ist erwiesen worden, wird die Verneinung der vierdten und letzten Frage der Beantwortung der dritten wenig praejudiciren; denn wenn gleich diese Ehe nicht Levit. 18. vers 18. verboten wäre, ist doch schon genung, wenn das Verbot aus andern Oertern des Mosaischen Gesetzes erwiesen werden könte: Hingegen wenn bey der vierdten Frage das Verbot dieser Ehe auch aus diesem allegirten Orte dargethan wird, so ist es desto besser und für die Beantwortung der dritten Frage desto dienlicher. Bey der dritten u. vierdten. So viel nun meine bisherige Meynung belanget, nach allen diesen vier unterschiedenen und distincten Fragen, so habe ich in Institutionibus Jurisprudentiae divinae Meine erste Meynung von diesen vier Neben-Fragen. lib. 3 cap. 2. n. 220. seq. inprimis autem n. 247. meine Ursachen deutlich gesetzt, warum ich quoad (1) dafür halte, daß diese Ehe dem göttlichen allgemeinen natürlichen Recht nicht zuwieder sey: im folgenden Capitel aber d. l. 3. c. 3. n. 198. seq. habe ich den Inhalt dieses gantzen Streits aufs kürtzeste begriffen, und nachdem ich vorher lib. 1. c. 4. n. 79. die criteria cognoscendae legis positivae universalis zum Grunde geleget hatte, ist in d. c. 3. n. 99. seq.

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/293>, abgerufen am 18.05.2024.