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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Latein und loca ex ICtis darinnen anzutreffen, und daß hingegen die Aussagengen derer Defensionen insgemein. der Zeugen durchgehends so weitläufftig repetiret worden, da doch sonst insgemein in anderer, auch berühmter, Juristen Schrifften und Defensionen die Zeugen-Aussagen nur pflegen generaliter cum numero foliorum aut etiam articulorum, ohne Einrückung der Special-Worte allegiret zu werden, hingegen aber das Latein, und die loca ex ICtis werden weitläufftig angeführet. Und dieses zwar nicht ohne plausible Ursachen. Denn die Richter, so die Urtheile machen sollen, haben die Acta für sich, und können die in denen Defensionibus allegirten Zeugen-Aussagen in denen benenneten foliis leichte finden; hingegen haben Sie gar offte die allegirten und excerpirten ICtos nicht alle, ja, wenn Sie Sie auch gleich haben, so würde es Ihnen doch viel Mühe geben, wenn Sie dieselben alle auffsuchen sollten, zumahl wenn Sie (wie noch zu Zeiten Jacobi Schultes und Berlichii &c. grand mode gewesen) Legionenweise in denen Juristischen Schrifften angeführet werden. Ich gestehe dieses alles, und habe nichts darwieder einzuwenden. Daß ich es aber selbst nicht so gemacht, auch, die Wahrheit zu gestehen, ich für mich an solchen schönen halb lateinischen Schrifften, und die sich die Mühe nicht nehmen, die verba der Zeugen selbst anzuführen, keinen Geschmack habe, hat auch seine sonderlichen Ursachen. Die Haupt-Ursache ist: De gustibus non est disputandum. Alleine die Geschmacke variiren nach Unterscheid der Temperamenten. Es kan seyn, daß ein vornehmer Mann, der mit dem Podagra behafftet ist, auch der grösten Schmertzen vergißt, wenn er die schönen Ioca aus dem Bartolo, Baldo, oder auch nach Gelegenheit der Liebhaber, aus dem Cujacio, Hotomanno, oder wohl gar aus dem Molina, Durando de S. Porciano &c. lieset, und dieselben wiederkanend, in succum & sanguinem convertiret. Ich bin hierinnen unglücklich, denn wenn ich noch so gesund bin, so kriege ich das podagra davon, oder wohl gar eine reissende Gicht. Und ich habe leider noch viel Brüder von meinem Geschmack. Derhalben warne ich den Leser, daß, wenn er von der ersten Classe ist, er ja mit Lesung meiner Juristischen Händel sich nicht besacke, damit Ihn nicht etwan was ärgers wiederfahre. Was aber die Leute von meinen (nemlich zwar frölichen, aber doch dabey ehrlichen und vernünfftigen) Temperament betrifst, die werden sehon von sich selbst finden, daß es auch Ihnen und mir, wenn es Noth wäre, zur Vertheidigung unsers Geschmacks und Schreib-Art an vernünfftigen Ursachen nicht mangele. Was die allegata Autorum betrifft, so handeln dieselben mehrentheils de jure in genere, nicht aber de applicatione juris ad

Latein und loca ex ICtis darinnen anzutreffen, und daß hingegen die Aussagengen derer Defensionen insgemein. der Zeugen durchgehends so weitläufftig repetiret worden, da doch sonst insgemein in anderer, auch berühmter, Juristen Schrifften und Defensionen die Zeugen-Aussagen nur pflegen generaliter cum numero foliorum aut etiam articulorum, ohne Einrückung der Special-Worte allegiret zu werden, hingegen aber das Latein, und die loca ex ICtis werden weitläufftig angeführet. Und dieses zwar nicht ohne plausible Ursachen. Denn die Richter, so die Urtheile machen sollen, haben die Acta für sich, und können die in denen Defensionibus allegirten Zeugen-Aussagen in denen benenneten foliis leichte finden; hingegen haben Sie gar offte die allegirten und excerpirten ICtos nicht alle, ja, wenn Sie Sie auch gleich haben, so würde es Ihnen doch viel Mühe geben, wenn Sie dieselben alle auffsuchen sollten, zumahl wenn Sie (wie noch zu Zeiten Jacobi Schultes und Berlichii &c. grand mode gewesen) Legionenweise in denen Juristischen Schrifften angeführet werden. Ich gestehe dieses alles, und habe nichts darwieder einzuwenden. Daß ich es aber selbst nicht so gemacht, auch, die Wahrheit zu gestehen, ich für mich an solchen schönen halb lateinischen Schrifften, und die sich die Mühe nicht nehmen, die verba der Zeugen selbst anzuführen, keinen Geschmack habe, hat auch seine sonderlichen Ursachen. Die Haupt-Ursache ist: De gustibus non est disputandum. Alleine die Geschmacke variiren nach Unterscheid der Temperamenten. Es kan seyn, daß ein vornehmer Mann, der mit dem Podagra behafftet ist, auch der grösten Schmertzen vergißt, wenn er die schönen Ioca aus dem Bartolo, Baldo, oder auch nach Gelegenheit der Liebhaber, aus dem Cujacio, Hotomanno, oder wohl gar aus dem Molina, Durando de S. Porciano &c. lieset, und dieselben wiederkanend, in succum & sanguinem convertiret. Ich bin hierinnen unglücklich, denn wenn ich noch so gesund bin, so kriege ich das podagra davon, oder wohl gar eine reissende Gicht. Und ich habe leider noch viel Brüder von meinem Geschmack. Derhalben warne ich den Leser, daß, wenn er von der ersten Classe ist, er ja mit Lesung meiner Juristischen Händel sich nicht besacke, damit Ihn nicht etwan was ärgers wiederfahre. Was aber die Leute von meinen (nemlich zwar frölichen, aber doch dabey ehrlichen und vernünfftigen) Temperament betrifst, die werden sehon von sich selbst finden, daß es auch Ihnen und mir, wenn es Noth wäre, zur Vertheidigung unsers Geschmacks und Schreib-Art an vernünfftigen Ursachen nicht mangele. Was die allegata Autorum betrifft, so handeln dieselben mehrentheils de jure in genere, nicht aber de applicatione juris ad

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[79/0095] Latein und loca ex ICtis darinnen anzutreffen, und daß hingegen die Aussagen der Zeugen durchgehends so weitläufftig repetiret worden, da doch sonst insgemein in anderer, auch berühmter, Juristen Schrifften und Defensionen die Zeugen-Aussagen nur pflegen generaliter cum numero foliorum aut etiam articulorum, ohne Einrückung der Special-Worte allegiret zu werden, hingegen aber das Latein, und die loca ex ICtis werden weitläufftig angeführet. Und dieses zwar nicht ohne plausible Ursachen. Denn die Richter, so die Urtheile machen sollen, haben die Acta für sich, und können die in denen Defensionibus allegirten Zeugen-Aussagen in denen benenneten foliis leichte finden; hingegen haben Sie gar offte die allegirten und excerpirten ICtos nicht alle, ja, wenn Sie Sie auch gleich haben, so würde es Ihnen doch viel Mühe geben, wenn Sie dieselben alle auffsuchen sollten, zumahl wenn Sie (wie noch zu Zeiten Jacobi Schultes und Berlichii &c. grand mode gewesen) Legionenweise in denen Juristischen Schrifften angeführet werden. Ich gestehe dieses alles, und habe nichts darwieder einzuwenden. Daß ich es aber selbst nicht so gemacht, auch, die Wahrheit zu gestehen, ich für mich an solchen schönen halb lateinischen Schrifften, und die sich die Mühe nicht nehmen, die verba der Zeugen selbst anzuführen, keinen Geschmack habe, hat auch seine sonderlichen Ursachen. Die Haupt-Ursache ist: De gustibus non est disputandum. Alleine die Geschmacke variiren nach Unterscheid der Temperamenten. Es kan seyn, daß ein vornehmer Mann, der mit dem Podagra behafftet ist, auch der grösten Schmertzen vergißt, wenn er die schönen Ioca aus dem Bartolo, Baldo, oder auch nach Gelegenheit der Liebhaber, aus dem Cujacio, Hotomanno, oder wohl gar aus dem Molina, Durando de S. Porciano &c. lieset, und dieselben wiederkanend, in succum & sanguinem convertiret. Ich bin hierinnen unglücklich, denn wenn ich noch so gesund bin, so kriege ich das podagra davon, oder wohl gar eine reissende Gicht. Und ich habe leider noch viel Brüder von meinem Geschmack. Derhalben warne ich den Leser, daß, wenn er von der ersten Classe ist, er ja mit Lesung meiner Juristischen Händel sich nicht besacke, damit Ihn nicht etwan was ärgers wiederfahre. Was aber die Leute von meinen (nemlich zwar frölichen, aber doch dabey ehrlichen und vernünfftigen) Temperament betrifst, die werden sehon von sich selbst finden, daß es auch Ihnen und mir, wenn es Noth wäre, zur Vertheidigung unsers Geschmacks und Schreib-Art an vernünfftigen Ursachen nicht mangele. Was die allegata Autorum betrifft, so handeln dieselben mehrentheils de jure in genere, nicht aber de applicatione juris ad gen derer Defensionen insgemein.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/95>, abgerufen am 26.04.2024.