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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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dächtigkeit geschehen muß; So ist deßhalb keine glaublichere Ursach, denn daß dieselbige Mutter durch boßhafftigen Fürsatz vermeint, mit Ertödtung des unschuldigen Kindleins, daran Sie vor, in oder nach der Geburth schuldig wird, ihre geübte Leichtfertigkeit verborgen zu halten. Darumb wenn eine solche Mörderin auf gedachten ihren angemasten, freventlichen Entschuldigung bestehen bleiben wolte, so soll man Sie auf obbemeldte gnugsame Anzeigung bestimpts Unchristlichen und Unmenschlichen erfundenen Ubels und Mords halber, mit peinlicher, ernstlicher Frage zur Bekäntniß der Warheit zwingen, auch auff Bekäntniß desselbigen Mords zu endlicher Tod-Straff, als obstehet, urtheilen. Doch wo an eins solchen Weibs Schuld oder Unschuld halb gezweiffelt wird, sollen die Richter und Urtheiler mit Anzeigung aller Umbstände bey den Rechts-Verständigen oder sonst wie hernach gemeldt wird, Raths pflegen. Diese oberzehlte Worte, gleichwie Sie an und für sich selbst sehr harte contra inquisitam zu streiten scheinen, auch fast insgemein in quaestionibus infanticidii ratione torturae an meisten in consideration zukommen pflegen, und dannenhero fast das gantze Fundament gegenwärtiger defension auf dieses indicium und dessen elision, beruhet; Also möchte Inquisita wohl wünschen, daß die Commentatores über die Ordinationem Criminalem diesen Articul nicht so überhin, & quasi de titivillitio aut stillicidio ageretur, tractiret hätten, wie es leider geschehen, sondern den genuinum intellectum obbesagten Articuls cum ampliationibus & limitationibus fein exponiret hätten; weil aber geschehene Sachen nicht geändert werden können; Als werden die Herren Urtheilsfassere nicht übel vermercken; wenn man bey dieser schweren Sache, ehe und bevor ad elisionem dieses indicii geschritten wird, den sensum dicti articuli 131. ein wenig ponderiret und erweget, zumahlen da dieses nicht ea intentione geschiehet, dieselben, als hochverständige und hochgelahrte Männer in jure zu informiren, sondern einig und alleine, Sie in collectione & meditatione regularum aequitatis; als worauff zuförderst in criminalibus zu sehen ist, auch Sie die Herren Urtheilsfassere hierauf zu sprechen gewohnet seyn, einer wenigen Mühe zu ersparen. Bey dieser Bewandnüß nun wird anfänglich praesupponiret, daß das infanticidium ein delictum occultum sey, zu welchen man nicht leichtlich testes zu nehmen pflege, hiernechst aber bey denen delictis occultis insgemein, nisi aperte contrarium sit praescriptum, diese regula aequitatis observiret werden müsse, de occultis non judicare Ecclesiam

cap. 17. X. de Accusat. cap. un. X. ut Eccles. benef. fine dimin. confer.

cum occulta solius Dei cognitioni refervari dicantur, qui solus novit corda filiorum hominum tanquam cordium scrutator & secretorum cognitor atque judex

can. erubescant II. distinct. 32. can. fin. 7. distinct. 33. can. 20. C. 2. q. 5. c. 7. C. 6. q. 1. c. 23. C. 32. q. 5. c. 34. X. de Simon.

wannenhero vi dictae regulae bey dem infanticidio und wenn ein Kind occulte

dächtigkeit geschehen muß; So ist deßhalb keine glaublichere Ursach, denn daß dieselbige Mutter durch boßhafftigen Fürsatz vermeint, mit Ertödtung des unschuldigen Kindleins, daran Sie vor, in oder nach der Geburth schuldig wird, ihre geübte Leichtfertigkeit verborgen zu halten. Darumb wenn eine solche Mörderin auf gedachten ihren angemasten, freventlichen Entschuldigung bestehen bleiben wolte, so soll man Sie auf obbemeldte gnugsame Anzeigung bestimpts Unchristlichen und Unmenschlichen erfundenen Ubels und Mords halber, mit peinlicher, ernstlicher Frage zur Bekäntniß der Warheit zwingen, auch auff Bekäntniß desselbigen Mords zu endlicher Tod-Straff, als obstehet, urtheilen. Doch wo an eins solchen Weibs Schuld oder Unschuld halb gezweiffelt wird, sollen die Richter und Urtheiler mit Anzeigung aller Umbstände bey den Rechts-Verständigen oder sonst wie hernach gemeldt wird, Raths pflegen. Diese oberzehlte Worte, gleichwie Sie an und für sich selbst sehr harte contra inquisitam zu streiten scheinen, auch fast insgemein in quaestionibus infanticidii ratione torturae an meisten in consideration zukommen pflegen, und dannenhero fast das gantze Fundament gegenwärtiger defension auf dieses indicium und dessen elision, beruhet; Also möchte Inquisita wohl wünschen, daß die Commentatores über die Ordinationem Criminalem diesen Articul nicht so überhin, & quasi de titivillitio aut stillicidio ageretur, tractiret hätten, wie es leider geschehen, sondern den genuinum intellectum obbesagten Articuls cum ampliationibus & limitationibus fein exponiret hätten; weil aber geschehene Sachen nicht geändert werden können; Als werden die Herren Urtheilsfassere nicht übel vermercken; wenn man bey dieser schweren Sache, ehe und bevor ad elisionem dieses indicii geschritten wird, den sensum dicti articuli 131. ein wenig ponderiret und erweget, zumahlen da dieses nicht ea intentione geschiehet, dieselben, als hochverständige und hochgelahrte Männer in jure zu informiren, sondern einig und alleine, Sie in collectione & meditatione regularum aequitatis; als worauff zuförderst in criminalibus zu sehen ist, auch Sie die Herren Urtheilsfassere hierauf zu sprechen gewohnet seyn, einer wenigen Mühe zu ersparen. Bey dieser Bewandnüß nun wird anfänglich praesupponiret, daß das infanticidium ein delictum occultum sey, zu welchen man nicht leichtlich testes zu nehmen pflege, hiernechst aber bey denen delictis occultis insgemein, nisi aperte contrarium sit praescriptum, diese regula aequitatis observiret werden müsse, de occultis non judicare Ecclesiam

cap. 17. X. de Accusat. cap. un. X. ut Eccles. benef. fine dimin. confer.

cum occulta solius Dei cognitioni refervari dicantur, qui solus novit corda filiorum hominum tanquam cordium scrutator & secretorum cognitor atque judex

can. erubescant II. distinct. 32. can. fin. 7. distinct. 33. can. 20. C. 2. q. 5. c. 7. C. 6. q. 1. c. 23. C. 32. q. 5. c. 34. X. de Simon.

wannenhero vi dictae regulae bey dem infanticidio und wenn ein Kind occulte

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dächtigkeit geschehen muß; So ist deßhalb keine                      glaublichere Ursach, denn daß dieselbige Mutter durch boßhafftigen Fürsatz                      vermeint, mit Ertödtung des unschuldigen Kindleins, daran Sie vor, in oder nach                      der Geburth schuldig wird, ihre geübte Leichtfertigkeit verborgen zu halten.                      Darumb wenn eine solche Mörderin auf gedachten ihren angemasten, freventlichen                      Entschuldigung bestehen bleiben wolte, so soll man Sie auf obbemeldte gnugsame                      Anzeigung bestimpts Unchristlichen und Unmenschlichen erfundenen Ubels und Mords                      halber, mit peinlicher, ernstlicher Frage zur Bekäntniß der Warheit zwingen,                      auch auff Bekäntniß desselbigen Mords zu endlicher Tod-Straff, als obstehet,                      urtheilen. Doch wo an eins solchen Weibs Schuld oder Unschuld halb gezweiffelt                      wird, sollen die Richter und Urtheiler mit Anzeigung aller Umbstände bey den                      Rechts-Verständigen oder sonst wie hernach gemeldt wird, Raths pflegen. Diese                      oberzehlte Worte, gleichwie Sie an und für sich selbst sehr harte contra                      inquisitam zu streiten scheinen, auch fast insgemein in quaestionibus                      infanticidii ratione torturae an meisten in consideration zukommen pflegen, und                      dannenhero fast das gantze Fundament gegenwärtiger defension auf dieses indicium                      und dessen elision, beruhet; Also möchte Inquisita wohl wünschen, daß die                      Commentatores über die Ordinationem Criminalem diesen Articul nicht so überhin,                      &amp; quasi de titivillitio aut stillicidio ageretur, tractiret hätten, wie                      es leider geschehen, sondern den genuinum intellectum obbesagten Articuls cum                      ampliationibus &amp; limitationibus fein exponiret hätten; weil aber                      geschehene Sachen nicht geändert werden können; Als werden die Herren                      Urtheilsfassere nicht übel vermercken; wenn man bey dieser schweren Sache, ehe                      und bevor ad elisionem dieses indicii geschritten wird, den sensum dicti                      articuli 131. ein wenig ponderiret und erweget, zumahlen da dieses nicht ea                      intentione geschiehet, dieselben, als hochverständige und hochgelahrte Männer in                      jure zu informiren, sondern einig und alleine, Sie in collectione &amp;                      meditatione regularum aequitatis; als worauff zuförderst in criminalibus zu                      sehen ist, auch Sie die Herren Urtheilsfassere hierauf zu sprechen gewohnet                      seyn, einer wenigen Mühe zu ersparen. Bey dieser Bewandnüß nun wird anfänglich                      praesupponiret, daß das infanticidium ein delictum occultum sey, zu welchen man                      nicht leichtlich testes zu nehmen pflege, hiernechst aber bey denen delictis                      occultis insgemein, nisi aperte contrarium sit praescriptum, diese regula                      aequitatis observiret werden müsse, de occultis non judicare Ecclesiam</p>
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[58/0074] dächtigkeit geschehen muß; So ist deßhalb keine glaublichere Ursach, denn daß dieselbige Mutter durch boßhafftigen Fürsatz vermeint, mit Ertödtung des unschuldigen Kindleins, daran Sie vor, in oder nach der Geburth schuldig wird, ihre geübte Leichtfertigkeit verborgen zu halten. Darumb wenn eine solche Mörderin auf gedachten ihren angemasten, freventlichen Entschuldigung bestehen bleiben wolte, so soll man Sie auf obbemeldte gnugsame Anzeigung bestimpts Unchristlichen und Unmenschlichen erfundenen Ubels und Mords halber, mit peinlicher, ernstlicher Frage zur Bekäntniß der Warheit zwingen, auch auff Bekäntniß desselbigen Mords zu endlicher Tod-Straff, als obstehet, urtheilen. Doch wo an eins solchen Weibs Schuld oder Unschuld halb gezweiffelt wird, sollen die Richter und Urtheiler mit Anzeigung aller Umbstände bey den Rechts-Verständigen oder sonst wie hernach gemeldt wird, Raths pflegen. Diese oberzehlte Worte, gleichwie Sie an und für sich selbst sehr harte contra inquisitam zu streiten scheinen, auch fast insgemein in quaestionibus infanticidii ratione torturae an meisten in consideration zukommen pflegen, und dannenhero fast das gantze Fundament gegenwärtiger defension auf dieses indicium und dessen elision, beruhet; Also möchte Inquisita wohl wünschen, daß die Commentatores über die Ordinationem Criminalem diesen Articul nicht so überhin, & quasi de titivillitio aut stillicidio ageretur, tractiret hätten, wie es leider geschehen, sondern den genuinum intellectum obbesagten Articuls cum ampliationibus & limitationibus fein exponiret hätten; weil aber geschehene Sachen nicht geändert werden können; Als werden die Herren Urtheilsfassere nicht übel vermercken; wenn man bey dieser schweren Sache, ehe und bevor ad elisionem dieses indicii geschritten wird, den sensum dicti articuli 131. ein wenig ponderiret und erweget, zumahlen da dieses nicht ea intentione geschiehet, dieselben, als hochverständige und hochgelahrte Männer in jure zu informiren, sondern einig und alleine, Sie in collectione & meditatione regularum aequitatis; als worauff zuförderst in criminalibus zu sehen ist, auch Sie die Herren Urtheilsfassere hierauf zu sprechen gewohnet seyn, einer wenigen Mühe zu ersparen. Bey dieser Bewandnüß nun wird anfänglich praesupponiret, daß das infanticidium ein delictum occultum sey, zu welchen man nicht leichtlich testes zu nehmen pflege, hiernechst aber bey denen delictis occultis insgemein, nisi aperte contrarium sit praescriptum, diese regula aequitatis observiret werden müsse, de occultis non judicare Ecclesiam cap. 17. X. de Accusat. cap. un. X. ut Eccles. benef. fine dimin. confer. cum occulta solius Dei cognitioni refervari dicantur, qui solus novit corda filiorum hominum tanquam cordium scrutator & secretorum cognitor atque judex can. erubescant II. distinct. 32. can. fin. 7. distinct. 33. can. 20. C. 2. q. 5. c. 7. C. 6. q. 1. c. 23. C. 32. q. 5. c. 34. X. de Simon. wannenhero vi dictae regulae bey dem infanticidio und wenn ein Kind occulte

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/74>, abgerufen am 24.04.2024.