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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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wenn man die Indicia infanticidii, die der glorwürdigste Kayser Carl der V. in seiner Peinlichen Halß-Gerichts-Ordnung denen Judicibus inferioribus pro norma in tortura decernenda vel minus, vorgeschrieben, kürtzlich durchgehet. Es sind aber dieselben zweyerley Arten, etliche, wenn die Inquisita weder, daß das Kind Ihre sey, noch daß Sie selbiges ermordet habe, gestehen will, andere, wenn die Inquisita editionem partus gestehet, und bloß die Ermordung verneinet. Zu jenen wird nicht unbillig intumescentia & subitanea decrescentia uteri, item praesentia lactis in mammis inquifitae

De quibus est artic. 35. & 36. Ord. Carolinae.

referiret, massen solches nicht nur der contextus weiset, sondern auch die Doctores mehrentheils dahin zielen;

Stephani ad dict. art. 35. & 36. Carpz. Prax. Crim. quaest. 122. n. 19. seqq. Crusius de Indiciis delictorum Part. 2. Cap. 34. n. 8. seqq.

und dannenhero der Käyser nicht immediate schliessen will, Titiae uterus antea tumidus subito decrevit, aut lac in mamillis habet, ergo cadaver interfecit, sondern vielmehr mediate: Titia cadaver occisum se peperisse negans, positis istis circumstantiis de mendacio, & propter mendacium de infanticidio simul suspecta est. Weil aber dergleichen mendacium bey Annen nicht verhanden, sondern Sie alsbald, wie oben erwehnet, gestanden, daß Sie das todt gefundene Kind gebohren habe, so würde vergebens seyn, Sich über demjenigen, was in actis etwan von dem Umstande, daß Sie Anna vor der Geburt einen dicken Leib gehabt, welcher Sich hernach wieder verlohren, hin und wieder anzutreffen ist, ohne Noth aufzuhalten.

So saget demnach Anna, Sie habe das Kind gebohren, es sey aber todt auf die Welt gekommen.

in deposit. ad artic. 15. fol. 67. b. Vol. 2.

und gehöret also das andere indicium hieher, welches der Käyser im 131. Articul gesetzt hat mit solgenden Worten. So aber ein Weibs-Bild, als obstehet, ein lebendig gliedmäßig Kindlein, das nachmahls todt gefunden, heimlich gebohren und verborgen hätte, und so dieselbe erkündigte Mutter deßhalb bespracht würde, entschuldigungsweise fürgäbe, wie das Kindlein ohne Ihre Schuld todt von Ihr gebohren seyn solte: Wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen, damit sol es gehalten und gehandelt werden, wie in 74. Artickel anfahend, Item so ein Beklagter Kundschafft etc. funden wird, auch deßhalb zu weiterer Suchung Anzeigung geschicht, wann ohne bestimmte gnugsame Beweisung ist der angeregten vermeinten Entschuldigung nicht zu glauben, sonst möchte sich eine iede Thäterin mit einen solchen gedichten Fürgeben ledigen. Doch so ein Weibsbild ein lebendig gliedmäßig Kindlein also heimlich trägt, auch mit Willen allein und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret, welche ohne hülffliche Geburt mit tödtlicher Ver-

wenn man die Indicia infanticidii, die der glorwürdigste Kayser Carl der V. in seiner Peinlichen Halß-Gerichts-Ordnung denen Judicibus inferioribus pro norma in tortura decernenda vel minus, vorgeschrieben, kürtzlich durchgehet. Es sind aber dieselben zweyerley Arten, etliche, wenn die Inquisita weder, daß das Kind Ihre sey, noch daß Sie selbiges ermordet habe, gestehen will, andere, wenn die Inquisita editionem partus gestehet, und bloß die Ermordung verneinet. Zu jenen wird nicht unbillig intumescentia & subitanea decrescentia uteri, item praesentia lactis in mammis inquifitae

De quibus est artic. 35. & 36. Ord. Carolinae.

referiret, massen solches nicht nur der contextus weiset, sondern auch die Doctores mehrentheils dahin zielen;

Stephani ad dict. art. 35. & 36. Carpz. Prax. Crim. quaest. 122. n. 19. seqq. Crusius de Indiciis delictorum Part. 2. Cap. 34. n. 8. seqq.

und dannenhero der Käyser nicht immediate schliessen will, Titiae uterus antea tumidus subito decrevit, aut lac in mamillis habet, ergo cadaver interfecit, sondern vielmehr mediate: Titia cadaver occisum se peperisse negans, positis istis circumstantiis de mendacio, & propter mendacium de infanticidio simul suspecta est. Weil aber dergleichen mendacium bey Annen nicht verhanden, sondern Sie alsbald, wie oben erwehnet, gestanden, daß Sie das todt gefundene Kind gebohren habe, so würde vergebens seyn, Sich über demjenigen, was in actis etwan von dem Umstande, daß Sie Anna vor der Geburt einen dicken Leib gehabt, welcher Sich hernach wieder verlohren, hin und wieder anzutreffen ist, ohne Noth aufzuhalten.

So saget demnach Anna, Sie habe das Kind gebohren, es sey aber todt auf die Welt gekommen.

in deposit. ad artic. 15. fol. 67. b. Vol. 2.

und gehöret also das andere indicium hieher, welches der Käyser im 131. Articul gesetzt hat mit solgenden Worten. So aber ein Weibs-Bild, als obstehet, ein lebendig gliedmäßig Kindlein, das nachmahls todt gefunden, heimlich gebohren und verborgen hätte, und so dieselbe erkündigte Mutter deßhalb bespracht würde, entschuldigungsweise fürgäbe, wie das Kindlein ohne Ihre Schuld todt von Ihr gebohren seyn solte: Wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen, damit sol es gehalten und gehandelt werden, wie in 74. Artickel anfahend, Item so ein Beklagter Kundschafft etc. funden wird, auch deßhalb zu weiterer Suchung Anzeigung geschicht, wann ohne bestimmte gnugsame Beweisung ist der angeregten vermeinten Entschuldigung nicht zu glauben, sonst möchte sich eine iede Thäterin mit einen solchen gedichten Fürgeben ledigen. Doch so ein Weibsbild ein lebendig gliedmäßig Kindlein also heimlich trägt, auch mit Willen allein und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret, welche ohne hülffliche Geburt mit tödtlicher Ver-

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wenn man die Indicia infanticidii, die der                      glorwürdigste Kayser Carl der V. in seiner Peinlichen Halß-Gerichts-Ordnung                      denen Judicibus inferioribus pro norma in tortura decernenda vel minus,                      vorgeschrieben, kürtzlich durchgehet. Es sind aber dieselben zweyerley Arten,                      etliche, wenn die Inquisita weder, daß das Kind Ihre sey, noch daß Sie selbiges                      ermordet habe, gestehen will, andere, wenn die Inquisita editionem partus                      gestehet, und bloß die Ermordung verneinet. Zu jenen wird nicht unbillig                      intumescentia &amp; subitanea decrescentia uteri, item praesentia lactis in                      mammis inquifitae</p>
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[57/0073] wenn man die Indicia infanticidii, die der glorwürdigste Kayser Carl der V. in seiner Peinlichen Halß-Gerichts-Ordnung denen Judicibus inferioribus pro norma in tortura decernenda vel minus, vorgeschrieben, kürtzlich durchgehet. Es sind aber dieselben zweyerley Arten, etliche, wenn die Inquisita weder, daß das Kind Ihre sey, noch daß Sie selbiges ermordet habe, gestehen will, andere, wenn die Inquisita editionem partus gestehet, und bloß die Ermordung verneinet. Zu jenen wird nicht unbillig intumescentia & subitanea decrescentia uteri, item praesentia lactis in mammis inquifitae De quibus est artic. 35. & 36. Ord. Carolinae. referiret, massen solches nicht nur der contextus weiset, sondern auch die Doctores mehrentheils dahin zielen; Stephani ad dict. art. 35. & 36. Carpz. Prax. Crim. quaest. 122. n. 19. seqq. Crusius de Indiciis delictorum Part. 2. Cap. 34. n. 8. seqq. und dannenhero der Käyser nicht immediate schliessen will, Titiae uterus antea tumidus subito decrevit, aut lac in mamillis habet, ergo cadaver interfecit, sondern vielmehr mediate: Titia cadaver occisum se peperisse negans, positis istis circumstantiis de mendacio, & propter mendacium de infanticidio simul suspecta est. Weil aber dergleichen mendacium bey Annen nicht verhanden, sondern Sie alsbald, wie oben erwehnet, gestanden, daß Sie das todt gefundene Kind gebohren habe, so würde vergebens seyn, Sich über demjenigen, was in actis etwan von dem Umstande, daß Sie Anna vor der Geburt einen dicken Leib gehabt, welcher Sich hernach wieder verlohren, hin und wieder anzutreffen ist, ohne Noth aufzuhalten. So saget demnach Anna, Sie habe das Kind gebohren, es sey aber todt auf die Welt gekommen. in deposit. ad artic. 15. fol. 67. b. Vol. 2. und gehöret also das andere indicium hieher, welches der Käyser im 131. Articul gesetzt hat mit solgenden Worten. So aber ein Weibs-Bild, als obstehet, ein lebendig gliedmäßig Kindlein, das nachmahls todt gefunden, heimlich gebohren und verborgen hätte, und so dieselbe erkündigte Mutter deßhalb bespracht würde, entschuldigungsweise fürgäbe, wie das Kindlein ohne Ihre Schuld todt von Ihr gebohren seyn solte: Wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen, damit sol es gehalten und gehandelt werden, wie in 74. Artickel anfahend, Item so ein Beklagter Kundschafft etc. funden wird, auch deßhalb zu weiterer Suchung Anzeigung geschicht, wann ohne bestimmte gnugsame Beweisung ist der angeregten vermeinten Entschuldigung nicht zu glauben, sonst möchte sich eine iede Thäterin mit einen solchen gedichten Fürgeben ledigen. Doch so ein Weibsbild ein lebendig gliedmäßig Kindlein also heimlich trägt, auch mit Willen allein und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret, welche ohne hülffliche Geburt mit tödtlicher Ver-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/73>, abgerufen am 26.04.2024.