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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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zur Welt gebracht worden, auch gantz keine necessaria consequentia ist; Haec partum clam edidit, ergo eundem interfecit, die dijudicatio veritatis in hoc casu, wenn keine andere indicia verhanden, GOttes gerechten Gerichte billig anheim gestellet werden solte, zumahlen da viele Doctores, und zwar nicht ohne Ursach, in denen Gedancken stehen, quod partus meretricius praesumi debeat, quod mortuus sit editus

Anton. Tessaurus Decis. 13.

ohne Zweiffel darum, weil eine solche schwangere Weibes-Person stets in Furcht wegen der bevorstehenden Schande schwebet, und sich dannenhero die Zeit Ihrer Schwangerschafft durch sehr ängstet und also der Frucht, wie wohl absque intentione, zugleich Schaden zufüget, welche Ursache viel wahrscheinlicher ist, als diejenige, welche Tessaurus

d. l.

anführet. Dieweilen aber der eventus gewiesen, daß viele lose Vetteln dieser in aequitate gegründeten praesumtion und regul gemißbrauchet, und vorgegeben, Sie hätten die Kinder todt auff die Welt gebracht, da doch andere indicia oder wohl gar die Zeugen und Ihre propria confessio Sie hernach eines andern überwiesen; Als hat Käyser Carl, ne delicta maneant impunita, in angeführten Articul die praesumtion gantz umgekehrt, und das Gesetz gegeben, daß in dubio, so eine inquisita, daß Sie das Kind gebohren, geständig sey, die Geburt aber heimlich geschehen, dafür zu halten sey, Sie habe das Kind umbgebracht, sie erhalte dann durch gnugsame Zeugniß oder scharffe tortur ein anders. Welche praesumtion nicht nur, wie allbereit erwehnet, contra praefatam aequitatis regulam, quod occulta dijudicationi divinae sint relinquenda, zu lauffen scheinet, sondern auch einer andern regulae, die sonsten in decernenda tortura fast pro principali gehalten wird, zu wieder ist, nemlich, quod indicia ad torturam debeant esse certa, clara, imo luce meridiana clariora, ut judex non solum sit quasi certus de delinquente, sed etiam nihil aliud sibi deesse videatur, quam rei confessio

l. 1. in princ. ff. de quaest. l. milites §, oportet l. cum cognitionaliter C. eod. Tessaur. decis. 24. n. 6. Matthesilanus sing. 35. in medio addition. Menreh. arbitr. jud. quaest. l. 2. cas. 270. n. 5. & 6. & de praesumt. l. 1. q. 89. n. 3. Mascard. de probat. lib. 3. conclus. 385. n. 20. Farinac. Prax. Crim. quaest. 37. n. 3.

sintemahl an diesen indicio billig dergleichen perspicuitas und evidentia desideriret wird. Denn es ist keine nothwendige Folgerung, daß wenn eine geschwängerte Weibes-Person das Kind heimlich getragen und heimlich gebohren hat, Selbige auch das Kind umbracht, oder doch zum wenigsten die incention, das Kind umzubringen,

zur Welt gebracht worden, auch gantz keine necessaria consequentia ist; Haec partum clam edidit, ergo eundem interfecit, die dijudicatio veritatis in hoc casu, wenn keine andere indicia verhanden, GOttes gerechten Gerichte billig anheim gestellet werden solte, zumahlen da viele Doctores, und zwar nicht ohne Ursach, in denen Gedancken stehen, quod partus meretricius praesumi debeat, quod mortuus sit editus

Anton. Tessaurus Decis. 13.

ohne Zweiffel darum, weil eine solche schwangere Weibes-Person stets in Furcht wegen der bevorstehenden Schande schwebet, und sich dannenhero die Zeit Ihrer Schwangerschafft durch sehr ängstet und also der Frucht, wie wohl absque intentione, zugleich Schaden zufüget, welche Ursache viel wahrscheinlicher ist, als diejenige, welche Tessaurus

d. l.

anführet. Dieweilen aber der eventus gewiesen, daß viele lose Vetteln dieser in aequitate gegründeten praesumtion und regul gemißbrauchet, und vorgegeben, Sie hätten die Kinder todt auff die Welt gebracht, da doch andere indicia oder wohl gar die Zeugen und Ihre propria confessio Sie hernach eines andern überwiesen; Als hat Käyser Carl, ne delicta maneant impunita, in angeführten Articul die praesumtion gantz umgekehrt, und das Gesetz gegeben, daß in dubio, so eine inquisita, daß Sie das Kind gebohren, geständig sey, die Geburt aber heimlich geschehen, dafür zu halten sey, Sie habe das Kind umbgebracht, sie erhalte dann durch gnugsame Zeugniß oder scharffe tortur ein anders. Welche praesumtion nicht nur, wie allbereit erwehnet, contra praefatam aequitatis regulam, quod occulta dijudicationi divinae sint relinquenda, zu lauffen scheinet, sondern auch einer andern regulae, die sonsten in decernenda tortura fast pro principali gehalten wird, zu wieder ist, nemlich, quod indicia ad torturam debeant esse certa, clara, imo luce meridiana clariora, ut judex non solum sit quasi certus de delinquente, sed etiam nihil aliud sibi deesse videatur, quam rei confessio

l. 1. in princ. ff. de quaest. l. milites §, oportet l. cum cognitionaliter C. eod. Tessaur. decis. 24. n. 6. Matthesilanus sing. 35. in medio addition. Menreh. arbitr. jud. quaest. l. 2. cas. 270. n. 5. & 6. & de praesumt. l. 1. q. 89. n. 3. Mascard. de probat. lib. 3. conclus. 385. n. 20. Farinac. Prax. Crim. quaest. 37. n. 3.

sintemahl an diesen indicio billig dergleichen perspicuitas und evidentia desideriret wird. Denn es ist keine nothwendige Folgerung, daß wenn eine geschwängerte Weibes-Person das Kind heimlich getragen und heimlich gebohren hat, Selbige auch das Kind umbracht, oder doch zum wenigsten die incention, das Kind umzubringen,

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[59/0075] zur Welt gebracht worden, auch gantz keine necessaria consequentia ist; Haec partum clam edidit, ergo eundem interfecit, die dijudicatio veritatis in hoc casu, wenn keine andere indicia verhanden, GOttes gerechten Gerichte billig anheim gestellet werden solte, zumahlen da viele Doctores, und zwar nicht ohne Ursach, in denen Gedancken stehen, quod partus meretricius praesumi debeat, quod mortuus sit editus Anton. Tessaurus Decis. 13. ohne Zweiffel darum, weil eine solche schwangere Weibes-Person stets in Furcht wegen der bevorstehenden Schande schwebet, und sich dannenhero die Zeit Ihrer Schwangerschafft durch sehr ängstet und also der Frucht, wie wohl absque intentione, zugleich Schaden zufüget, welche Ursache viel wahrscheinlicher ist, als diejenige, welche Tessaurus d. l. anführet. Dieweilen aber der eventus gewiesen, daß viele lose Vetteln dieser in aequitate gegründeten praesumtion und regul gemißbrauchet, und vorgegeben, Sie hätten die Kinder todt auff die Welt gebracht, da doch andere indicia oder wohl gar die Zeugen und Ihre propria confessio Sie hernach eines andern überwiesen; Als hat Käyser Carl, ne delicta maneant impunita, in angeführten Articul die praesumtion gantz umgekehrt, und das Gesetz gegeben, daß in dubio, so eine inquisita, daß Sie das Kind gebohren, geständig sey, die Geburt aber heimlich geschehen, dafür zu halten sey, Sie habe das Kind umbgebracht, sie erhalte dann durch gnugsame Zeugniß oder scharffe tortur ein anders. Welche praesumtion nicht nur, wie allbereit erwehnet, contra praefatam aequitatis regulam, quod occulta dijudicationi divinae sint relinquenda, zu lauffen scheinet, sondern auch einer andern regulae, die sonsten in decernenda tortura fast pro principali gehalten wird, zu wieder ist, nemlich, quod indicia ad torturam debeant esse certa, clara, imo luce meridiana clariora, ut judex non solum sit quasi certus de delinquente, sed etiam nihil aliud sibi deesse videatur, quam rei confessio l. 1. in princ. ff. de quaest. l. milites §, oportet l. cum cognitionaliter C. eod. Tessaur. decis. 24. n. 6. Matthesilanus sing. 35. in medio addition. Menreh. arbitr. jud. quaest. l. 2. cas. 270. n. 5. & 6. & de praesumt. l. 1. q. 89. n. 3. Mascard. de probat. lib. 3. conclus. 385. n. 20. Farinac. Prax. Crim. quaest. 37. n. 3. sintemahl an diesen indicio billig dergleichen perspicuitas und evidentia desideriret wird. Denn es ist keine nothwendige Folgerung, daß wenn eine geschwängerte Weibes-Person das Kind heimlich getragen und heimlich gebohren hat, Selbige auch das Kind umbracht, oder doch zum wenigsten die incention, das Kind umzubringen,

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/75>, abgerufen am 29.03.2024.