Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

ro ein jeder Wahrheit liebender das talent, das ihm GOtt dißfals gegeben, brauchen und bey demselben bleiben, und des andern nicht thörichter Weise affectiren, aber auch die andren, die sich eines andern bedienten, nicht anfeinden, noch verlästern müste. Wenn z. e. der seelige Johann Arnd, und der gottsfürchtige D. Spener, Lutheri oder Erasmi freudige Schreib-Art hätten affectiren wollen, würden sie sich sehr prostituiret haben. Und in Gegentheil, wenn der Mann GOttes Lutherus, und der andre Werckzeug GOttes Erasmus von Rotterdam ihre freudige und sinnreiche Schreib-Art hätten verstecken, und eine traurige oder auch nur ernsthaffte allezeit gebrauchen wollen, würden sie dem Pabstthum lange so grossen Schaden nicht gethan haben, als so geschehen, da sie sich ihres talents rechtschaffen bedienet.

Jedoch hat alles seine Zeit, Ziel, Maß und Gewicht. Und nachdem ich also nach dieser Regul meine Schreib-Art etliche und zwantzig Jahr eingerichtet, habe ich nicht alleine befunden, daß dasjenige, was ich so wohl in der Philosophie, als auch in der Jurisprudentz (die nach der heutigen auf vielen Universitäten hergebrachten und bißher mit grossen Nutzen der Studirenden vergesellschafften Erkäntniß, einen viel weiteren Begriff oder Sprengkel hat, als man vor diesen und noch heute in Pabstthum vermeinet) in öffentlichen Schrifften vorgetragen, viel mehreren applausum erhalten als vorhero. Denn obschon sich hier und dar nicht wenige Wiedersprecher gefunden, und noch finden; so habe ich doch nicht bedurfft, mich in Streit-Schrifften einzulassen, oder die vorhergebrauchten, nunmehr aber abgeschafften allzubeissenden Ausdrückungen zu entschuldigen, sondern es ist genung gewesen, wenn ich meine etwa noch nicht deutlich genung vorgetragene Sätze deutlicher gemacht, oder es haben sich andre gefunden, die dieselben an meine statt vertheidiget; oder GOtt hat auf andre Weise mich und meine Lehren beschützet, dafür der göttlichen Weißheit und Barmhertzigkeit ich demüthig dancke. Ja diese unverdiente göttliche Gnade hat mich immer mehr und mehr behertzter gemacht, die noch vielfältigen Reliquien des Politischen Pabstthums in der Jurisprudentia Ecclesiastica getrost zu entdecken, wie da-

ro ein jeder Wahrheit liebender das talent, das ihm GOtt dißfals gegeben, brauchen und bey demselben bleiben, und des andern nicht thörichter Weise affectiren, aber auch die andren, die sich eines andern bedienten, nicht anfeinden, noch verlästern müste. Wenn z. e. der seelige Johann Arnd, und der gottsfürchtige D. Spener, Lutheri oder Erasmi freudige Schreib-Art hätten affectiren wollen, würden sie sich sehr prostituiret haben. Und in Gegentheil, wenn der Mann GOttes Lutherus, und der andre Werckzeug GOttes Erasmus von Rotterdam ihre freudige und sinnreiche Schreib-Art hätten verstecken, und eine traurige oder auch nur ernsthaffte allezeit gebrauchen wollen, würden sie dem Pabstthum lange so grossen Schaden nicht gethan haben, als so geschehen, da sie sich ihres talents rechtschaffen bedienet.

Jedoch hat alles seine Zeit, Ziel, Maß und Gewicht. Und nachdem ich also nach dieser Regul meine Schreib-Art etliche und zwantzig Jahr eingerichtet, habe ich nicht alleine befunden, daß dasjenige, was ich so wohl in der Philosophie, als auch in der Jurisprudentz (die nach der heutigen auf vielen Universitäten hergebrachten und bißher mit grossen Nutzen der Studirenden vergesellschafften Erkäntniß, einen viel weiteren Begriff oder Sprengkel hat, als man vor diesen und noch heute in Pabstthum vermeinet) in öffentlichen Schrifften vorgetragen, viel mehreren applausum erhalten als vorhero. Denn obschon sich hier und dar nicht wenige Wiedersprecher gefunden, und noch finden; so habe ich doch nicht bedurfft, mich in Streit-Schrifften einzulassen, oder die vorhergebrauchten, nunmehr aber abgeschafften allzubeissenden Ausdrückungen zu entschuldigen, sondern es ist genung gewesen, wenn ich meine etwa noch nicht deutlich genung vorgetragene Sätze deutlicher gemacht, oder es haben sich andre gefunden, die dieselben an meine statt vertheidiget; oder GOtt hat auf andre Weise mich und meine Lehren beschützet, dafür der göttlichen Weißheit und Barmhertzigkeit ich demüthig dancke. Ja diese unverdiente göttliche Gnade hat mich immer mehr und mehr behertzter gemacht, die noch vielfältigen Reliquien des Politischen Pabstthums in der Jurisprudentia Ecclesiastica getrost zu entdecken, wie da-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0006"/>
ro ein jeder                      Wahrheit liebender das talent, das ihm GOtt dißfals gegeben, brauchen und bey                      demselben bleiben, und des andern nicht thörichter Weise affectiren, aber auch                      die andren, die sich eines andern bedienten, nicht anfeinden, noch verlästern                      müste. Wenn z. e. der seelige Johann Arnd, und der gottsfürchtige D. Spener,                      Lutheri oder Erasmi freudige Schreib-Art hätten affectiren wollen, würden sie                      sich sehr prostituiret haben. Und in Gegentheil, wenn der Mann GOttes Lutherus,                      und der andre Werckzeug GOttes Erasmus von Rotterdam ihre freudige und                      sinnreiche Schreib-Art hätten verstecken, und eine traurige oder auch nur                      ernsthaffte allezeit gebrauchen wollen, würden sie dem Pabstthum lange so                      grossen Schaden nicht gethan haben, als so geschehen, da sie sich ihres talents                      rechtschaffen bedienet.</p>
        <p>Jedoch hat alles seine Zeit, Ziel, Maß und Gewicht. Und nachdem ich also nach                      dieser Regul meine Schreib-Art etliche und zwantzig Jahr eingerichtet, habe ich                      nicht alleine befunden, daß dasjenige, was ich so wohl in der Philosophie, als                      auch in der Jurisprudentz (die nach der heutigen auf vielen Universitäten                      hergebrachten und bißher mit grossen Nutzen der Studirenden vergesellschafften                      Erkäntniß, einen viel weiteren Begriff oder Sprengkel hat, als man vor diesen                      und noch heute in Pabstthum vermeinet) in öffentlichen Schrifften vorgetragen,                      viel mehreren applausum erhalten als vorhero. Denn obschon sich hier und dar                      nicht wenige Wiedersprecher gefunden, und noch finden; so habe ich doch nicht                      bedurfft, mich in Streit-Schrifften einzulassen, oder die vorhergebrauchten,                      nunmehr aber abgeschafften allzubeissenden Ausdrückungen zu entschuldigen,                      sondern es ist genung gewesen, wenn ich meine etwa noch nicht deutlich genung                      vorgetragene Sätze deutlicher gemacht, oder es haben sich andre gefunden, die                      dieselben an meine statt vertheidiget; oder GOtt hat auf andre Weise mich und                      meine Lehren beschützet, dafür der göttlichen Weißheit und Barmhertzigkeit ich                      demüthig dancke. Ja diese unverdiente göttliche Gnade hat mich immer mehr und                      mehr behertzter gemacht, die noch vielfältigen Reliquien des Politischen                      Pabstthums in der Jurisprudentia Ecclesiastica getrost zu entdecken, wie                              da-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0006] ro ein jeder Wahrheit liebender das talent, das ihm GOtt dißfals gegeben, brauchen und bey demselben bleiben, und des andern nicht thörichter Weise affectiren, aber auch die andren, die sich eines andern bedienten, nicht anfeinden, noch verlästern müste. Wenn z. e. der seelige Johann Arnd, und der gottsfürchtige D. Spener, Lutheri oder Erasmi freudige Schreib-Art hätten affectiren wollen, würden sie sich sehr prostituiret haben. Und in Gegentheil, wenn der Mann GOttes Lutherus, und der andre Werckzeug GOttes Erasmus von Rotterdam ihre freudige und sinnreiche Schreib-Art hätten verstecken, und eine traurige oder auch nur ernsthaffte allezeit gebrauchen wollen, würden sie dem Pabstthum lange so grossen Schaden nicht gethan haben, als so geschehen, da sie sich ihres talents rechtschaffen bedienet. Jedoch hat alles seine Zeit, Ziel, Maß und Gewicht. Und nachdem ich also nach dieser Regul meine Schreib-Art etliche und zwantzig Jahr eingerichtet, habe ich nicht alleine befunden, daß dasjenige, was ich so wohl in der Philosophie, als auch in der Jurisprudentz (die nach der heutigen auf vielen Universitäten hergebrachten und bißher mit grossen Nutzen der Studirenden vergesellschafften Erkäntniß, einen viel weiteren Begriff oder Sprengkel hat, als man vor diesen und noch heute in Pabstthum vermeinet) in öffentlichen Schrifften vorgetragen, viel mehreren applausum erhalten als vorhero. Denn obschon sich hier und dar nicht wenige Wiedersprecher gefunden, und noch finden; so habe ich doch nicht bedurfft, mich in Streit-Schrifften einzulassen, oder die vorhergebrauchten, nunmehr aber abgeschafften allzubeissenden Ausdrückungen zu entschuldigen, sondern es ist genung gewesen, wenn ich meine etwa noch nicht deutlich genung vorgetragene Sätze deutlicher gemacht, oder es haben sich andre gefunden, die dieselben an meine statt vertheidiget; oder GOtt hat auf andre Weise mich und meine Lehren beschützet, dafür der göttlichen Weißheit und Barmhertzigkeit ich demüthig dancke. Ja diese unverdiente göttliche Gnade hat mich immer mehr und mehr behertzter gemacht, die noch vielfältigen Reliquien des Politischen Pabstthums in der Jurisprudentia Ecclesiastica getrost zu entdecken, wie da-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI. (2012-11-23T14:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-23T14:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/6
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/6>, abgerufen am 24.11.2024.