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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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rung in praxi zun erstenmal allhier in Halle, als ein Neuling eine so schlechte Probe abgeleget hätte; und muste davon gar vieles seyn geredet worden, weil man mich zugleich berichtete, daß der damahlige Hr. Cantzler, Herr Gottfried von Jena, nach seiner ingenieusen Manier diesen Herren Splitter-Richtern solte zur Antwort gegeben haben; daß ich vielleicht die gantze Sache vor so geringe angesehen hätte, daß ich nicht für nöthig gehalten, denen neuen Herren Urthelsfassern mit vielen allegatis u. Latein beschwerlich zu seyn, und würde ich es verhoffentlich auch hieran nicht ermangeln lassen, wenn mir ein verwirreter casus unter die Hände würde gegeben werden.

Neues Jenisches Urtheil, das die vorher erkannte Tortur in einen Reinigungs-Eyd verwandelt.

§. XIX. Nun war freylich die Sache so unstreitig nicht / daß ich denen Halleuten hätte eine Aenderung des Urtheils unfehlbar versprechen können; indem es sich leicht hätte fügen können, daß, wenn zumahlen die Acta einem jungen unerfahrnen und die Acta obenhin lesenden referenten wären unter die Hände kommen, die beyden vorigen Urtheil sodann ratione torturae hätten consirmiret werden können; und wenn solches geschehen wäre, weiß ich nicht, was ich von der Brüderschafft, wenn auch meine defension noch so vernünfftig und legal eingerichtet gewesen wäre, durch Anhetzung anderer, für ein gratial würde zu erwarten gehabt haben. Davon nichts zu gedencken, daß die acten nicht nach meinen Bitten auf eine Chur-Brandenburgische Universität, sondern nach Jena waren geschickt worden; denn es konnte a parte Domini Judicis dieses Bedencken gewesen seyn, daß die Chur-Brandenburgischen Universitäten etwas weit entlegen wären, und die Verschickung dahin viel kosten würde; es konte aber auch wohl seyn, daß man in Jena mehr bekante hatte, und daß eine (obschon nur generale, und in quantum de jure) beygefügte schrifftliche recommendation, das Urtheil zu befördern, meinem Clienten, auch ohne des Scribentis und dessen, an den man schrieb, böse intention, propter varia hominum etiam eruditorum praejudicia, einiger massen praejudicirlich seyn können. Ich liesse aber unseren Herre GOtt sorgen, und erwartete selbst mit Verlangen, was das neue Urtheil sprechen würde. Die Urtheils-Frage ware fol. act. 149. in terminis consuetis & generalibus aufgesetzt, nur daß Dominus Judex sich die meines Erachtens unnöthige auch unnützliche Mühe genommen, und kürtzlich angeführet hatte, daß er die beyden neuen Defensores absque juramento calumniae zugelassen hätte, damit die Inquisiti, zumahl da sie andere Advocaten zu bezahlen unvermögend wären, nicht länger in squalore carceris gelassen würden, jedoch aber diese admission künfftig in andern Fällen zu keiner consequenz gezogen werden solte. Das Urtheil

rung in praxi zũ erstenmal allhier in Halle, als ein Neuling eine so schlechte Probe abgeleget hätte; und muste davon gar vieles seyn geredet worden, weil man mich zugleich berichtete, daß der damahlige Hr. Cantzler, Herr Gottfried von Jena, nach seiner ingenieusen Manier diesen Herren Splitter-Richtern solte zur Antwort gegeben haben; daß ich vielleicht die gantze Sache vor so geringe angesehen hätte, daß ich nicht für nöthig gehalten, denen neuen Herren Urthelsfassern mit vielen allegatis u. Latein beschwerlich zu seyn, und würde ich es verhoffentlich auch hieran nicht ermangeln lassen, wenn mir ein verwirreter casus unter die Hände würde gegeben werden.

Neues Jenisches Urtheil, das die vorher erkannte Tortur in einen Reinigungs-Eyd verwandelt.

§. XIX. Nun war freylich die Sache so unstreitig nicht / daß ich denen Halleuten hätte eine Aenderung des Urtheils unfehlbar versprechen können; indem es sich leicht hätte fügen können, daß, wenn zumahlen die Acta einem jungen unerfahrnen und die Acta obenhin lesenden referenten wären unter die Hände kommen, die beyden vorigen Urtheil sodann ratione torturae hätten consirmiret werden können; und wenn solches geschehen wäre, weiß ich nicht, was ich von der Brüderschafft, wenn auch meine defension noch so vernünfftig und legal eingerichtet gewesen wäre, durch Anhetzung anderer, für ein gratial würde zu erwarten gehabt haben. Davon nichts zu gedencken, daß die acten nicht nach meinen Bitten auf eine Chur-Brandenburgische Universität, sondern nach Jena waren geschickt worden; denn es konnte a parte Domini Judicis dieses Bedencken gewesen seyn, daß die Chur-Brandenburgischen Universitäten etwas weit entlegen wären, und die Verschickung dahin viel kosten würde; es konte aber auch wohl seyn, daß man in Jena mehr bekante hatte, und daß eine (obschon nur generale, und in quantum de jure) beygefügte schrifftliche recommendation, das Urtheil zu befördern, meinem Clienten, auch ohne des Scribentis und dessen, an den man schrieb, böse intention, propter varia hominum etiam eruditorum praejudicia, einiger massen praejudicirlich seyn können. Ich liesse aber unseren Herre GOtt sorgen, und erwartete selbst mit Verlangen, was das neue Urtheil sprechen würde. Die Urtheils-Frage ware fol. act. 149. in terminis consuetis & generalibus aufgesetzt, nur daß Dominus Judex sich die meines Erachtens unnöthige auch unnützliche Mühe genommen, und kürtzlich angeführet hatte, daß er die beyden neuen Defensores absque juramento calumniae zugelassen hätte, damit die Inquisiti, zumahl da sie andere Advocaten zu bezahlen unvermögend wären, nicht länger in squalore carceris gelassen würden, jedoch aber diese admission künfftig in andern Fällen zu keiner consequenz gezogen werden solte. Das Urtheil

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[94/0102] rung in praxi zũ erstenmal allhier in Halle, als ein Neuling eine so schlechte Probe abgeleget hätte; und muste davon gar vieles seyn geredet worden, weil man mich zugleich berichtete, daß der damahlige Hr. Cantzler, Herr Gottfried von Jena, nach seiner ingenieusen Manier diesen Herren Splitter-Richtern solte zur Antwort gegeben haben; daß ich vielleicht die gantze Sache vor so geringe angesehen hätte, daß ich nicht für nöthig gehalten, denen neuen Herren Urthelsfassern mit vielen allegatis u. Latein beschwerlich zu seyn, und würde ich es verhoffentlich auch hieran nicht ermangeln lassen, wenn mir ein verwirreter casus unter die Hände würde gegeben werden. §. XIX. Nun war freylich die Sache so unstreitig nicht / daß ich denen Halleuten hätte eine Aenderung des Urtheils unfehlbar versprechen können; indem es sich leicht hätte fügen können, daß, wenn zumahlen die Acta einem jungen unerfahrnen und die Acta obenhin lesenden referenten wären unter die Hände kommen, die beyden vorigen Urtheil sodann ratione torturae hätten consirmiret werden können; und wenn solches geschehen wäre, weiß ich nicht, was ich von der Brüderschafft, wenn auch meine defension noch so vernünfftig und legal eingerichtet gewesen wäre, durch Anhetzung anderer, für ein gratial würde zu erwarten gehabt haben. Davon nichts zu gedencken, daß die acten nicht nach meinen Bitten auf eine Chur-Brandenburgische Universität, sondern nach Jena waren geschickt worden; denn es konnte a parte Domini Judicis dieses Bedencken gewesen seyn, daß die Chur-Brandenburgischen Universitäten etwas weit entlegen wären, und die Verschickung dahin viel kosten würde; es konte aber auch wohl seyn, daß man in Jena mehr bekante hatte, und daß eine (obschon nur generale, und in quantum de jure) beygefügte schrifftliche recommendation, das Urtheil zu befördern, meinem Clienten, auch ohne des Scribentis und dessen, an den man schrieb, böse intention, propter varia hominum etiam eruditorum praejudicia, einiger massen praejudicirlich seyn können. Ich liesse aber unseren Herre GOtt sorgen, und erwartete selbst mit Verlangen, was das neue Urtheil sprechen würde. Die Urtheils-Frage ware fol. act. 149. in terminis consuetis & generalibus aufgesetzt, nur daß Dominus Judex sich die meines Erachtens unnöthige auch unnützliche Mühe genommen, und kürtzlich angeführet hatte, daß er die beyden neuen Defensores absque juramento calumniae zugelassen hätte, damit die Inquisiti, zumahl da sie andere Advocaten zu bezahlen unvermögend wären, nicht länger in squalore carceris gelassen würden, jedoch aber diese admission künfftig in andern Fällen zu keiner consequenz gezogen werden solte. Das Urtheil

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/102>, abgerufen am 04.05.2024.