Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.cher obberührte Mängel ersetzet werden, und daß die Lehrer auf denen Protestantischen (wolte GOtt auch auf denen Catholischen) Academien, vor ihren überleyen (welches Wort wohl zu mercken) Fleiß, den sie auf die Griechischen und Römischen Antiquitäten wenden, vielmehr die verborgenen altenteutschen Geschichte (aufs wenigste derer letzten fünf hundert Jahre) besser untersuchten, und an statt gekünstelter und unnützer Fragen in allen Stücken der Gelehrsamkeit vielmehr deutliche und nützliche Dinge vornähmen und sich darauf legten. §. XIX. Es ist aber noch nicht genug, daß ein politischer Artzt alle biß hieher erforderte Eigenschafften hat, denn alles dieses gehöret nur zur Vorbereitung, sondern wir müssen auch die Art und Weise etwas genauer betrachten, welche er in Verbesserung der langweiligen Rechts-Verwaltung selbst beobachten muß, und ohne welche das Vornehmen unmöglich einen guten Ausgang haben kan. Diese methode nun werden wir wohl am besten zeigen können, wenn wir unsern Verbesserer der Justitz mit einem würcklichen Artzt vergleichen Alle Disciplinen, die zur thätigen Philosophie gehören, sollen vor allen Dingen lehren, eine deutliche aber keine gar zu subtile oder närrische Erkäntniß von Erhaltung des vorgesetzten Zwecks vorzutragen. Also muß ein leibl. Artzt einen Begriff der menschl. Gesundheit habe u. zwar so, wie davon alltägliche Exempel zu finden; er muß sich aber nicht etwa eine englische Gesundheit, oder wie die Menschen im Standt der Unschuld würden gehabt haben, im Gehirne einbilden, noch auch etwa eine solche, in welcher die Menschen vor der Sündfluth lebten, als von deren Lebens-Art und denen Ursachen ihres langen Lebens wir nichts zuverläßiges sagen können. Gleichergestalt muß ein rechtschaffener Politicus einen Begriff einer vollkommenen Republick fassen, nicht nach dem Platonischen oder Ciceronianischen Schlaraffen-Land, noch nach den Exempeln anderer Republicken, z. E. der Atheniensischen, Spartanischen, Römischen, Constantinopolitanischen, Türckischen, noch der alten Teutschen, am allerwenigsten aber nach der Affterchristlichen, oder deutlicher zu sagen, nach der Päbstlichen Monarchischen Regiments-Form, sondern allein nach der Vorstellung der Mosaischen Republick, wie sie nach der Lehre Christi von denen Ceremonien als dem Schattenwerck derer zukünfftigen Dinge gereiniget g) repete supra dicta §. 10.worden g). So muß auch ein Jurist, der die langwierigen Rechts-Händel beschneiden will, die irrigen Vorstellungen einer geschwinden Rechts-Verwaltung von denen tauglichen unterscheiden, daß er nehmlich untersuche, ob diese Geschwindigkeit mit einer Ungerechtigkeit nicht schon würcklich verknüpfft sey; oder doch dazu in andern Exempeln werde Anlaß geben, cher obberührte Mängel ersetzet werden, und daß die Lehrer auf denen Protestantischen (wolte GOtt auch auf denen Catholischen) Academien, vor ihren überleyen (welches Wort wohl zu mercken) Fleiß, den sie auf die Griechischen und Römischen Antiquitäten wenden, vielmehr die verborgenen altenteutschen Geschichte (aufs wenigste derer letzten fünf hundert Jahre) besser untersuchten, und an statt gekünstelter und unnützer Fragen in allen Stücken der Gelehrsamkeit vielmehr deutliche und nützliche Dinge vornähmen und sich darauf legten. §. XIX. Es ist aber noch nicht genug, daß ein politischer Artzt alle biß hieher erforderte Eigenschafften hat, denn alles dieses gehöret nur zur Vorbereitung, sondern wir müssen auch die Art und Weise etwas genauer betrachten, welche er in Verbesserung der langweiligẽ Rechts-Verwaltung selbst beobachten muß, und ohne welche das Vornehmen unmöglich einen guten Ausgang haben kan. Diese methode nun werden wir wohl am besten zeigen können, wenn wir unsern Verbesserer der Justitz mit einem würcklichen Artzt vergleichen Alle Disciplinen, die zur thätigen Philosophie gehören, sollen vor allen Dingẽ lehren, eine deutliche aber keine gar zu subtile oder närrische Erkäntniß von Erhaltung des vorgesetzten Zwecks vorzutragen. Also muß ein leibl. Artzt einen Begriff der menschl. Gesundheit habe u. zwar so, wie davon alltägliche Exempel zu finden; er muß sich aber nicht etwa eine englische Gesundheit, oder wie die Menschen im Standt der Unschuld würden gehabt haben, im Gehirne einbilden, noch auch etwa eine solche, in welcher die Menschen vor der Sündfluth lebten, als von deren Lebens-Art und denen Ursachen ihres langen Lebens wir nichts zuverläßiges sagen können. Gleichergestalt muß ein rechtschaffener Politicus einen Begriff einer vollkommenen Republick fassen, nicht nach dem Platonischen oder Ciceronianischen Schlaraffen-Land, noch nach den Exempeln anderer Republicken, z. E. der Atheniensischen, Spartanischen, Römischen, Constantinopolitanischen, Türckischen, noch der alten Teutschen, am allerwenigsten aber nach der Affterchristlichen, oder deutlicher zu sagen, nach der Päbstlichen Monarchischen Regiments-Form, sondern allein nach der Vorstellung der Mosaischen Republick, wie sie nach der Lehre Christi von denen Ceremonien als dem Schattenwerck derer zukünfftigen Dinge gereiniget g) repete supra dicta §. 10.worden g). So muß auch ein Jurist, der die langwierigen Rechts-Händel beschneiden will, die irrigen Vorstellungen einer geschwinden Rechts-Verwaltung von denen tauglichen unterscheiden, daß er nehmlich untersuche, ob diese Geschwindigkeit mit einer Ungerechtigkeit nicht schon würcklich verknüpfft sey; oder doch dazu in andern Exempeln werde Anlaß geben, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0194" n="186"/> cher obberührte Mängel ersetzet werden, und daß die Lehrer auf denen Protestantischen (wolte GOtt auch auf denen Catholischen) Academien, vor ihren überleyen (welches Wort wohl zu mercken) Fleiß, den sie auf die Griechischen und Römischen Antiquitäten wenden, vielmehr die verborgenen altenteutschen Geschichte (aufs wenigste derer letzten fünf hundert Jahre) besser untersuchten, und an statt gekünstelter und unnützer Fragen in allen Stücken der Gelehrsamkeit vielmehr deutliche und nützliche Dinge vornähmen und sich darauf legten.</p> <note place="left">11. Weiter muß sich ein Verbesserer der Justitz deutliche <hi rendition="#i">Ide</hi>en von einer geschwinden Justitz machen.</note> <p>§. XIX. Es ist aber noch nicht genug, daß ein politischer Artzt alle biß hieher erforderte Eigenschafften hat, denn alles dieses gehöret nur zur Vorbereitung, sondern wir müssen auch die Art und Weise etwas genauer betrachten, welche er in Verbesserung der langweiligẽ Rechts-Verwaltung selbst beobachten muß, und ohne welche das Vornehmen unmöglich einen guten Ausgang haben kan. Diese methode nun werden wir wohl am besten zeigen können, wenn wir unsern Verbesserer der Justitz mit einem würcklichen Artzt vergleichen Alle Disciplinen, die zur thätigen Philosophie gehören, sollen vor allen Dingẽ lehren, eine deutliche aber keine gar zu subtile oder närrische Erkäntniß von Erhaltung des vorgesetzten Zwecks vorzutragen. Also muß ein leibl. Artzt einen Begriff der menschl. Gesundheit habe u. zwar so, wie davon alltägliche Exempel zu finden; er muß sich aber nicht etwa eine englische Gesundheit, oder wie die Menschen im Standt der Unschuld würden gehabt haben, im Gehirne einbilden, noch auch etwa eine solche, in welcher die Menschen vor der Sündfluth lebten, als von deren Lebens-Art und denen Ursachen ihres langen Lebens wir nichts zuverläßiges sagen können. Gleichergestalt muß ein rechtschaffener Politicus einen Begriff einer vollkommenen Republick fassen, nicht nach dem Platonischen oder Ciceronianischen Schlaraffen-Land, noch nach den Exempeln anderer Republicken, z. E. der Atheniensischen, Spartanischen, Römischen, Constantinopolitanischen, Türckischen, noch der alten Teutschen, am allerwenigsten aber nach der Affterchristlichen, oder deutlicher zu sagen, nach der Päbstlichen Monarchischen Regiments-Form, sondern allein nach der Vorstellung der Mosaischen Republick, wie sie nach der Lehre Christi von denen Ceremonien als dem Schattenwerck derer zukünfftigen Dinge gereiniget <note place="left">g) repete supra dicta §. 10.</note>worden g). So muß auch ein Jurist, der die langwierigen Rechts-Händel beschneiden will, die irrigen Vorstellungen einer geschwinden Rechts-Verwaltung von denen tauglichen unterscheiden, daß er nehmlich untersuche, ob diese Geschwindigkeit mit einer Ungerechtigkeit nicht schon würcklich verknüpfft sey; oder doch dazu in andern Exempeln werde Anlaß geben, </p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0194]
cher obberührte Mängel ersetzet werden, und daß die Lehrer auf denen Protestantischen (wolte GOtt auch auf denen Catholischen) Academien, vor ihren überleyen (welches Wort wohl zu mercken) Fleiß, den sie auf die Griechischen und Römischen Antiquitäten wenden, vielmehr die verborgenen altenteutschen Geschichte (aufs wenigste derer letzten fünf hundert Jahre) besser untersuchten, und an statt gekünstelter und unnützer Fragen in allen Stücken der Gelehrsamkeit vielmehr deutliche und nützliche Dinge vornähmen und sich darauf legten.
§. XIX. Es ist aber noch nicht genug, daß ein politischer Artzt alle biß hieher erforderte Eigenschafften hat, denn alles dieses gehöret nur zur Vorbereitung, sondern wir müssen auch die Art und Weise etwas genauer betrachten, welche er in Verbesserung der langweiligẽ Rechts-Verwaltung selbst beobachten muß, und ohne welche das Vornehmen unmöglich einen guten Ausgang haben kan. Diese methode nun werden wir wohl am besten zeigen können, wenn wir unsern Verbesserer der Justitz mit einem würcklichen Artzt vergleichen Alle Disciplinen, die zur thätigen Philosophie gehören, sollen vor allen Dingẽ lehren, eine deutliche aber keine gar zu subtile oder närrische Erkäntniß von Erhaltung des vorgesetzten Zwecks vorzutragen. Also muß ein leibl. Artzt einen Begriff der menschl. Gesundheit habe u. zwar so, wie davon alltägliche Exempel zu finden; er muß sich aber nicht etwa eine englische Gesundheit, oder wie die Menschen im Standt der Unschuld würden gehabt haben, im Gehirne einbilden, noch auch etwa eine solche, in welcher die Menschen vor der Sündfluth lebten, als von deren Lebens-Art und denen Ursachen ihres langen Lebens wir nichts zuverläßiges sagen können. Gleichergestalt muß ein rechtschaffener Politicus einen Begriff einer vollkommenen Republick fassen, nicht nach dem Platonischen oder Ciceronianischen Schlaraffen-Land, noch nach den Exempeln anderer Republicken, z. E. der Atheniensischen, Spartanischen, Römischen, Constantinopolitanischen, Türckischen, noch der alten Teutschen, am allerwenigsten aber nach der Affterchristlichen, oder deutlicher zu sagen, nach der Päbstlichen Monarchischen Regiments-Form, sondern allein nach der Vorstellung der Mosaischen Republick, wie sie nach der Lehre Christi von denen Ceremonien als dem Schattenwerck derer zukünfftigen Dinge gereiniget worden g). So muß auch ein Jurist, der die langwierigen Rechts-Händel beschneiden will, die irrigen Vorstellungen einer geschwinden Rechts-Verwaltung von denen tauglichen unterscheiden, daß er nehmlich untersuche, ob diese Geschwindigkeit mit einer Ungerechtigkeit nicht schon würcklich verknüpfft sey; oder doch dazu in andern Exempeln werde Anlaß geben,
g) repete supra dicta §. 10.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/194 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/194>, abgerufen am 16.02.2025. |