Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.Criminal-Process-Ordnung genaue Nachricht einzuziehen. Hieher gehöret k) Conf. B. Stryk Dissert. de judicio Principis juxta solam facti veritatem.auch die Betrachtung der gantz vergebenen Gedancken dererjenigen / k) welche dem Förmelgen derer Canonisten, sola facti veritate inspecta eine grosse Krafft so wohl die wahre Beschaffenheit eines geschn inden Processes zu erkennen, als auch Mittel wieder die langwierigen Processe an die Hand zu geben, beygeleget haben. Ja die Vergleichung des heutigen Wechsel-Processes mit denen übrigen, wird einem in Vorstellung einer kurtzen Rechts-Verwaltung ein grosses Licht geben. Anderer Dinge zu geschweigen. Denn es will mir nicht gleich alles einfallen, was zu diesem Theile der Klugheit eines politischen Artztes gehöret. Ich habe nur in angeführten zeigen wollen, daß ein verständiger, ehrlicher und fleißiger Mensch in dieser Materie genug zu thun finden könne. §. XX. Wenn der Medicus einen deutlichen Begriff von der Menschen Gesundheit hat, so muß er sich um die rechte Beschaffenheit und Umstände derer Kranckheiten bemühen, und zwar nicht nur etwa obenhin, sondern nach allen eigentlichen Zufällen einer Kranckheit. Gleichergestalt läst es auch ein politischer Artzt nicht dabey bewenden, daß er überhaupt weiß, daß die Processe, absonderlich die bürgerlichen, so lange in Teutschland währen, und daß man Exempel hat, daß summarische Rechts-Händel über hundert Jahr getrieben worden, daß unter huntert processibus ordinariis kaum zehen ausgeführet, die übrigen aber, ehe das Endurtheil erfolgt, von denen Klägern aus Verdruß unterlassen, oder, wenn auch schon das Urtheil gesprochen worden, nicht zur Vollziehung können gebracht werden, entweder aus Mißbrauch derer Mittel, die die Vollziehung aufschieben oder wegen anderer Beschwerungen des Beklagten, die der Richter annimmt, und dergleichen mehr, sondern es wird über dieses noch erfordert, daß er die besondern Umstände solcher Verzögerung, die Zufälle und deren Ursachen genauer betrachte. Hier wird nun, wenn wir die so genandten materialia des Processes ansehen, vors erste vorkommen, daß die ausser gerichtlichen Händel so sehr verwirrt seyn, und daß die vielen Cautelen und Förmelgen die alte Einfalt mehr verhuntzen als besser machen, auch denen Partheyen keine Sicherheit sondern vielmehr denen Zancksüchtigen gute Gele genheit zu streiten geben. Sodann wird die grosse Ungewißheit des Rechts vorkommen, daß die Gesetze, durch welche die Streithändel zu entscheiden, fremde sind, ingleichen deren Unverständlichkeit Menge u. Vielheit, Veränderung / Dunckelheit, Wiedersprechung, ihre Vermengung mit denen Gewohnheiten, die doch von jenen gantz unterschieden sind, derer Ausleger wiederwärtige Meynungen, und andere Dinge mehr, aus welchen allen folget, daß weder Richter noch Advocaten wis Criminal-Process-Ordnung genaue Nachricht einzuziehen. Hieher gehöret k) Conf. B. Stryk Dissert. de judicio Principis juxta solam facti veritatem.auch die Betrachtung der gantz vergebenen Gedancken dererjenigen / k) welche dem Förmelgen derer Canonisten, sola facti veritate inspecta eine grosse Krafft so wohl die wahre Beschaffenheit eines geschn inden Processes zu erkennen, als auch Mittel wieder die langwierigen Processe an die Hand zu geben, beygeleget haben. Ja die Vergleichung des heutigen Wechsel-Processes mit denen übrigen, wird einem in Vorstellung einer kurtzen Rechts-Verwaltung ein grosses Licht geben. Anderer Dinge zu geschweigen. Denn es will mir nicht gleich alles einfallen, was zu diesem Theile der Klugheit eines politischen Artztes gehöret. Ich habe nur in angeführten zeigen wollen, daß ein verständiger, ehrlicher und fleißiger Mensch in dieser Materie genug zu thun finden könne. §. XX. Wenn der Medicus einen deutlichen Begriff von der Menschen Gesundheit hat, so muß er sich um die rechte Beschaffenheit und Umstände derer Kranckheiten bemühen, und zwar nicht nur etwa obenhin, sondern nach allen eigentlichen Zufällen einer Kranckheit. Gleichergestalt läst es auch ein politischer Artzt nicht dabey bewenden, daß er überhaupt weiß, daß die Processe, absonderlich die bürgerlichen, so lange in Teutschland währen, und daß man Exempel hat, daß summarische Rechts-Händel über hundert Jahr getrieben worden, daß unter huntert processibus ordinariis kaum zehen ausgeführet, die übrigen aber, ehe das Endurtheil erfolgt, von denen Klägern aus Verdruß unterlassen, oder, wenn auch schon das Urtheil gesprochen worden, nicht zur Vollziehung können gebracht werden, entweder aus Mißbrauch derer Mittel, die die Vollziehung aufschieben oder wegen anderer Beschwerungen des Beklagten, die der Richter annim̃t, und dergleichen mehr, sondern es wird über dieses noch erfordert, daß er die besondern Umstände solcher Verzögerung, die Zufälle und deren Ursachen genauer betrachte. Hier wird nun, wenn wir die so genandten materialia des Processes ansehen, vors erste vorkommen, daß die ausser gerichtlichen Händel so sehr verwirrt seyn, und daß die vielen Cautelen und Förmelgen die alte Einfalt mehr verhuntzen als besser machen, auch denen Partheyen keine Sicherheit sondern vielmehr denen Zancksüchtigen gute Gele genheit zu streiten geben. Sodann wird die grosse Ungewißheit des Rechts vorkommen, daß die Gesetze, durch welche die Streithändel zu entscheiden, fremde sind, ingleichen deren Unverständlichkeit Menge u. Vielheit, Veränderung / Dunckelheit, Wiedersprechung, ihre Vermengung mit denen Gewohnheiten, die doch von jenen gantz unterschieden sind, derer Ausleger wiederwärtige Meynungen, und andere Dinge mehr, aus welchen allen folget, daß weder Richter noch Advocaten wis <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0196" n="188"/> Criminal-Process-Ordnung genaue Nachricht einzuziehen. Hieher gehöret <note place="left">k) Conf. B. Stryk Dissert. de judicio Principis juxta solam facti veritatem.</note>auch die Betrachtung der gantz vergebenen Gedancken dererjenigen / k) welche dem Förmelgen derer Canonisten, sola facti veritate inspecta eine grosse Krafft so wohl die wahre Beschaffenheit eines geschn inden Processes zu erkennen, als auch Mittel wieder die langwierigen Processe an die Hand zu geben, beygeleget haben. Ja die Vergleichung des heutigen Wechsel-Processes mit denen übrigen, wird einem in Vorstellung einer kurtzen Rechts-Verwaltung ein grosses Licht geben. Anderer Dinge zu geschweigen. Denn es will mir nicht gleich alles einfallen, was zu diesem Theile der Klugheit eines politischen Artztes gehöret. Ich habe nur in angeführten zeigen wollen, daß ein verständiger, ehrlicher und fleißiger Mensch in dieser Materie genug zu thun finden könne.</p> <note place="left">12. Sich sehr ordentliche Begriffe von Langwierigkeit der Processe und Verlängerung der Justitz vorstellen.</note> <p>§. XX. Wenn der Medicus einen deutlichen Begriff von der Menschen Gesundheit hat, so muß er sich um die rechte Beschaffenheit und Umstände derer Kranckheiten bemühen, und zwar nicht nur etwa obenhin, sondern nach allen eigentlichen Zufällen einer Kranckheit. Gleichergestalt läst es auch ein politischer Artzt nicht dabey bewenden, daß er überhaupt weiß, daß die Processe, absonderlich die bürgerlichen, so lange in Teutschland währen, und daß man Exempel hat, daß summarische Rechts-Händel über hundert Jahr getrieben worden, daß unter huntert processibus ordinariis kaum zehen ausgeführet, die übrigen aber, ehe das Endurtheil erfolgt, von denen Klägern aus Verdruß unterlassen, oder, wenn auch schon das Urtheil gesprochen worden, nicht zur Vollziehung können gebracht werden, entweder aus Mißbrauch derer Mittel, die die Vollziehung aufschieben oder wegen anderer Beschwerungen des Beklagten, die der Richter annim̃t, und dergleichen mehr, sondern es wird über dieses noch erfordert, daß er die besondern Umstände solcher Verzögerung, die Zufälle und deren Ursachen genauer betrachte. Hier wird nun, wenn wir die so genandten materialia des Processes ansehen, vors erste vorkommen, daß die ausser gerichtlichen Händel so sehr verwirrt seyn, und daß die vielen Cautelen und Förmelgen die alte Einfalt mehr verhuntzen als besser machen, auch denen Partheyen keine Sicherheit sondern vielmehr denen Zancksüchtigen gute Gele genheit zu streiten geben. Sodann wird die grosse Ungewißheit des Rechts vorkommen, daß die Gesetze, durch welche die Streithändel zu entscheiden, fremde sind, ingleichen deren Unverständlichkeit Menge u. Vielheit, Veränderung / Dunckelheit, Wiedersprechung, ihre Vermengung mit denen Gewohnheiten, die doch von jenen gantz unterschieden sind, derer Ausleger wiederwärtige Meynungen, und andere Dinge mehr, aus welchen allen folget, daß weder Richter noch Advocaten wis </p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0196]
Criminal-Process-Ordnung genaue Nachricht einzuziehen. Hieher gehöret auch die Betrachtung der gantz vergebenen Gedancken dererjenigen / k) welche dem Förmelgen derer Canonisten, sola facti veritate inspecta eine grosse Krafft so wohl die wahre Beschaffenheit eines geschn inden Processes zu erkennen, als auch Mittel wieder die langwierigen Processe an die Hand zu geben, beygeleget haben. Ja die Vergleichung des heutigen Wechsel-Processes mit denen übrigen, wird einem in Vorstellung einer kurtzen Rechts-Verwaltung ein grosses Licht geben. Anderer Dinge zu geschweigen. Denn es will mir nicht gleich alles einfallen, was zu diesem Theile der Klugheit eines politischen Artztes gehöret. Ich habe nur in angeführten zeigen wollen, daß ein verständiger, ehrlicher und fleißiger Mensch in dieser Materie genug zu thun finden könne.
k) Conf. B. Stryk Dissert. de judicio Principis juxta solam facti veritatem. §. XX. Wenn der Medicus einen deutlichen Begriff von der Menschen Gesundheit hat, so muß er sich um die rechte Beschaffenheit und Umstände derer Kranckheiten bemühen, und zwar nicht nur etwa obenhin, sondern nach allen eigentlichen Zufällen einer Kranckheit. Gleichergestalt läst es auch ein politischer Artzt nicht dabey bewenden, daß er überhaupt weiß, daß die Processe, absonderlich die bürgerlichen, so lange in Teutschland währen, und daß man Exempel hat, daß summarische Rechts-Händel über hundert Jahr getrieben worden, daß unter huntert processibus ordinariis kaum zehen ausgeführet, die übrigen aber, ehe das Endurtheil erfolgt, von denen Klägern aus Verdruß unterlassen, oder, wenn auch schon das Urtheil gesprochen worden, nicht zur Vollziehung können gebracht werden, entweder aus Mißbrauch derer Mittel, die die Vollziehung aufschieben oder wegen anderer Beschwerungen des Beklagten, die der Richter annim̃t, und dergleichen mehr, sondern es wird über dieses noch erfordert, daß er die besondern Umstände solcher Verzögerung, die Zufälle und deren Ursachen genauer betrachte. Hier wird nun, wenn wir die so genandten materialia des Processes ansehen, vors erste vorkommen, daß die ausser gerichtlichen Händel so sehr verwirrt seyn, und daß die vielen Cautelen und Förmelgen die alte Einfalt mehr verhuntzen als besser machen, auch denen Partheyen keine Sicherheit sondern vielmehr denen Zancksüchtigen gute Gele genheit zu streiten geben. Sodann wird die grosse Ungewißheit des Rechts vorkommen, daß die Gesetze, durch welche die Streithändel zu entscheiden, fremde sind, ingleichen deren Unverständlichkeit Menge u. Vielheit, Veränderung / Dunckelheit, Wiedersprechung, ihre Vermengung mit denen Gewohnheiten, die doch von jenen gantz unterschieden sind, derer Ausleger wiederwärtige Meynungen, und andere Dinge mehr, aus welchen allen folget, daß weder Richter noch Advocaten wis
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