Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

oder ob hieraus sonsten ein Schade vor das gemeine Wesen entstehen werde. Ferner beschauet er anderer Völcker ihre Arten zu richten, so wohl in peinlichen als bürgerlichen Sachen, und vergleichet solche nicht allein unter einander, sondern auch mit der Mosaischen Gerechtigkeits-Verwaltung. Woraus leichte zu begreiffen, was da vor eine Menge Betrachtungen zu finden, die nicht pedantisch und eitel, sondern den Verstand in politischen Dingen zum Wohlseyn der Republick zu schärffen sehr beqvem sind. Also werden z. E. das Salomonische Urtheil, der Ausspruch eines Königes, dessen Nahmen mir entfallen, der durch eine verstellte Gnade und Vertauschung derer Hüte einen Kerl, so eine ihm aufzuheben gegebene Sache verlengnen wolte, der Lügen überführte, das Urtheil des Appii Claudii für die Knechtschafft wieder die Freyheit, das Gerichte des Raths zu Budstädt wieder einen Todtschläger, welches zur Nachts innerhalb wenig Stunden nach geschehener Ubelthat angestellt, geendiget und zur execution gebracht worden, h) ja noch viel andere Dinge mehr, vielerley Betrachtungenh) vid. Mulleri Annales des Hauses Sachsen ad ann. 1470. p. 40. an die Hand geben, wodurch die Lehre von Verbesserung der Processe um ein merckliches erläutert wird. Bey der Vergleichung der Processe anderer Völcker unter einander ist auch derer Römer Art zu processiren unter denen Königen und der Process in der freyen Republick vor und nach der Erlangung des Gesetzes der zwölff Taffeln, ingleichen das rechtliche Verfahren unter Justiniano gegen einander zu halten, dergleichen auch bey dem teutschen Processe die alten Zeiten, da in zweiffelhaften Sachen der gerichtliche Zweykampf noch üblich war, gegen der nachfolgendem Art zu processiren muß gehalten werden, da die Geistlichkeit andere so genannte gemeine, allein sehr betrügliche und abergläubische, Rechtfertigungen und Purgationes eingeführet, biß endlich die Reinigungs-Eyde, jedoch anfänglich mit einem Hauffen conjuratoribus Mode worden. u. s. w. Ferner muß auch wieder Octavium Pisanum, welcher in seinem Lycurgo Italico den Römischen Inquisitions Process zum Grunde setzet, erwiesen werden, daß dieser Process die Gerechtigkeit nicht befördere noch beschleunige, sondern gantz und gar zu Verzögerung der Rechts-Sachen und ficherer Ausübung der grausamsten Ungerechtigkeit unter dem Schein der billigsten und heiligsten Gerechtigkeit erfunden sey. Dabey könnte man den Proceß in Dennemarck und Schweden beleuchten, welcher gegen den heutigen teutschen Proceß zu rechnen dem gemeinen Wunsch aller Republicken viel näher kömmt, i) wenn nur was hinlängliches davon in deneni) Conf. supra §. 1. 2. 3. vorhandenen Büchern anzutreffen wäre. Jedoch wird man schon andere Mittel finden, von der Dänischen und Schwedischen Civil- und

oder ob hieraus sonsten ein Schade vor das gemeine Wesen entstehen werde. Ferner beschauet er anderer Völcker ihre Arten zu richten, so wohl in peinlichen als bürgerlichen Sachen, und vergleichet solche nicht allein unter einander, sondern auch mit der Mosaischen Gerechtigkeits-Verwaltung. Woraus leichte zu begreiffen, was da vor eine Menge Betrachtungen zu finden, die nicht pedantisch und eitel, sondern den Verstand in politischen Dingen zum Wohlseyn der Republick zu schärffen sehr beqvem sind. Also werden z. E. das Salomonische Urtheil, der Ausspruch eines Königes, dessen Nahmen mir entfallen, der durch eine verstellte Gnade und Vertauschung derer Hüte einen Kerl, so eine ihm aufzuheben gegebene Sache verlengnen wolte, der Lügen überführte, das Urtheil des Appii Claudii für die Knechtschafft wieder die Freyheit, das Gerichte des Raths zu Budstädt wieder einen Todtschläger, welches zur Nachts innerhalb wenig Stunden nach geschehener Ubelthat angestellt, geendiget und zur execution gebracht worden, h) ja noch viel andere Dinge mehr, vielerley Betrachtungenh) vid. Mulleri Annales des Hauses Sachsen ad ann. 1470. p. 40. an die Hand geben, wodurch die Lehre von Verbesserung der Processe um ein merckliches erläutert wird. Bey der Vergleichung der Processe anderer Völcker unter einander ist auch derer Römer Art zu processiren unter denen Königen und der Process in der freyen Republick vor und nach der Erlangung des Gesetzes der zwölff Taffeln, ingleichen das rechtliche Verfahren unter Justiniano gegen einander zu halten, dergleichen auch bey dem teutschen Processe die alten Zeiten, da in zweiffelhaften Sachen der gerichtliche Zweykampf noch üblich war, gegen der nachfolgendem Art zu processiren muß gehalten werden, da die Geistlichkeit andere so genannte gemeine, allein sehr betrügliche und abergläubische, Rechtfertigungen und Purgationes eingeführet, biß endlich die Reinigungs-Eyde, jedoch anfänglich mit einem Hauffen conjuratoribus Mode worden. u. s. w. Ferner muß auch wieder Octavium Pisanum, welcher in seinem Lycurgo Italico den Römischen Inquisitions Process zum Grunde setzet, erwiesen werden, daß dieser Process die Gerechtigkeit nicht befördere noch beschleunige, sondern gantz und gar zu Verzögerung der Rechts-Sachen und ficherer Ausübung der grausamsten Ungerechtigkeit unter dem Schein der billigsten und heiligsten Gerechtigkeit erfunden sey. Dabey könnte man den Proceß in Dennemarck und Schweden beleuchten, welcher gegen den heutigen teutschen Proceß zu rechnen dem gemeinen Wunsch aller Republicken viel näher kömmt, i) wenn nur was hinlängliches davon in deneni) Conf. supra §. 1. 2. 3. vorhandenen Büchern anzutreffen wäre. Jedoch wird man schon andere Mittel finden, von der Dänischen und Schwedischen Civil- und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0195" n="187"/>
oder ob                      hieraus sonsten ein Schade vor das gemeine Wesen entstehen werde. Ferner                      beschauet er anderer Völcker ihre Arten zu richten, so wohl in peinlichen als                      bürgerlichen Sachen, und vergleichet solche nicht allein unter einander, sondern                      auch mit der Mosaischen Gerechtigkeits-Verwaltung. Woraus leichte zu begreiffen,                      was da vor eine Menge Betrachtungen zu finden, die nicht pedantisch und eitel,                      sondern den Verstand in politischen Dingen zum Wohlseyn der Republick zu                      schärffen sehr beqvem sind. Also werden z. E. das Salomonische Urtheil, der                      Ausspruch eines Königes, dessen Nahmen mir entfallen, der durch eine verstellte                      Gnade und Vertauschung derer Hüte einen Kerl, so eine ihm aufzuheben gegebene                      Sache verlengnen wolte, der Lügen überführte, das Urtheil des Appii Claudii für                      die Knechtschafft wieder die Freyheit, das Gerichte des Raths zu Budstädt wieder                      einen Todtschläger, welches zur Nachts innerhalb wenig Stunden nach geschehener                      Ubelthat angestellt, geendiget und zur execution gebracht worden, h) ja noch                      viel andere Dinge mehr, vielerley Betrachtungen<note place="right">h)                          vid. Mulleri Annales des Hauses Sachsen ad ann. 1470. p. 40.</note> an die                      Hand geben, wodurch die Lehre von Verbesserung der Processe um ein merckliches                      erläutert wird. Bey der Vergleichung der Processe anderer Völcker unter einander                      ist auch derer Römer Art zu processiren unter denen Königen und der Process in                      der freyen Republick vor und nach der Erlangung des Gesetzes der zwölff Taffeln,                      ingleichen das rechtliche Verfahren unter Justiniano gegen einander zu halten,                      dergleichen auch bey dem teutschen Processe die alten Zeiten, da in                      zweiffelhaften Sachen der gerichtliche Zweykampf noch üblich war, gegen der                      nachfolgendem Art zu processiren muß gehalten werden, da die Geistlichkeit                      andere so genannte gemeine, allein sehr betrügliche und abergläubische,                      Rechtfertigungen und Purgationes eingeführet, biß endlich die Reinigungs-Eyde,                      jedoch anfänglich mit einem Hauffen conjuratoribus Mode worden. u. s. w. Ferner                      muß auch wieder Octavium Pisanum, welcher in seinem Lycurgo Italico den                      Römischen Inquisitions Process zum Grunde setzet, erwiesen werden, daß dieser                      Process die Gerechtigkeit nicht befördere noch beschleunige, sondern gantz und                      gar zu Verzögerung der Rechts-Sachen und ficherer Ausübung der grausamsten                      Ungerechtigkeit unter dem Schein der billigsten und heiligsten Gerechtigkeit                      erfunden sey. Dabey könnte man den Proceß in Dennemarck und Schweden beleuchten,                      welcher gegen den heutigen teutschen Proceß zu rechnen dem gemeinen Wunsch aller                      Republicken viel näher kömmt, i) wenn nur was hinlängliches davon in denen<note place="right">i) Conf. supra §. 1. 2. 3.</note> vorhandenen Büchern                      anzutreffen wäre. Jedoch wird man schon andere Mittel finden, von der Dänischen                      und Schwedischen Civil- und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0195] oder ob hieraus sonsten ein Schade vor das gemeine Wesen entstehen werde. Ferner beschauet er anderer Völcker ihre Arten zu richten, so wohl in peinlichen als bürgerlichen Sachen, und vergleichet solche nicht allein unter einander, sondern auch mit der Mosaischen Gerechtigkeits-Verwaltung. Woraus leichte zu begreiffen, was da vor eine Menge Betrachtungen zu finden, die nicht pedantisch und eitel, sondern den Verstand in politischen Dingen zum Wohlseyn der Republick zu schärffen sehr beqvem sind. Also werden z. E. das Salomonische Urtheil, der Ausspruch eines Königes, dessen Nahmen mir entfallen, der durch eine verstellte Gnade und Vertauschung derer Hüte einen Kerl, so eine ihm aufzuheben gegebene Sache verlengnen wolte, der Lügen überführte, das Urtheil des Appii Claudii für die Knechtschafft wieder die Freyheit, das Gerichte des Raths zu Budstädt wieder einen Todtschläger, welches zur Nachts innerhalb wenig Stunden nach geschehener Ubelthat angestellt, geendiget und zur execution gebracht worden, h) ja noch viel andere Dinge mehr, vielerley Betrachtungen an die Hand geben, wodurch die Lehre von Verbesserung der Processe um ein merckliches erläutert wird. Bey der Vergleichung der Processe anderer Völcker unter einander ist auch derer Römer Art zu processiren unter denen Königen und der Process in der freyen Republick vor und nach der Erlangung des Gesetzes der zwölff Taffeln, ingleichen das rechtliche Verfahren unter Justiniano gegen einander zu halten, dergleichen auch bey dem teutschen Processe die alten Zeiten, da in zweiffelhaften Sachen der gerichtliche Zweykampf noch üblich war, gegen der nachfolgendem Art zu processiren muß gehalten werden, da die Geistlichkeit andere so genannte gemeine, allein sehr betrügliche und abergläubische, Rechtfertigungen und Purgationes eingeführet, biß endlich die Reinigungs-Eyde, jedoch anfänglich mit einem Hauffen conjuratoribus Mode worden. u. s. w. Ferner muß auch wieder Octavium Pisanum, welcher in seinem Lycurgo Italico den Römischen Inquisitions Process zum Grunde setzet, erwiesen werden, daß dieser Process die Gerechtigkeit nicht befördere noch beschleunige, sondern gantz und gar zu Verzögerung der Rechts-Sachen und ficherer Ausübung der grausamsten Ungerechtigkeit unter dem Schein der billigsten und heiligsten Gerechtigkeit erfunden sey. Dabey könnte man den Proceß in Dennemarck und Schweden beleuchten, welcher gegen den heutigen teutschen Proceß zu rechnen dem gemeinen Wunsch aller Republicken viel näher kömmt, i) wenn nur was hinlängliches davon in denen vorhandenen Büchern anzutreffen wäre. Jedoch wird man schon andere Mittel finden, von der Dänischen und Schwedischen Civil- und h) vid. Mulleri Annales des Hauses Sachsen ad ann. 1470. p. 40. i) Conf. supra §. 1. 2. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/195
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/195>, abgerufen am 16.07.2024.